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Die Vermessung des Parallelbogens von 52o Nördl. Breite durch ganz Europa

und die Betheiligung Russlands an derselben.

Von General-Major v. Blaramberg, Direktor des Kaiserl. Russ. Topographischen Kriegs-Dépôt 1).

Die trigonometrischen Vermessungen, welche seit 40 Jahren unter der Leitung des Kaiserl. Generalstabes und des Topographischen Kriegs-Dépôt im Europäischen Russland in einem grossen Maassstab ausgeführt worden sind, nehmen jetzt schon einen solchen bedeutenden Raum ein, dass von der Westgrenze des Reiches an bis zu den Ufern der Wolga hin ein ununterbrochenes Netz von Dreiecken erster Klasse sich ausbreitet, Dreiecken, welche mit einer Genauigkeit gemessen wurden, die vollkommen hinreicht, um nicht nur als zuverlässige Grundlage für die detaillirte Aufnahme des Landes zu dienen, sondern auch um zur Auflösung der höchst wichtigen geodätischen Frage über die Figur unserer Erde beizutragen.

Die Resultate der systematischen Ausführung der trigonometrischen Vermessungen in Russland setzten schon im J. 1855 den Direktor der Haupt-Sternwarte in Pulkowa, Herrn Geheimrath Wilhelm von Struve, in Stand, die Berechnung des Meridianbogens zwischen Fuglenaes am nördlichen Eismeer und Ismail an der Donau von einer Ausdehnung von 25° 20' zu vollenden. Diese Gradmessung nimmt durch ihre Ausdehnung und Genauigkeit der trigonometrischen Arbeiten den ersten Platz unter allen geodätischen Vermessungen ein, welche in anderen Ländern und zu verschiedenen Epochen für denselben Zweck unternommen worden sind. Um nun die Russischen trigonometrischen Vermessungen mit den geodätischen Arbeiten, die in anderen Theilen Europa's ausgeführt sind, zu verbinden, wurden schon während der trigonometrischen Vermessung des Königreichs Polen vier Verbindungs-Operationen ausgeführt: zwei in Preussen, bei der Stadt Tarnowitz in Ober-Schlesien und bei Thorn in Ost-Preussen, zwei in Österreich, bei Tornograd und Krakau, und ausserdem wurden während der Ausführung des Netzes von Dreiecken erster Klasse in Kurland bei Memel die genannten Dreiecke an diejenigen der Preussischen angeknüpft, welche zu dem

1) Einen Theil des Stoffes zu diesem Aufsatze verdankt der Verfasser der Güte seines verehrten Freundes, des stellvertretenden Direktors der Haupt-Sternwarte in Pulkowa, wirklichen Staatsraths Otto v. Struve; der Rest ist aus den Akten des Topographischen KriegsDépôt entnommen.

Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1861, Heft VI.

trigonometrischen Netze der von Bessel geleiteten BreitenGradmessung in Ost-Preussen gehören.

Ehe noch Russland auf diese Weise mit den trigonometrischen Vermessungen des übrigen Europa in Verbindung trat und sich denselben anschloss, beschloss der Kaiserl. Generalstab, unter dem 471° Nördl. Breite einen Parallelbogen zu vermessen, um so mehr, als die Beschaffenheit des Bodens (die Steppen von Neu- Russland) diese Vermessung begünstigte. Die Arbeit wurde gleichzeitig mit den trigonometrischen Vermessungen in Neu-Russland ausgeführt, erstreckte sich von Bessarabien aus nach Osten über Neu-Tscherkask und Tzaritzyn bis Astrachan, so dass im Jahre 1856 die trigonometrischen Arbeiten, die LängenGradmessung unter dem 472° Nördl. Br. betreffend, gänzlich beendigt waren, indem dieselbe eine Ausdehnung von 20 Längengraden, zwischen Kischeneff und Astrachan, erreichte.

