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Kälte originär entsteht, als Wirkung der Ausstrahlung der Insolationswärme in den Weltraum von der Oberfläche der Erde, aber weit mehr von dem Festlande als vom Meere, dass hier dann ein kältester Raum sich befindet, umgeben von einem wärmeren Raume auch nach Norden hin, bewiesen dadurch, dass von allen Seiten wärmere Luft kommt, jedoch kommt die wärmste aus Osten. Im Sommer muss man sich diess Verhalten einigermaassen geändert denken; dann finden wir, wenigstens im Rensselaer Hafen, dass z. B. das absolute Maximum im Juli, 8,4° R., eintrat bei fast ruhigem Südsüdwestwind und auch im August das Maximum, 7°, bei Südsüdwestwind, aber das Minimum, -6° und -5°, kam dann bei Nordnordostwind; demnach ist wahrscheinlich, dass hier im Sommer, umgekehrt wie im Winter, ein wärmerer Raum liegt inmitten eines kälteren Raumes, der von allen Seiten kühlere Luft vom Meere her bekommt ausser von Süden, vielleicht am meisten von Norden.

S. 6.

Es ist eine besondere Frage, ob etwa an den verschiedenen Beobachtungsorten dieses Gebiets Gleichzeitigkeit eintretender grosser Änderungen der meteorischen Zustände sich ersehen lässt. Die Gelegenheit dazu ist vorhanden, da in ein und demselben Jahre an zwei verschiedenen Standorten Schiffe überwintert haben, z. B. im J. 1852/53 im Northumberland-Sund auf der North Devon-Insel im Wellington - Kanal (76° N., 97° W.) unter Belcher und auch auf der weiter südwestlich gegen 60 Geogr. Meilen entfernt gelegenen Dealy-Insel, nahe dem Winterhafen der Melville-Insel (74° N., 110° W.), unter Kellett (s. M'Dougall, Voyage of the Resolute 1857). Wirklich erweist sich bei der Vergleichung der geführten Tagebücher fast ohne Ausnahme, dass im Winter die grösseren Wechsel der Windrichtung und der Temperatur nahe gleichzeitig an jenen beiden Orten eintraten mit nur geringen Unterschieden der Windrichtung, jedoch mit einer bedeutenden Ausnahme, indem zu einer Zeit, wo am westlichen Orte beinahe Calme mit Neigung zu Ostwind bestand, am östlichen Orte Sturm aus Südost mit höherer Temperatur herrschte. Aber im Sommer bewährt sich diese Gleichzeitigkeit oder die weite Ausdehnung von Windbahnen abwechselnd mit Calmen nicht (dann besteht ja überhaupt nicht die gleichmässige Decke von Eis und Schnee, Land und Meer unterschiedslos machend, sondern in Folge der offenen Stellen in der Eisdecke des Meeres und der Erwärmung des schneefreien Bodens erfolgt dann eine mannigfache Vertheilung von kleineren räumlichen TemperaturDifferenzen und es ist ja auch der Unterschied der zeitlichen Änderungen weit geringer als im Winter). Ausserdem ist an zwei anderen Orten Gelegenheit gegeben, die Frage zu prüfen, im folgenden Jahre 1853/54, in der DisasterBai und im Rensselaer Hafen, also nach Belcher's und nach Kane's Beobachtungen; indessen scheinen hier, wo die südöstliche Seite des Winterkälte-Pols betroffen ist, nicht so bestimmte Beweise von Gleichzeitigkeit der Änderungen vorzuliegen, aber die wärmere Luft wird meistens aus ONO. und SO. gemeldet an beiden Orten.

§. 7.

