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hörte. Dann wurde gegessen. Schade, dafs ich nicht musikalisches Gehör genug habe, diese Melodieen mit ihrem höchst eigenthümlichen Rhythmus zu behalten. Einer Heirath wohnte ich nicht bei; die Ehen scheinen übrigens sehr lose geknüpft, da es erlaubt ist, sich bei gegenseitiger Unzufriedenheit ohne Weiteres zu scheiden; beide Theile verheirathen sich wieder. Doch scheint dieser Fall sehr selten zu sein; im Allgemeinen scheinen sie äusserst zufrieden und ohne Streit in ihren Familien zu leben.

Sie sind, wie alle nichtchristlichen Stämme des Landes, der spanischen Regierung unterthan und zahlen einen geringen Tribut unter dem Namen recanacimiento", zu dessen Eintreibung alljährlich ein Commissär abgeschickt wird. Jede Rancheria hat ihren gobernadercillo, der aber hier ganz ohne Macht ist, eine Last für den, der dazu von der Regierung ernannt wird und der sie nur theils aus Furcht vor dieser, theils aus Eitelkeit annimmt, da ihm mit einigem Ceremoniell ein silberbeschlagener Stock überreicht wird, und er zugleich die Erlaubnifs erhält, eine Jacke über der Hose zu tragen.

Die Iraya's des Ilarou nun unterscheiden sich in manchen wesentlichen Puncten auffallend von den Catalanganes, auf die speciell sich die obige eingehende Schilderung bezieht. Ihre Anzahl ist grösser und obgleich sich die Abstammung von einem mongolischen Stamm nicht verkennen läfst, so sieht man doch unter ihnen mehr Leute, die sich dem tagalischen Typus nähern; ebenso ist die Anzahl der mit ihnen lebenden Neger bedeutend gröfser, als am Catalangan, und Mischlinge sind unter ihnen nicht selten. Diese erkennt man auf den ersten Blick; fast immer zeigt sich bei ihnen von dem Typus der Neger das eine oder andre prägnante Merkmal; so sieht man hohe lange Gestalten mit kleinem runden Negerschädel, oder das Negerprofil vereint mit glattem Haar und langem Schädel und umgekehrt runde Negerschädel mit rundem Gesicht und wolligem Haar, aber entschieden mit dem Profil des Iraya. Selbst die dunkelkupferbraune Körperfarbe und das düstere Funkeln des Negerauges sind oft die einzigen Merkmale, an denen man aber mit gröfster Sicherheit das gemischte Blut erkennt.

Dieser Einflußs, einestheils des Negerblutes, anderntheils des tagalischen, giebt sich nun in Allem auf die unzweideutigste Weise zu erkennen. Bei ihrem Ackerbau wenden sie immer den Büffel an, aber die grofse Hülfe, die ihnen dieser bietet, scheint sie nur fauler gemacht zu haben; ihre Felder sind nie so rein, wie die der Catalanganes und auf Säen wie Verpflanzen verwenden sie weit weniger Sorgfalt. Ihre Hausplätze sind nie so sauber, wie bei jenen, da sie den Kehricht wie die Tagalen eben nur zum Hause hinaus werfen. Ihre Häuser sind nach demselben Grundplan construirt, wie am Catalangan; aber hier wiegen

