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daß derselbe nur im Hintergrunde erscheint. Es ist nicht richtig, wenn Amari sagt, eine Intervention sei nur die Einmischung in die inneren. Angelegenheiten eines Staates zu nennen, denn das Eingreifen in die Beziehungen zweier Staaten zu einander sei eine Allianz mit dem einen und Krieg gegen den anderen, oder Krieg gegen beide, wenn der inter venirende Staat beiden Unrecht gebe und ihnen seinen Willen aufzwinge. Abgesehen davon, daß seine Behauptung intervenire heiße intus venire, sprachlich nicht richtig ist, so ist eine Allianz ein zweiseitiger Akt unter Gleichberechtigten, die Intervention ein einseitiger, bei welcher der einschreitende Staat selbst den nicht fragt, zu dessen Gunsten er vorgeht, weil er aus eigener Initiative handelt. Von Krieg aber kann man erst reden, wenn der, gegen den eingeschritten wird, mit den Waffen wider. steht. Es ist nicht nöthig, daß der intervenirende Staat nur einen Mann marschiren läßt; wenn eine Regierung einer anderen erklärt, sie werde nicht dulden, daß dieselbe einem dritten dies oder jenes thue, so ist das eine Intervention, vorausgeseßt, daß hinter dieser Erklärung der Entschluß steht, derselben eventuell materiellen Nachdruck zu geben. Intervention ist also vom Krieg zu unterscheiden, der erst ihre Folge ist.

Es handelt sich sodann um Einmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates, damit ist jedes Eingreifen der Central gewalt eines Staatenbundes, geschweige eines Bundesstaats in Fragen der Glieder, aus denen er besteht, ausgeschlossen, eine solche ist die Folge des Bundesvertrags, der den Verein begründet hat. Das Verfahren des Deutschen Bundes gegen den König von Dänemark als Herzog von Holstein im Herbst 1863 war keine Intervention, sondern eine Exekution.

Der Begriff der eigentlichen Intervention muß aber noch weiter beschränkt werden. Wenn ein Staat gegen den anderen einschreitet, weil derselbe sein eigenes Recht oder das seiner Angehörigen verlegt hat, so handelt es sich nicht um die Angelegenheiten des anderen Staates, son. dern um ein Recht dieses Staates gegen den andern, das mit völkerrechtlichen Zwangsmitteln gewahrt wird. Das Recht zum Einschreiten folgt hier aus dem Rechte jedes Staates, die Beobachtung der ihm gegenüber allgemein feststehenden oder besonders übernommenen Verpflichtungen zu erzwingen, nicht aus einem besondern Interventionsrecht. Wenn z. B. Lord Palmerston in einer Debatte über seine chinesische Politik (10. Mai 1864) auf den Tadel Burtons, daß er durch sein Verfahren den Grundsaß der Nichtintervention verlegt, erwiderte, er anerkenne denselben als Regel, ,, but my honourable friend forgets that there are cases in which

we have treaty rights", so trifft dies die Sache gar nicht. Wenn ein Staat sich weigert seine vertragsmäßigen Verpflichtungen zu erfüllen, so ist der verlegte Theil schon hierdurch berechtigt zur Retorsion, eventuell zu den Waffen zu greifen. Ebenso steht es mit einer behaupteten Rechts. verweigerung. Der berüchtigte Fall des Don Pacifico (1850) gehört also nicht hieher, England griff damals zu Repressalien gegen Griechen. land, weil es behauptete einem seiner Angehörigen sei Unrecht geschehen. Das Interventionsrecht kommt erst in Frage, wenn der andere Staat durch sein Verhalten, ohne die Rechte unseres Staates oder seiner Angehörigen unmittelbar anzugreifen, mit den Interessen unseres Staates in Conflict geräth, und es ist eben festzustellen, welche Interessen in sol. chem Falle die Intervention rechtfertigen. Es ist eine weitere Eigenthümlichkeit der Intervention, daß sie troß ihres Zwangscharakters, kraft dessen sie gebieterisch in die Angelegenheiten anderer unabhängiger Staaten eingreift, doch keineswegs immer in feindlicher Absicht geschieht, sondern sehr oft, um einem Unrecht vorzubeugen oder eine Schädigung des Staates, in dessen Angelegenheiten die Einmischung stattfindet, zu hindern. Wenn z. B. ein Staat in die inneren Angelegenheiten eines anderen eingreift, so richtet sich dies gewöhnlich nur gegen eine Partei in diesem Staate oder gegen eine bestimmte Lage, in der derselbe sich befindet und findet häufig im Interesse dieses Staates oder seiner An. gehörigen statt. Die Intervention ist daher in solchem Falle ganz vereinbar mit freundlicher Gesinnung gegen den betreffenden Staat und kann als eine friedliche Maßregel beabsichtigt und ausgeführt werden, welche in ihr Gegentheil erst umschlägt, wenn der Staat, in dessen Angelegenheit intervenirt wird, sich dem widerseßt. Obwohl also die Intervention von vornherein ein feindlicher Akt sein kann und ebenso, wenn fie Anfangs nicht so gemeint ist, doch zum Kriege führen kann, so ist beides nicht an sich nothwendig in der Natur des gebieterischen Einschreitens gegeben, und ist daher die Intervention als Zwangsmaßregel ohne Rücksicht auf den friedlichen oder kriegerischen Charakter zu wür digen, den sie in den verschiedenen Fällen annimmt. Endlich ist es eine Eigenthümlichkeit der Intervention, daß dieselbe, da ihr Zweck nur sein soll der Gefährdung von allgemeinen oder speciellen Interessen entgegenzutreten, nur soweit gehen darf, als diese Gefahr wirklich reicht; der Krieg ist, wenn er einmal begonnen hat, in seinen Zielen an sich ohne feste Grenze und kann eine Ausdehnung gewinnen, an welche die streitenden Mächte bei seinem Beginn nicht dachten, die Intervention ist,