Aus den dargelegten Thatsachen lässt sich in folgender Weise eine Vorstellung von diesem westlichen Kältepol

kurz und übersichtlich aussprechen, welcher freilich nur erst einen kleinen Theil der ganzen Circumpolar - Zone ausmacht: In dem Raume von 72° N., 115° W. bis 78° N., 70° W., d. i. von Bank's Land bis zum nördlichen Grönland, in einer Richtung, welche etwa durch die Isochimenen-Linie von -27° R. mit nordöstlicher Erhebung bezeichnet wird, befindet sich im Winter eine Calme mit heiterem Himmel und zunehmender Kälte, welche nur zeitweise unterbrochen wird von Winden, und diese bringen. aus allen Richtungen wärmere Luft. Die meiste Wärme scheint dann von der östlichen und südöstlichen Seite zu kommen, aber entschieden kommt wärmere Luft auch aus Nord und Nordwest. Vorherrschender Wind ist im westlicheren Theile der Nordwestwind, im östlicheren Theile der Südostwind; dort kommt auch der Schneefall vorzugsweise mit nordwestlichen, hier mit südöstlichen Winden. Die Erwartung, dass mit den wärmeren Winden auch das Barometer übereinstimme und ein Sinken zeige, dagegen während der kalten Windstillen ein Steigen, findet in den einzelnen Fällen so wenig Bestätigung, dass sogar eher das Gegentheil zugestanden werden muss; jedoch im Allgemeinen steht auch hier das Barometer höher im Winter als im Sommer.

Vielleicht ist anzunehmen, dass der nördliche kalte Luftstrom, welcher auf der Atlantischen Seite des NordAmerikanischen Kontinents als Nord- und Nordwestwind im Winter vorherrschend ist, der Polarstrom selbst ist, der vom bezeichneten Winterkälte-Pol seinen Ausgang nimmt (ihm analog ist auch im nordöstlichen Asien ein Nordwestwind vorherrschend). Dieser wohl bekannte nördliche Wind geht nicht selten die östliche Seite der Anden-Kette entlang weit in den Mexikanischen Golf hinunter (als,,the Northern" und ,,los Nortes"), und dann kann man bemerken, wie er einen südlichen und zwar den wirklichen Äquatorial-Strom oder Anti-Passat nach Osten hin zur Seite schiebt, also nicht etwa diesen verschwinden macht, worin ein Beweis liegt, dass jener südliche Wind wirklich der grosse Kompensations-Strom selbst ist, der zu seinem thermischen Pol eilt, wo er wahrscheinlich als Südostwind über Grönland ankommt. Ein anschauliches Beispiel dieses Verhaltens findet man auf einer Karte versinnlicht in R. Russell's North America, its agriculture and climate, 1857, und ein anderes, noch vorzüglicher dargestelltes, von E. Loomis in den Smithsonian Contribut. 1859.

Aus den meteorologischen Thatsachen, dass auf dem angegebenen Kältegebiet selbst im Winter auch aus Nord keine kältere, sondern wärmere Luft kommt und ferner dass von dort auch Luft von höherer Dampfsaturation kommt, ist zu folgern, dass in jener Richtung kein grosser Kontinent mehr liege, sondern dass dort eine oceanische Oberfläche sich befinde, unter welcher gemäss der im Polarmeere allgemein bestehenden natürlichen Anordnung (wenn dieses Meer auch mit einer Eisdecke belegt sein kann, wie Scoresby andeutete, deren Dicke leicht bis etwa 20 Fuss erreichen möchte) die Wärme nach der Tiefe hin zunimmt bis etwa 2° R. und also, so weit das Meerwasser flüssig bleibt, zwischen -1,8° und 2° R. gehütet und bewahrt ist. Da die Oberfläche einer Eisdecke in Folge der Ausstrahlung und der sehr schwachen Wärmeleitung des Eises bis zu den tiefsten Graden erkalten kann, so ist die An