die Cañadächer, weil leichter zu fabriciren, vor und in jenen Rancheria's, wo die oben erwähnten geflüchteten Christen wohnen, sah ich fast nur solche. Sie tätowiren, wie auch die Catalanganes, den Oberkörper und die Arme; aber diese nehmen zu ihren Mustern fast immer chinesische (oder japanesische?) Schriftzeichen, jene gebrauchen nur die einheimische Verzierung mit graden Linien. Am ganzen Ilarán habe ich nicht einen einzigen Menschen mit jenen Schriftzeichen tätowirt gefunden. Ganz dasselbe gilt für alle Verzierungen, mögen sie an den Halsketten oder Beteldosen, oder an den kleinen Halbmonden über der Bank des Anito angebracht sein, immer nur grade sich kreuzende Linien am Ilarán, die krummen Buchstaben der Chinesen am Catalangan. Am Bedeutendsten aber erscheint mir der Umstand, dafs sie jene vier obersten Götter des Catalangan nicht anerkennen, sie huldigen nur den Anito. So fehlt auch in den Rancheria's am Ilarán Alles, was sich auf jene vier Götter bezieht, die schräg im Hause aufgehängten Göttertafeln mit dem Gotte darüber; sie feiern kein allgemeines Fest, wie das zu Tuboc, und ihre Feste sind lediglich Anitofeste. Hier unter den Spaniern herrscht die Meinung, die Anito's seien die einzigen Götter dieser Infieles, welche übrigens auch von anderen nichtchristlichen Stämmen, z. B. von den Ilangotes und Gaddanes verehrt wer→ den. Offenbar beruht dies auf einen Irrthum, und von dem schon sehr hoch stehenden Glauben an die Unsterblichkeit der Seele, worauf die ganze Anitolehre sich gründet, haben die Europäer gar keinen Begriff. Die Spanier haben sich nie die Mühe gegeben, etwas weiter diesem Glauben nachzuforschen; sonst müssten sie eingestehen, dass, so roh auch sonst diese freien Völker des Nordens sein mögen, was auch noch zu bestreiten ist im Vergleich zu den christlichen Stämmen sie doch unendlich viel mehr poetisches Gefühl und religiösen Glauben besitzen, als die Tagalen und Visaya's, denen das Christenthum nichts weiter ist als Schellengeklingel und Glockengebimmel, Musik, Tanz und Feste.

Unter diesen Leuten fand ich nun eine ganz andere Aufnahme, als ich nach den Vorgängen am Catalangan erwarten durfte. Statt jener unzufriedenen Gesichter und des ewigen „aūáu“, sah ich hier nur fröhliche, muntere Blicke, die mir überall mit grofser Bescheidenheit und Neugier folgten; immer bereitwillig zu allen möglichen Diensten, für die sie niemals Bezahlung forderten, ohne Umschweife auf meine Fragen offen und ehrlich antwortend auch das verwünschte aūdu liefs sich lange nicht so oft hören so wurde mir bald ganz wohl unter diesem Volke. Von Ort zu Ort brachten sie mich, nie weigerte sich Einer, in mein Boot zu steigen und mitrudern zu helfen; überall wo ich ankam, empfingen sie mich mit Geschenken, der eine brachte Zuckerrohr, der andere Reis, oder samats u. s. w., und wenn

266 Semper: Reise durch die nordöstlichen Provinzen der Insel Luzon.

es auch noch so wenig war, so erfreute mich doch diese Bereitwilligkeit mir zu helfen, im höchsten Grade. In manchen Rancheria's hatten sie eigne breite Wege für mich angelegt und als ich in Satpat war, einer der letzten Rancheria's am Ilarán nach den Bergen von Casiguran zu, kamen Deputationen aus mehreren der nahe liegenden, um zu erfahren, wann ich in ihren Orten vorsprechen würde, zu welchem Tage sie dann ein Essen für mich bereit halten wollten. Leider bereiteten sie dieses umsonst, da ich in Salpat mir ein Fieber holte, das mich zwang, dies Land, in dem es mir so wohlgefiel, rasch zu verlassen. Auch bei dieser Gelegenheit benahmen sich die Leute einer Rancheria ungefähr in der Mitte des Weges sehr liebenswürdig; ohne aufgefordert zu sein, setzten sich der Gobernadercillo und sein Teniente mit in mein Boot und begleiteten mich bis nach Ilagan hinunter, eine Strecke, die ihnen zur Rückfahrt mindestens drei Tage kostete. Unverkennbar schien mir hierbei der Einfluss der Neger, die unstreitig die von Haus aus gutmüthigste Nation des Landes bilden; der tagalische Einfluss dagegen scheint sich mehr in ihrer gröfseren Faulheit zu zeigen und in der geringeren Sorgfalt, die sie auf die Bestellung ihrer Felder verwenden. Mit Bedauern schied ich von ihnen, nicht ohne das Versprechen, sie noch einmal zu besuchen, um einige wesentliche Lücken in meiner Kenntnifs ihres Landes und ihrer Sitten auszufüllen.