so lange sie nicht zum Kriege geführt hat, nur berechtigt, soweit es die Beseitigung der Gefahr erfordert. Ueberschreitet der Intervenient diese Grenze, so sezt er sich mit Recht der Gegenintervention dritter Staaten aus, und eben deshalb bietet die Collectivintervention mehrerer Mächte, welche sich gegenseitig überwachen, dagegen verhältnißmäßig die beste Sicherheit.

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Fragen wir nun, wann eine Intervention nach dem so festgesezten Begriff gerechtfertigt ist, so liegt auf der Hand, daß für den Fall, wo es sich um ein Eingreifen eines Staates in die Beziehungen zwischen zwei anderen Staaten handelt, allgemeine Regeln sich gar nicht aufstellen lassen. Der Streit oder das Bündniß zweier Staaten kann die Interessen eines dritten auf das vielfachste berühren, und ob dieselben in einer Weise verlegt werden, daß eine gebieterische Einmischung dagegen gerechtfertigt ist, kann nur nach den Umständen beurtheilt werden. Sicher macht es hier einen Unterschied, ob die Intervention angerufen wird oder nicht, aber entscheidend ist dies für ihre Berechtigung nicht, ein angegriffener Staat kann mit Recht oder Unrecht behaupten, daß sein Gegner völkerrechtswidrig handle, oder seine Existenz gefährde, der angerufene Staat hat darüber selbstständig zu entscheiden, kann aber ebensowohl ohne Anrufung einschreiten, wenn er überzeugt ist, daß dies nothwendig, um einer Gemeingefahr oder einer Bedrohung seiner Interessen zu begegnen. Man kann im Allgemeinen nur sagen, eine Intervention ist in diesem Falle in demselben Maße legitim, als es ein Krieg wäre.

Anders liegt die Sache bei der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines dritten Staates. Das Recht der Autonomie jedes unabhängigen Gemeinwesens ist im internationalen Leben ein so fundamentales, daß die Beeinträchtigung desselben nur statthaft erscheint, wenn unzweifelhaft in dem gegebenen Falle ein noch höheres Recht verlegt wird, vor dem ausnahmsweise die Selbstbestimmung zurücktreten muß. Daß es solche Fälle giebt, ist unbestreitbar; wenn die Handlungsweise eines Staates oder Vorgänge in demselben zwar nicht iura quaesita eines anderen Staates verlezen, aber die Sicherheit desselben unmittelbar bedrohen, so ist dieser berechtigt einzuschreiten, denn das Recht der Autonomie reicht nur so weit, als es das Recht Anderer nicht schädigt, und wenn durch solche Vorgänge das Völkerrecht schwer verletzt wird, so ist jeder Staat, der die Macht hat dies zu hindern, berechtigt dies