Diese Riesen-Arbeit Russischer Geodäten, deren Ausführung viele Mühe und grosse Ausdauer erforderte, blieb dem gelehrten Auslande nicht lange unbekannt, indem der Direktor der Hauptsternwarte in Pulkowa, Geheimrath v. Struve, bei seiner Reise im J. 1857 ins Ausland, durch Deutschland, Frankreich, Belgien und England, nicht ermangelte, den verschiedenen Regierungen von den grossen geodätischen Schätzen, welche Russland besitzt, eine Übersichtskarte mitzutheilen, und derselbe stellte damals schon das Projekt vor, alle in Europa ausgeführten trigonometrischen Arbeiten zu benutzen, um einen grossen Parallelbogen zwischen dem Atlantischen Ocean und dem Kaspischen Meer unter der mittleren nördlichen Breite von 471° zu berechnen. Genanntes Projekt, welches die bei allen geodätischen Vermessungen so wichtige Frage, die Figur der Erde zu bestimmen, so weit ihrer Lösung zuzuführen verspricht, als diess überhaupt in Europa möglich ist, wurde überall sehr günstig aufgenommen und die Regierungen von Frankreich, Preussen und Belgien versprachen ihre besten Hülfsleistungen zur Erreichung dieses grossen und wichtigen Zweckes.

Nach der Rückkehr von seiner Reise ins Ausland (Ende 1857) hatte Geheimrath v. Struve das Glück, persönlich seinen Plan in dieser Hinsicht dem Kaiser vorzu

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legen, und nach Anhören desselben geruhten Se. Majestät, denselben vollkommen gut zu heissen, ihn unter seinen besonderen Schutz zu nehmen, und befahl, in Rücksicht auf die Wichtigkeit des Zweckes, dass die Ausführung desselben gemeinsam dem Kaiserl. Generalstab und der HauptSternwarte in Pulkowa übertragen werden sollte. Eine schwere Krankheit, welche Geheimrath v. Struve bald nach diesem Ereigniss befiel, schob die Ausführung des Projekts in Russland für einige Zeit auf. Indessen war man im Auslande nicht müssig und besonders war es die Preussische Regierung, welche dabei thätig wirkte, indem sie den erfahrenen und gelehrten Geodäten General v. Baeyer beauftragte, alle in Deutschland dazu nöthigen geodätischen Arbeiten auszuführen, und denselben mit allen nöthigen Hülfsmitteln versah. General v. Baeyer, von der Wichtigkeit dieses Gegenstandes durchdrungen, machte sich sogleich ans Werk und vermaass im Laufe der letztvergangenen Jahre zum zweiten Mal mehrere Reihen von Dreiecken, fügte neue hinzu, machte Basis-Vermessungen und beschäftigte sich zu derselben Zeit mit der genauen Untersuchung und Vergleichung aller geodätischen Arbeiten, welche in den an Preussen anliegenden Ländern ausgeführt worden waren. Diese Untersuchung brachte denselben zu der Ansicht, dass die im südlichen Deutschland ausgeführten Triangulationen in wissenschaftlicher Hinsicht nicht ganz dem vorgesteckten Zweck entsprachen, und er glaubte, es würde vorzuziehen sein, anstatt der Breite von 47° einen nördlicheren Bogen zu wählen und anzunehmen, zu welchem alle geodätischen Operationen, Deutschland betreffend, mit der höchst möglichen Genauigkeit schon ausgeführt waren. Dieser Vorschlag des General v. Baeyer erhielt um so mehr Gewicht in Folge eines Schreibens, welches der Direktor der Königl. Sternwarte zu Greenwich, George Biddell Airy, an den stellvertretenden Direktor der Haupt-Sternwarte zu Pulkowa, Otto von Struve, richtete, in welchem Schreiben Herr Airy den letzteren benachrichtigte, dass nach seiner Ansicht gegenwärtig Seitens Englands eine thätige Mitwirkung zur Erfüllung des Projekts. des Herrn Geheimraths v. Struve zu erwarten stände. Nach Empfang dieses Briefes stattete der stellvertretende Chef der Haupt-Sternwarte in Pulkowa an den Chef des Kaiserl. Generalstabes, General-Adjutant Baron v. Lieven, einen Bericht ab, in welchem er denselben darauf aufmerksam machte, dass jetzt auch Russischer Seits nicht länger mit der Ausführung der für die Längen-Gradmessung nothwendigen Ergänzungsarbeiten gezögert werden dürfte. In Folge dessen wurde die ganze Masse der mit grosser Genauigkeit in Russland ausgeführten geodätischen Arbeiten in Erwägung gezogen, deren Ausführung der Kaiserl. Regierung so viele Mühe, Zeit und Kosten verursacht hatte, um das