nahme gefordert, dass die mildere Temperatur der vom Norden kommenden Luft Folge von ausgedehnten Räumen flüssigen, unbedeckten Meeres ist. Dass sich diess so verhält oder ein offenes eisfreies Polarmeer, ist auch als Ergebniss unmittelbarer Wahrnehmung mehrmals angegeben. In Kane's Reise beschreibung (Arctic explorations 1856, I, c. 23) findet sich die Aussage eines schlichten erfahrenen Seemanns (Morton), ein solches mit eigenen Augen erblickt zu haben, etwa auf dem 81° N., in Verbindung mit der entsprechenden Vegetation und Thierwelt milderer Klimate. Diess Zeugniss scheint unverwerflich und steht in Übereinstimmung mit den Vermuthungen von Geographen ersten Ranges 1), mit den meteorischen Verhältnissen, wie sie längs der ganzen Küste der das Circumpolar-Becken umgürtenden Kontinente gefunden sind, indem auf dieser im Winter die kälteste Luft vom südlich gelegenen Kontinent kam, die wärmere vom nördlich gelegenen Meere, und mit den Erfahrungen anderer kompetenter Polarfahrer. Namentlich haben auch Inglefield, Penny, Belcher, Richards und McClintock ihr Zeugniss für ein offenes Meer abgegeben, betreffend eben die Lage nördlich von den Nordküsten der grossen Inseln des Amerikanischen arktischen Archipels, westlich vom Rensselaer Hafen, von North Devon bis Prince Patrick, etwa von 90° bis 125° W. und 77° N.; sie fanden hier, und zwar wider ihr eigenes Erwarten, nicht nur Wasser-Himmel und offenes Meer im Sommer, sondern auch Pflanzen- und Thierwelt eines milderen Klima's, als sie im südlicheren Theile dieses Gebiets selber erfahren hatten, freilich auch Eisschollen von ungewöhnlicher Grösse, nicht aber Eisberge. Die in diesem Augenblicke wieder am Nordende von Smith-Sund sich befindende neueste Amerikanische Expedition unter Hayes hat den besonderen Zweck, die Frage von einem hier durch Kane's Gefährten entdeckten offenen Meere zu entscheiden. Auch die Schwedische Expedition, welche vor Kurzem nach Spitzbergen gefahren ist, hat die Absicht, auf der Eisdecke weiter nach Norden dringend dem Räthsel entgegen zu gehen. §. 8.

An die eben versuchte meteorologische Vorstellung von dem Amerikanischen Winterkälte-Pol muss nun ergänzend sich diejenige Vorstellung anschliessen, welche wir uns von dem ganzen übrigen Theile der Circumpolar-Zone zu bilden im Stande sind und welche besonders auch den anderen, den Asiatischen Winterkälte-Pol begreifen muss, so fragmentarisch auch dieser Versuch nur ausfallen kann. Gehen wir ringsum nach Osten hin, so haben wir über das Meer zwischen Grönland und Spitzbergen nur im Sommer gewonnene Erfahrungen; dann sind hier die wärmeren Winde aus SW. und SO., die kühleren aus NW. und NO. (nach Scoresby). In Reykiavig auf Island (64° N., 21° W.) ist noch (wie zu wenig beachtet ist) die Herrschaft des Amerikanischen Winterkälte-Pols entschieden zu erkennen, denn die Achse der ganzen Windrose, sowohl

1) In der eben dem Verfasser dieses Aufsatzes zu Händen kommenden, unlängst erschienen en Physical Geography von Sir J. Herschel, 1861, findet sich, S. 79, gesagt:,,Es ist aus vielen Anzeichen wahrscheinlich, dass am Nordpol offenes Wasser über ein sehr grosses Gebiet des Centrums des Polarbeckens besteht während eines beträchtlichen Theils der wärmeren Monate." Hiermit ist die Oceanität des eigentlichen Pol-Gebiets anerkannt.