XI.

Auszug aus Don J. M. de la Sota's Geschichte des Territorio Oriental del Uruguay *).

Von Dr. J. Ch. Heusser und G. Claraz in Buenos-Ayres.

Cap. 1. Von der Entdeckung des Staates.

Das Territorio Oriental del Uruguay (das östliche Land vom Uruguay) oder gewöhnlich die Banda Oriental genannt, ist im Jahr 1508 oder 1512 entdeckt worden. Juan Diaz de Solis, der mit Erlaubniss des Königs Ferdinand von Spanien, aber auf eigene Kosten eine Ex

*) Historia del Territorio Oriental del Uruguay. Escrita por D. Juan Manuel de la Sota. Montevideo 1841. 8. Ein Exemplar dieses seltenen, durch den Tod des Verfassers leider unvollendet gebliebenen Werkes ist von dem K. Preufs. Geschäftsträger für die La Plata - Staaten, Herrn von Gülich, der Königl. Bibliothek zu Berlin zum Geschenk gemacht worden. Der nachstehende Auszug giebt in allen auffallenden Stellen wenigstens eine wortgetreue Uebersetzung einer Anzahl der interessantesten Capitel.

Red.

pedition zur Entdeckung Indiens ausgerüstet hatte, war es, der zum ersten Mal in die Mündung des grofsen Stromes einfuhr, der heutzutage unter dem Namen La Plata bekannt ist. Die Begleiter von Solis aber nannten ihn zunächst Rio de Solis. -Solis fuhr einige Tagereisen auf demselben hinauf, und steckte Kreuze an der sandigen Küste als Zeichen der Besitznahme auf. Als aber bald ein heftiger Sturm sich erhob und er keinen sichern Hafen fand, trat er die Rückreise nach Spanien an, um über die Entdeckung des grofsen Stromes Bericht zu erstatten. Im Jahr 1515 ging Solis von neuem mit drei Schiffen von Spanien aus, um seine Entdeckungen an dem neuen Strom forzusetzen; diesmal aber landete er etwas nördlich von dessen Mündung unter 34° 40', um zunächst von der Küste aus etwas in's Innere des Landes einzudringen. Unmittelbar nach ihrer Landung wurden sie aber von den Indianern angefallen und Solis selbst und acht seiner Gefährten getödtet. Die Uebrigen traten die Rückreise an, ohne den eigentlichen Zweck ihrer Unternehmung weiter zu verfolgen. Im Jahr 1526 rüstete Kaiser Karl V. eine neue Expedition aus, welche die Meerenge Magelhans passiren und Ostindien aufsuchen sollte. Ein Venetianer, Namens Gaboto, stand an der Spitze; er lenkte aber in den Rio de Solis ein und fuhr in demselben, einen Hafen suchend, nahe der orientalischen Küste aufwärts. Er warf zuerst vor einer Insel Anker, die er St. Gabriel nannte, 1 Stunde von der Küste entfernt. Von hier aus befuhren sie auf kleinen Fahrzeugen den Uruguay, und trafen nach wenig Tagen den Rio San Salvador, an dessen Ufern sie eine Festung erbauten zum Schutz gegen die Indier, die sie von ferne argwöhnisch betrachteten. Eine Abtheilung wollte zu Land, dem Ufer des Flusses folgend, das Land kennen lernen, wurde aber von den Indianern angegriffen und niedergemacht. Gaboto liefs nun eine Bedeckung in der Festung zurück, und fuhr selbst noch weiter den Hauptflufs aufwärts; er lenkte in den jetzt sogenannten Paraguay ein, in welchem er bis über Angostura vordrang, nachdem er auch dort ein Fort, Sancti Spiritus oder Gaboto gegründet, und Freundschaft mit den dortigen Indianern, den Timbues und Caracaras geschlossen. Gaboto verwandelte den bisherigen Namen des Hauptstroms in Rio de la Plata (Silberstrom), um, nach der Ansicht des Verfassers, damit Ansiedler aus Europa anzuziehen.