Resultat derselben zu dem angedeuteten wissenschaftlichen Zwecke mit Nutzen anzuwenden, und Baron v. Lieven schlug dem stellvertretenden Direktor der Haupt-Sternwarte in Pulkowa vor, seine Reise ins Ausland zur Beobachtung der Sonnenfinsterniss im Laufe des Sommers 1860 zu benutzen, um bei dieser Gelegenheit persönlich die Verhandlungen mit den Preussischen, Englischen, Belgischen und Französischen Astronomen und Geodäten zu erneuern, besonders in Hinsicht auf alle Supplementär-Arbeiten, welche auf die Ausmessung des Parallel - Bogens Bezug hatten. An der Besprechung darüber mit General v. Baeyer in Berlin nahm der Direktor des Russischen Topographischen Kriegs-Dépôt, General v. Blaramberg, Antheil, welcher im Mai 1860 in Dienstgeschäften eine Reise ins Ausland unternahm.

Nach der Rückkehr des stellvertretenden Chefs der Haupt-Sternwarte von Pulkowa nach Russland im Herbste vorigen Jahres theilte derselbe dem Kaiserl. Generalstab das Resultat seiner Verhandlungen mit den ausländischen Astronomen und Geodäten mit. Dieses Resultat erwies Folgendes:

1) Die Ausführung der Parallel - Gradmessung unter dem 47° Nördl. Br. durch ganz Europa stösst auf grosse Hindernisse, welche nicht Statt finden, wenn man als mittlere Breite des Hauptbogens den 52. Grad annimmt; die Wahl dieser Breite ist um so zweckmässiger, als dieser nördliche Bogen der grösste ist, welchen man je in Europa auszumessen im Stande ist, denn er kann bis auf 69 Längengrade ausgedehnt werden, nämlich von der Insel Valentia (bei der Westküste von Irland) an bis zur Festung Orsk (an der Mündung des Or in den Fluss Ural) im Gouvernement Orenburg. Der Bogen hingegen unter dem 47. Breitengrad, zwischen dem Hafen Brest in Frankreich und der Stadt Astrachan an dem Ausflusse der Wolga ins Kaspische Meer, nimmt nur eine Ausdehnung von 53 Graden ein. Von den oben genannten 69 Längengraden des nördlichen Bogens gehören 40 Grade dem Europäischen Russland an, 12 den verschiedenen Staaten Deutschlands, vorzüglich Preussen, 4 Belgien, 1 Frankreich und 12 Gross-Britannien.

2) Nach Vermessung des grossen Bogens von 69 Längengraden in Europa werden die vermessenen Partialbogen unter dem 47. Breitengrad, in Frankreich in einer Ausdehnung von 15 Graden und in Russland zwischen Kischeneff und Astrachan in einer Länge von 20 Graden, nützliche und vortreffliche Kontrolen für die Resultate liefern, welche der Hauptbogen unter dem 52. Breitengrad ergeben wird.

3) England hat seine Arbeiten zu diesem Zwecke schon angefangen, indem die dortige Ordnance Map Office zur genauen Untersuchung aller Dreiecke geschritten ist, welche sich in der Richtung des Hauptbogens befinden, und sie

nimmt sich vor, alle diejenigen Dreiecke noch ein Mal zu vermessen, deren Genauigkeit muthmasslich erhöht werden könnte. Ausserdem hält der Chef der trigonometrischen Vermessungen in Gross - Britannien, Oberst Sir Henry James, eine unmittelbare Verbindung der Englischen Dreiecke mit den Dreiecken Belgiens für ausführbar und wird zu diesem Zwecke die vorbereitenden Schritte thun, und die Königl. Sternwarte in Greenwich unternimmt die genaue Bestimmung der Längen und der Azimuthe aller auserwählten Punkte, so wie auch die Vergleichung der Normal

maasse.

4) Der Belgische Generalstab wird unter der Leitung des General v. Nérenbergh im Laufe dieses Jahres (1861) die Hauptreihe der Dreiecke beendigen, welche sich von Westen nach Osten durch dieses Königreich ausdehnt, und dann unmittelbar zu der Verbindung dieser Reihe nach Osten mit den Preussischen und nach Westen mit den Französischen oder Englischen Dreiecken schreiten.