der Temperatur wie des Luftdrucks, hat nicht die Europäische Richtung, sondern liegt von NW. nach SO. Spitzbergen (80° N., 20° O.) bildet eine sehr fühlbare Lücke in unserer Kenntniss der meteorischen Verhältnisse der Circumpolar-Zone, weil es besonders wichtig ist, zu erfahren, welchem der beiden Winterkälte-Pole diese ziemlich in der Mitte liegenden Inseln meteorologisch zugehören oder ob sie etwa selbstständig sich erweisen. Im Sommer ist hier mehrmals beobachtet, namentlich von der Französischen Commission scientifique du Nord mit Gaimard, Bravais, Martins u. A. 1838, aber niemals hat eine wissenschaftliche Untersuchung hier mit einem Winteraufenthalt Statt gehabt, obgleich doch die Winterkälte wegen der oceanischen Natur ohne Zweifel weit milder zu erwarten ist, als wie sie in dem arktischen Archipel Amerika's so oft überstanden ist. Die mittlere Temperatur des Januars berechnete Scoresby nur zu -13° R. und Dove zieht hier die Januar-Isotherme von -12°. Die einzelnen Schiffer und Jäger, welche hier in elenden Blockhäusern überwintert haben, erfuhren sogar im Januar zu Zeiten Regenfälle, also über 0°, was auch von der Bären-Insel (75°. N.) ausgesagt ist. Von der langen Nordküste der grössten Kontinental-Bildung, Europa's und Asiens, wissen wir, dass ihre ganze Ausdehnung entlang - und diese begreift etwa die Hälfte der ganzen Zone, nahe dem 70° N. sich haltend so entschieden die kontinentale Natur sich äussert, im Gegensatz zu der oceanischen Natur in der Mitte des Polarkreises, dass hier im Winter die kälteren Winde von Süden, die wärmeren von Norden kommen, im Sommer aber umgekehrt. Diess allein ist schon Beweis genug. Dazu kommt noch, dass jenseits einer die Nordküste entlang ziehenden, etwa 30 Geogr. Meilen breiten Eisdecke das offene Meer selbst im Frühjahr erblickt, wenn auch nicht befahren worden ist.

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§. 9.

Wir sind nun dem anderen Winterkälte-Pol nahe gekommen, welcher sich auf der östlichen Hemisphäre auf dem grössten Kontinent bildet und wenigstens während der drei eigentlichen Wintermonate, Dezember bis Februar, an Kälte den Amerikanischen Pol übertrifft; denn wenn er auch weit südlicher liegt, ist er doch völlig kontinental. Seine Ausdehnung ist vorläufig zu bezeichnen vom 60° bis 70° N. und vom 120° bis 140° O., d. i. etwa von Jakutsk bis Ustjansk. In der That besitzen wir über den Umfang und die Meteorologie dieses so allgemein wichtigen Temperatur-Gebiets keine genaue Kenntniss; selbst in den grossartigen und umsichtigen Beobachtungen, welche sich niedergelegt finden in den Annalen des Physikalischen Central-Observatoriums für das Russische Reich zu Petersburg, vermisst man gerade diesen Raum. Indessen fehlen Beobachtungen von dort nicht ganz, namentlich sind die in Jakutsk (62° N., 129° W.) 15 Jahre hindurch drei Mal täglich fortgesetzten Aufzeichnungen, betreffend Temperatur und Winde (von Neveroff, s. Annales de l'observat. physique central de Russie, 1848), besonders was die Winde betrifft, genau und ausführlich genug, um zu einer Vergleichung des östlichen mit dem westlichen WinterkältePol zu dienen. Der Umfang dieses östlichen thermischen Gebiets, wo im Winter die Temperatur am tiefsten sinkt, wo also die Kälte originär entstehen muss, ist noch nicht