zu thun, denn es ist ein gemeinsames Interesse aller Staaten das Völkerrecht nicht antasten zu lassen. Man kann also, weil die Intervention oft unberechtigt geübt ist, dies nicht dadurch bekämpfen, daß man derselben ein abstractes Nichtinterventionsprincip gegenüberstellt. Es giebt ein Recht der Intervention, alles kommt darauf an, die Fälle klar zu stellen, in welchen dasselbe behauptet werden kann. Hier wird zunächst die Meinung zurückzuweisen sein, daß es erlaubt sei, für eine gute Sache zu interveniren, nicht aber für eine schlechte, denn keinem Staate und keiner Mehrheit von Staaten steht das Recht zu sich zum Richter darüber aufzuwerfen, ob, was in einem Staate geschieht, gut oder schlecht sei. Sodann ist zu bemerken, daß wenn vorher gesagt wurde, die Intervention werde nicht sowohl durch Verlegung bestimmter iura quaesita eines Staates, sondern durch einen Conflict von Interessen begründet, es doch auf der Hand liegt, daß nicht jeder solcher Conflict zur Intervention berechtigen kann, denn da jeder Staat über seine Interessen allein entscheidet, so könnte eine an sich geringfügige Verlegung derselben zu einer Intervention führen. Dies ist schlechthin unzulässig, jeder Staat kann seine Rechte in vollem Umfang üben, auch wenn dies den Interessen anderer Staaten nicht förderlich ist. Er kann im Frieden andere Staaten und ihre Angehörigen differentiell nachtheilig behandeln, ihnen Vortheile verweigern, die er Dritten zugesteht, das berechtigt den Gegenpart zur Retorsion, also Gleiches mit Gleichem zu vergelten, um jenem Staate das Unbillige seiner Handlungsweise fühlbar zu machen, niemals zur Intervention. Wollte man leztere damit rechtfertigen, so würde man der Willkür Thür und Thor öffnen; es muß also eine Verlegung ganz bestimmt qualificirter Interessen vorliegen, welche dasjenige gebieterische Einschreiten erlauben, welches wir Intervention nennen. Diese Erkenntniß ist freilich verhältnißmäßig neuen Datums, die Geschichte des Alterthums wie der Neuzeit zeigt eine Reihe der willkürlichsten Interventionen, welche mit dem Grundsage der Autonomie gänzlich unverträglich sind, aber sie zeigt auch ebenso unwiderleglich, daß dieselben durchweg üble Folgen gehabt haben. Solcher Willkür gegenüber ist es die Aufgabe des Völkerrechtes feste Schranken zu ziehen, und zu dem Ende sind zunächst die Fälle klar zu stellen, in welchen die Intervention unberechtigt ist. 1)

1) Es soll damit also der frivolen Antwort Talleyrand's entgegengetreten werden, welche derselbe als Botschafter in London einer Dame gab, welche ihn fragte, was Nichtintervention bedeute? >Madame, non-intervention est un mot

§ 3.

1. Ist nach dem vorstehend Gesagten das Interventionsrecht ein Ausnahmerecht, das der Autonomie gegenüber nur durch die Verlegung noch höherer Interessen gerechtfertigt wird, so ist es unzulässig, daß ein einzelner Staat sich das Recht anmaßt fortgesezt in die inneren Angelegenheiten eines anderen sich einzumischen, indem er sich zum Wächter gewisser Rechte und Interessen innerhalb desselben aufwirft, jede berechtigte Intervention ist zeitlich beschränkt. Es ist also zu verwerfen, wenn ein Staat sich zum Garanten der Verfassung eines anderen macht und aus der Verlegung derselben das Recht zu jedesmaliger Einmischung herleitet. Die verderblichen Folgen eines solchen Verfahrens hat Deutschland reichlich erfahren, nachdem Frankreich und Schweden den Westphälischen Frieden und damit die Deutsche Reichsverfassung garantirt hatten. Indem ersteres aus Art. XVII. § 5 und 6 zu fortwährenden Einmischungen in die inneren Angelegenheiten des Reiches Anlaß nahm, ward Deutschland der Spielball fremder Mächte. Rußland, das 1780 den Teschener Frieden, ehe noch Kaiser und Reich beitraten und ohne Aufforderung von ihrer Seite garantirt hatte, behauptete 1791 sogar, daß, weil in diesem Vertrage der Westphälische Friede bestätigt sei, es berechtigt sei, sich soviel ihm gefällig in die Angelegenheiten des Reiches zu mischen. Ebensowenig zu rechtfertigen war die Garantie, welche Desterreich, Rußland und Preußen 1773 für die polnischen Verfassungsgesetze übernahmen „qui seront faites d'un parfait concert avec les Ministres des trois Cours contractantes". Diese Garantie war eine aufgedrungene, welche nur zu fortwährenden weiteren Einmischungen der Mächte in die inneren Angelegenheiten der Republik und zu deren Untergang führte.

Ein Staat kann zwar sein Recht der Autonomie vertragsmäßig beschränken, aber wenn er es in der angegebenen Weise gezwungen thut, so wird er berechtigt sein, durch alle Mittel sich von der Verpflichtung zu befreien, solche dauernde Einmischung in seine inneren Angelegen

diplomatique et énigmatique, qui signifie à peu près la même chose qu' intervention (Stapleton p. 15). Eine ähnliche Aeußerung Chateaubriand's ist weiterhin angeführt, aber auch Frh. v. Gagern meinte: „Es ist ungefähr erwiesen, daß sich allgemeine Grundsäge über Intervention nicht aufstellen und befolgen lassen." (Kritik des Völkerrechts S. 17.)

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