5) Von Seiten Preussens sind beinahe alle Feldarbeiten beendigt, mit Ausnahme der oben erwähnten Verbindung mit Belgien; es bleiben dann ausser den astronomischen Bestimmungen der Länge nur noch die Schlussberechnungen der geodätischen Linien übrig, welche General v. Baeyer im Laufe dieses Jahres zu beendigen hofft.

6) Die Auswahl derjenigen Punkte, deren genaue Länge astronomisch bestimmt werden soll, wird Gegenstand der Berathung zwischen den Direktoren der Sternwarten von Greenwich und Pulkowa und den übrigen Leitern der betreffenden Arbeiten sein. Vorläufig ist nur festgesetzt, dass im Mittel mindestens je Ein Punkt auf je fünf Längengrade bestimmt wird, also mindestens 15 Längen bestimmungen auf der ganzen Ausdehnung des zu vermessenden Bogens.

Aus dem Vorstehenden ersieht man, dass die Arbeiten im Auslande zur Längengradmessung unter dem 52. Breitengrad rasch vorwärts schreiten. Da nun der Vorschlag der Vermessung eines Parallelbogens von Russland ausging und Se. Maj. der Kaiser Alexander II. die Ausführung dieses Unternehmens unter seinen hohen Schutz zu nehmen geruhte, so konnte der Kaiserl. Generalstab im Verein mit der Haupt-Sternwarte zu Pulkowa nicht länger anstehen, diese Vermessung in Angriff zu nehmen, um so weniger, als die Feldarbeiten im Ausland mit Ausnahme der Längenbestimmungen voraussichtlich im Laufe des Jahres 1862 beendigt werden. Was die Breitenbestimmungen in Deutschland und England betrifft, so werden sie muthmasslich in den Jahren 1862 bis 1863 vorgenommen werden. Aus diesem Grunde sind alle Maassregeln getroffen, um die korrespondirenden Arbeiten in Russland gleichfalls im Laufe der nächsten Jahre zu beendigen. Ein grosser Theil der Triangulationen für die unternommene Längengradmessung ist

übrigens in Russland schon ausgeführt, es bleiben also nur noch folgende Supplementär-Arbeiten übrig, um dem zu vermessenden Bogen die möglich grösste Ausdehnung der Länge nach zu geben und zugleich zuverlässige Kontrole für das bereits vorhandene Material zu gewinnen.

a) Das Netz der Dreiecke erster Klasse, welches längs der Wolga hin sich bis nach Samara erstreckt, wird nach Osten über Busuluk und Orenburg bis zur Festung Orsk fortgesetzt, welche Fortsetzung einer ungefähren Berechnung nach 80 neue Dreiecke enthalten soll. Um ausserdem eine direkte Verbindung zwischen der Wolgaischen Triangulation und der des Gouvernements Orel zu erzielen, soll eine neue Reihe von Dreiecken erster Klasse vermessen werden, nämlich von den End-Dreiecken der Reihe von Balaschen (im Jahre 1858 bis zur Grenze des Gouvernements Woronesch geführt) bis nach der Stadt Jeletz, zur Triangulation des Gouvernements Orel gehörend, welche Operation ungefähr 40 neue Dreiecke erfordert.

Zur Kontrole der geodätischen Arbeiten der 120 neu projektirten Dreiecke sollen drei Grundlinien (Basis) ausgemessen werden: die erste bei Saratow, die zweite bei Busuluk und die dritte bei der Festung Orsk. Da jedoch die Basis bei Saratow schon im J. 1858 gemessen wurde, so wird es vermuthlich genügen, die Ausführung dieser Messung und die Berechnung derselben in allen Theilen streng zu prüfen.