genau anzugeben, zumal nicht nach der westlichen Seite hin. Überhaupt ist als sehr ausgezeichnete geographische Erscheinung hervorzuheben, die nur durch das Überwiegen des äquatorialen Südweststroms erklärlich ist, dass im Norden Asiens die Temperatur-Verhältnisse noch so weit nach Osten hin die mildere oceanische Natur des Europäischen Klima's bewahren, so dass noch auf dem Küstenlande östlich von Novaja Semlja, auf dem 70° N. und 60° W., fast unglaublich milde Winter-Temperatur gefunden wird, wenn man sie vergleicht mit der in der Mitte der Nordküste Amerika's und auf der noch östlicher gelegenen Küstenstrecke Asiens in gleicher Polhöhe sich bildenden Kälte, denn während die mittlere Temperatur bei der Karischen Pforte nur -12° bis -15° R. ist (s. Annal. de l'observ. etc. 1842), nach zweijährigen und zweistündlichen Beobachtungen, womit die Dicke der Eisdecke auf dem Meer und Landsee'n richtig übereinstimmt, die nur etwa 3 Fuss erreichte, beträgt sie auf Boothia (70° N.) -26° und die Dicke des Eises auf dem Meer und Landsee'n erreicht 7 bis 10 Fuss. Aber auch in Asien wird dann die Kälte weiter nach Osten hin, richtiger nach Südost hin, so sehr zunehmend, dass auf derselben Parallele, in Ustjansk an der Küste (70° N., 138° Ö.) die mittlere Winter-Temperatur -30° wird, also um 18° kälter, in Jakutsk aber, noch acht Grade südlicher, wenigstens im Januar noch tiefer sinkt. Etwa bei der Karischen Pforte beginnen die Temperatur-Linien des Winters die strengste Kälte zu zeigen und zugleich bilden sie tief absteigende Kurven, weil sie sich um einen durchaus kontinentalen, den Asiatischen, Kältepol schlingen. Diess sind bekannte Dinge, uns kommt es aber darauf an, dessen Umfang und charakteristische meteorologische Eigenschaften näher zu bestimmen.

Die Dove'schen Isotherm-Karten (s.,,Verbreitung der Wärme" 1852 und „,,Klimatologische Beiträge" 1857) sind zu anerkannt, um sie hier zu loben. Allein eine sichere Abgrenzung oder nur Angabe der Gestalt des kältesten Gebiets in der Umgebung von Jakutsk zur Winterszeit ist überhaupt bis jetzt noch nicht möglich gewesen, wenn man darunter den Winterkälte-Pol versteht und diesen charakterisirt als den Raum, wo die tiefste Temperatur auf der ganzen Erde originär, also in Folge der Ausstrahlung der Insolations-Wärme in den Weltraum entsteht und wohin demnach alle Winde nur weniger erkaltete Luft bringen. Die beste Anleitung für das, was wir suchen, gewähren uns zunächst die Winde und diese finden wir hier ganz besonders gut beobachtet und angegeben. Ihr gesammtes Zahlenverhältniss ist kaum noch grösser als das der Calmen, wie 8387 zu 8014, aber da es nur nach der Frequenz der Beobachtungen, nicht nach den Stunden der Dauer berechnet ist, so bleibt die Vermuthung, dass letztere dennoch die grössere für die Calmen sein kann; im Winter sind wirklich auch mehr Calmen beobachtet als im Sommer, wie 2307 zu 1762. Unterscheidet man die Winde nach ihrer Temperatur in der Weise, dass man die ganze mittlere Temperatur des Winters, summirt aus dem Zahlenwerthe der drei Monate (vom Dezember bis Februar), welche 91,6° R. ergiebt, mit dem Verhalten der Temperatur eines jeden der acht Winde vergleicht, so findet man, es blieben unter jener Mittel-Summe vorerst die Calmen mit -92,3°, ausserdem aber nur noch zwei Winde, der SüdostPetermann's Geogr. Mittheilungen. 1861, Heft VIII.