Cap. 2. u. 3. Von den Eingeborenen der Banda Oriental

und ihren Sitten.

Die Hauptstämme der Indianer, die damals in der Banda Oriental lebten, waren folgende: die Charruas bewohnten die Küste von Maldonado bis zur Mündung des Uruguay, die Chayos am östlichen Ufer

des Uruguay, die Chanas auf den Inseln im Uruguay bei der Mündung des Rio Negro, die Guenoas und Martedanes zwischen dem Uruguay und dem Mar del Norte; diese grenzten im Norden mit den Portugiesen zusammen, welche die Colonie Sacramento gegründet hatten, trieben mit diesen Handel und erhielten von ihnen Säbel und Lanzen zum Krieg gegen die Spanier, die von jenem ersten Niederlassungsplatz aus anfingen Besitz von der ganzen Banda Oriental zu nehmen. Was die Sprache dieser verschiedenen Indianerstämme anbetrifft, so soll dieselbe nach dem Pater Isaurralde ein verdorbener Dialect der Guarani-Sprache, und alle diese Urbewohner der Banda Oriental wahrscheinlich nur Zweige des grofsen Guarani-Stammes gewesen sein. Von den angeführten waren die Charruas die wildesten, und setzten der spanischen Eroberung den hartnäckigsten Widerstand entgegen, der volle drei Jahrhunderte dauerte. Zuletzt zogen sie sich an die brasilianische Grenze zurück, von der aus sie ihre Einfälle in die Banda Oriental machten. Erst im Jahr 1831 wurden sie vollständig ausgerottet durch den General Rivera; und es dürften heutzutage kaum irgendwo dreissig zusammenlebend zu treffen sein. Allgemein hält man die Charruas für Menschenfresser, und in der That haben sie Solis und dessen Begleiter gebraten und verzehrt. Dies soll aber eine vereinzelte Erscheinung sein, und die Charruas vielmehr ihre Besiegten gewöhnlich sehr human behandelt haben. Beim Tode eines Verwandten sollen sie sich nach Centenera und Azara selbst verstümmelt haben. Die Haut bemalten sie mit verschiedenen Farben, gaben aber Blau den Vorzug. Wenn irgend etwa Ausserordentliches passirte, gab man sich durch Feuer ein Zeichen, dass Alle bewaffnet zusammenkommen sollten; und zwar löschte man das Feuer aus und zündete es wieder an, um so öfter, als die Angelegenheit wichtig war. Für gewöhnlich entsprach ein Feuer einer Heirath. Sie lebten in Familien, feierten die Hochzeit, begruben und ehrten die Todten. In Mitte des Kampfes war es Hauptpflicht, die Leichname zu retten, um dem Feinde die Verluste zu verbergen. Das erwähnte Familienleben beschränkte sich übrigens nicht auf eine Frau, sondern die Männer lebten mit vielen Frauen zusammen, und zwar stieg die Anzahl der Frauen bei den Mächtigsten bis funfzig. Das edle Motiv, so viele Frauen zu haben, war, um mit deren Hülfe um so mehr dem Trunk zu fröhnen, dem sie leidenschaftlich ergeben waren. Die Weiber nämlich bereiteten ihnen die Getränke, und zwar aus Mais, Waldfrüchten, Wurzeln und Honig. Den Männern war es erlaubt, ihre Frauen wieder zu entlassen, wenn sie eine bestimmte Summe an die Verwandten der Verstofsenen bezahlten; ebenso erkauften sie die Frauen gegen Bezahlung von deren Verwandten.-Wurfspiefs, Bogen und Lazo waren die Waffen,

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