b) An allen denjenigen Punkten, wo auf dem Parallelbogen Dreiecks-Reihen sich berühren, welche in früheren Jahren von verschiedenen Geodäten und mit verschiedenen Instrumenten vermessen wurden, sollen neue Basen mit ein und demselben Apparat vermessen werden, um solche an die nächstliegenden Dreiecke anzuknüpfen. Dergleichen Vereinigungen, diejenigen im vorigen Punkte nicht mit gerechnet, werden zwei sein, nämlich eine zwischen den Triangulationen der Generale von Schubert und von Tenner an den Grenzen der Gouvernements Minsk und Witebsk, die andere zwischen den Triangulationen des Generals v. Schubert und des Oberst Oberg an der Grenze der Gouvernements Smolensk und Orel. Um sich so wenig als möglich von der Parallele des 52. Grades zu entfernen, wäre es sehr nützlich, eine kleine Reihe von Dreiecken erster Klasse, von den Tenner'schen Dreiecken in der Nähe von Slutsk ausgehend, durch die Festung Bobruisk bis zur Mohilew'schen Triangulation oder selbst etwas weiter nördlich durchzuführen, d. h. in der geraden Richtung von Westen nach Osten. Über die Ausführbarkeit dieser Kette von Dreiecken, so weit sie durch Bodenverhältnisse (Sümpfe und Wälder) bedingt ist, wird eine im Mai d. J. auszuführende Rekognoscirung entscheiden.

c) An den Verbindungspunkten der Triangulationen

sollen die Breiten und Azimuthe aufs Genaueste bestimmt werden; das Nämliche muss auch auf wenigstens drei Punkten geschehen, die sich in den Reihen der Dreiecke befinden, welche die Triangulation vom Gouvernement Orel mit der Festung Orsk am Flusse Ural verbinden.

d) Da der in Russland zu vermessende Bogen an 40 Längengrade beträgt, so sollen zum wenigsten noch an 9 Punkten genaue Längenbestimmungen ausgeführt werden. Zu diesem Zwecke werden vorzüglich solche Städte gewählt werden, welche durch elektrische Telegraphen verbunden sind. Nach den schon bestehenden und noch zu errichtenden Telegraphen-Linien zu urtheilen, wird man im J. 1862 folgende Punkte zu diesem Zwecke bestimmen können:

[blocks in formation]

Was die genaue Längenbestimmung zwischen Orenburg und Orsk betrifft, wo noch keine Telegraphen-Linie projektirt ist, so werden dazu die gewöhnlichen Mittel angewandt werden, um die Zeit zu übertragen, nämlich eine grosse Anzahl von Chronometern.

e) Für den Kontrolbogen zwischen Kischeneff und Astrachan müssen an 3 oder 4 Punkten noch einmal Breiten und Azimuthe bestimmt werden, so wie auch die nöthige Anzahl von Längen, wenigstens deren 5; endlich

f) auf der ganzen Ausdehnung der Reihe von Dreiecken erster Klasse, welche für die Gradmessung benutzt werden, müssen die relativen Höhen der Dreieckspunkte gemessen werden, wie diess bereits bei den Triangulationen unserer westlichen Gouvernements und des Königreichs Polen, beide durch General v. Tenner ausgeführt, geschehen ist.

Die Längengradmessung unter dem 52. Breitengrad wird in Russland, wie oben erwähnt, auf höchsten Befehl gemeinschaftlich durch den Kaiserl. Generalstab und die Haupt-Sternwarte von Pulkowa ausgeführt werden und die nöthigen Geldmittel dazu sind huldvoll bewilligt worden. Die astronomischen und geodätischen Arbeiten sollen im Laufe der fünf folgenden Jahre beendigt und im Frühjahr 1861 in Angriff genommen werden.

Die trigonometrischen Vermessungen sollen auf folgende Weise ausgeführt werden:

1) Eine Reihe Dreiecke erster Klasse wird von Samara aus sich nach Osten über Busuluk und Orenburg bis zur Festung Orsk erstrecken.

2) Eine gleiche Reihe Dreiecke erster Klasse wird zwischen der Wolgaischen Triangulation und derjenigen des Gouvernements Orel vermessen werden, und zwar von den äussersten Dreiecken der Balaschew'schen Reihe bis zur Stadt Jeletz im Gouvernement Orel.

Die Vermessungen dieser zwei Reihen Dreiecke werden im Frühling dieses Jahres in Angriff genommen und sollen im Laufe des Jahres 1863 beendigt sein.

3) Die Reihe Dreiecke erster Klasse von der Stadt Slutsk über Bobruisk bis zur Verbindung mit der Mohilew'schen Triangulation, so wie auch die nochmalige Berechnung zweifelhafter Dreiecke und der Höhenmessungen wird einer dritten Abtheilung erfahrener Geodäten anvertraut werden.

Alle Maassregeln, die astronomischen und trigonometrischen Arbeiten betreffend, welche zur Vermessung des Parallelbogens innerhalb Russland nöthig sind, werden unter der Leitung des Direktors des Topographischen KriegsDépôt getroffen, dessen Pflicht es ist, die Arbeiten in Angriff zu nehmen, zu leiten, die Zahl der Geodäten und Astronomen zu vermindern oder zu vermehren und alle möglichen Hindernisse zu beseitigen.

Die Haupt-Sternwarte (Nicolai'sche) in Pulkowa übernimmt das System der astronomischen Arbeiten in gemeinschaftlicher Berathung mit dem Direktor des Topographischen Kriegs-Dépôt. Kraft solcher fortgesetzten gemeinschaftlichen Berathungen und Besprechungen beider Behörden leitet der Direktor der Haupt-Sternwarte in Pulkowa die astronomischen Vermessungen in wissenschaftlicher Hinsicht und arbeitet die Materialien aus, welche die Triangulationen und die astronomischen Beobachtungen nach und nach liefern. Alle zur Gradmessung gehörigen Berechnungen werden in Pulkowa unter der unmittelbaren Leitung des Direktors der Haupt-Sternwarte Statt finden.

Nach der vollständigen Beendigung der Feldarbeiten und der Bearbeitung des gelieferten Materials nimmt es die Kaiserl. Haupt-Sternwarte zu Pulkowa auf sich, die Herausgabe des Werks, die Gradmessung Russlands betref fend, zu besorgen.

Von Oscar Montgomery Lieber, Geolog der Expedition, früherem Staats- Geolog von Süd - Carolina.

(Mit Karte, s. Tafel 9 1).)

Die Expedition, welche von den Vereinigten Staaten am 29. Juni 1860 abging, hatte zur Aufgabe die Beobachtung der Sonnenfinsterniss, deren Centrallinie das nördliche Ende von Labrador traf. Astronomische Zwecke waren stets die Hauptsache, doch wurden auch andere wissenschaftliche Untersuchungen in Betracht genommen. Diese betrafen Magnetismus, Meteorologie, Geologie und physische Geographie und mein hochverehrter Freund, Prof. Bache, der Superintendent der United States Coast Survey, dem

1) Mit dem nachstehenden Aufsatze schickte uns Herr O. M. Lieber eine Karte der Ostküste von Labrador, die er nach einer sehr grossen, von der Neu-Fundländischen Regierung Herrn Cyrus W. Field in New York mitgetheilten Karte in verkleinertem Maassstabe gezeichnet, nach eigenen Beobachtungen in einigen Punkten berichtigt und geologisch kolorirt hatte. Bei näherer Prüfung zeigte sich jedoch, dass bei dieser Karte verschiedene Arbeiten noch nicht benutzt waren, dass sie sich in den meisten Theilen auf dem Standpunkt der 1809 und in verbesserter Auflage 1825 von A. Arrowsmith herausgegebenen ,,Chart of Labrador and Greenland" hielt, zwar mit Berichtigung der Lage einzelner Küstenstrecken, aber selbst ohne Benutzung der Lane'schen Aufnahmen zwischen der Sandwich-Bai und der Belleisle-Strasse in den Jahren 1770 und 1771 und der Beobachtungen Morison's an verschiedenen Punkten zwischen Okak und Invucktoke-Inlet in den Jahren 1821 und 1822. Wir mussten desshalb eine neue Zeichnung anfertigen. Unter Zugrundelegung der von Raper gesammelten Positions-Bestimmungen wurde der südliche Theil der Küste nach den beiden letztgenannten Aufnahmen, der mittlere, zwischen 55° und 59° N. Br. gelegene Theil, welcher auf den bisherigen Karten nach den Rekognoscirungen der Herrnhuter Missionäre im Jahre 1811 niedergelegt war, nach der Missionskarte vom Jahre 1860 in Reichel's Missions-Atlas der Brüder-Unität (s. den literarischen Abschnitt dieses Heftes) eingetragen. Für einige von der Amerikanischen astronomischen Expedition besuchte Punkte konnten die Berichtigungen Lieber's benutzt werden, namentlich waren dieselben für den nördlichsten Theil der Küste von Werth, wo eigentliche Aufnahmen ganz fehlen. Hier kam eine von Herrn Lieber nach eigenen Beobachtungen gezeichnete Spezialkarte der Insel Aulezavick und ihrer nächsten Umgebung, die auf Tafel 9 auch als besonderer Carton beigegeben ist, unserer Karte sehr zu Statten. Herr Lieber schreibt uns mit Bezug auf diese Spezialkarte:,,Wir hatten die beste Gelegenheit, die Aulezavick-Insel recht genau zu beobachten, und obgleich unsere Zeit anderweitig zu sehr in Anspruch genommen war, um bezügliche Vermessungen zu veranstalten (mit Ausnahme der unter Lieut. Murry's Befehlen vollzogenen und wahrscheinlich anderweit zu veröffentlichenden Vermessung der Bucht, in welcher unser Dampfschiff, die,,Bibb", vor Anker lag), so glaube ich doch mit Vorausschickung der Bemerkung, dass die Karte nur auf Abschätzungen nach dem Augenmaass beruht, eine Zeichnung geliefert zu haben, welche wenigstens eine bessere Vorstellung von der Wildheit jener rauhen Gegend gewähren wird, als mir durch blosse Beschreibung zu geben möglich wäre. Auf diesem Kärtchen habe ich auch eine Exkursion angedeutet, welche Einige von uns in des Kapitans,,Gig" nach dem der Insel gegenüberliegenden Festland unternahmen."

So dürfte unsere Karte den heutigen Standpunkt unserer Kenntniss von der Labrador-Küste in topographischer Beziehung vollständig repräsentiren. Das geologische Kolorit ist genau nach Herrn Lieber's Vorlage ausgeführt. Die Ansichten von dem kraterförmigen Berg auf der Aulezavick-Insel, von der Mugford-Insel und dem nördlichen Ausgang des Port Manvers wurden nach Handzeichnungen desselben etwas verkleinert wiedergegeben, während die Ansicht des Festlandes von der Aulezavick-Insel aus und die Abbildung eines schwimmenden Eisberges von mehreren Photographien des Herrn Lieber ausgewählt und kopirt sind. A. P.

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Also waren es nur im Ganzen etwa 14 Tage, während welcher wir unseren Fuss auf festen Boden stellen konnten. Die andere Hälfte des Monates verbrauchten wir zur Reise längs der Küste. In anderen Feldern als denen der Astronomie könnte wohl in so geringer Zeit kaum Vieles erzielt werden und ich bitte darum um Nachsicht, wenn die Nachrichten zu kurz und unvollständig erscheinen. Auch darf ich nicht wagen, manche Ergebnisse vorzulegen, die als Arbeiten meiner Reisegenossen ihnen zur Veröffentlichung zustehen. Die Beobachtungen über Magnetismus werden anderwärts wohl veröffentlicht werden, desgleichen die über Meteorologie, und es werden auch wohl besondere Berichte über die Geographie der Küste erscheinen. Mithin kann diese Arbeit nur als ein schlichter Abriss gelten.

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1. Topographie, Küstenumriss, Hydrographie u. s. w. Wenn wir vom Süden herkommend die Küste von Labrador von den Meccatina-Inseln im St. Laurence-Meerbusen an zuerst erblicken, so erscheint sie hoch, schroff und finster. Drei bis vier hundert Fuss mag die Mittelhöhe betragen, 600 Fuss die der höchsten Hügel, und ihre schroffen Wände reichen bis in die See. Vom Deck eines Schiffes aus gesehen hat sie also schon hier etwas Erhabenes, doch darf man die Nordküste noch nicht gesehen haben. Nördlich von der Belleisle - Strasse und nachdem wir an Cap S. Lewis vorbei sind, wird die Küste etwas sanfter. Lange Segmente grosser Kreise bilden oft die Oberfläche, aber die Wände sind noch immer steil und im Inneren des Landes sieht man hie und da einige emporragende schneebedeckte Gipfel. An der Küste selbst sind die Hügel wohl selten mehr als 400 Fuss hoch und unzählige Inseln lagern sich ihr vor. Das tiefe Wasser erlaubt uns, sie ohne Gefahr zu durchwandern, und gar heiter ist ein sonniger Tag in der Bucht von Invucktoke. Bald

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