wind mit 95,0° und der Nordwind mit -93,6°; alle übrigen Winde brachten wärmere Luft, am wenigsten der Südwind mit 92,0°, am meisten der Westwind mit -80,4° (ihm nächst der Nordwest wind mit -82,3°). Vielleicht ist desshalb in dem Westwinde der Äquatorialstrom zu erkennen. Das eben Gesagte gilt, wie sich von selbst versteht, nur für den Winter. Im Sommer kehrt sich fast Alles um in diesem Verhalten; dann ist der frühere kälteste Wind, Südost, der wärmste geworden; die mittleren Werthe der drei Sommermonate summirt ergeben als Summe der Sommer-Temperatur 35,0°, damit stimmt die der Calmen überein, aber die des Südostwindes ist nun 39,3°; ihm zunächst steht der Südwind mit 39,0°; der kühlste Wind ist also bleibend der Nordwind, 29,8°, ihm zunächst der Nordwestwind. Übrigens war die vorherrschende Richtung nicht wie in Europa südwestlich, sondern analog wie auf der Ostseite Nord-Amerika's nordwestlich, jedoch im Sommer nordöstlich. Demnach scheint es, kann man auch von diesem östlichen und rein kontinentalen TemperaturPole sagen: es besteht hier im Winter eine Calme mit sinkender Temperatur, welche zeitweise von wärmeren Winden unterbrochen wird, wovon aber die Richtung aus SO. eine Ausnahme macht, wesshalb nach dieser Seite hin das Gebiet des Winterkälte-Pols als noch weiter sich erstreckend zu denken wäre.

=

Die Barometer-Windrose ist hier noch gar nicht zu ersehen; kaum sind einige Beobachtungen über den Luftdruck in Jakutsk vorhanden, nur in Middendorff's Reise sind 20monatliche mitgetheilt, welche bezeugen, dass hier ein sehr hoher mittlerer Barometerstand sich befindet (30,0" Engl. oder Russ. 337,4 Par. Lin.); die senkrechte Erhebung des Ortes ist auch noch nicht bekannt. Die Übereinstimmung der thermischen Windrose mit der barischen lässt sich also hier gar nicht prüfen und doch verspricht diese, uns wichtige Belehrung zu geben; es wäre wahrscheinlich, dass eine Windrichtung mit dem tiefsten Barometerstande den Äquatorialstrom nachwiese und dass dieser an der westlichen Seite des Gebiets aus Südwest oder West käme, aber an der östlichen Seite aus Südost; eine besondere Unterstützung würde dabei das Beachten der Cirri-Wolken wieder gewähren können.

§. 10.

Gehen wir nun ferner weiter östlich, so ist ein besonders beachtenswerther Ort Nischne Kolymsk (69° N., 160° 0.) an der Nordküste Asiens, sowohl wegen seiner Lage, ungefähr zwischen den beiden Winterkälte-Polen, als auch weil wir vorzügliche Beobachtungen von dort erhalten haben (von F. v. Wrangell). Hier zeigt sich die Winterkälte schon geographisch wieder abnehmend, weniger tief als in dem westlicheren, auch an der Nordküste gelegenen Ustjansk, wie -25° zu -30°. Die Windverhältnisse erweisen wieder den Kontrast des südlicher liegenden grossen Kontinents mit dem nördlicheren Meere, denn im Winter kommen die kälteren Winde von der südlichen Richtung, die wärmeren von der nördlichen Richtung. Aus diesem meteorologischen Verhalten darf und muss wieder folgern, dass im Mittelpunkte des CircumpolarBeckens wenigstens keine sehr ausgedehnte Kontinentalfläche vorhanden sein kann (was auch Wrangell's Ansicht ist). Betrachtet man die hiesigen Winde näher, so macht

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man

sich unter den kalten Winden des Winters namentlich der Südwestwind bemerklich (dieser kommt aber vom Kältepol), dagegen unter den wärmeren ist dann namentlich der Nordwestwind zu bezeichnen. Aber eine besondere Beachtung verdient der Nordostwind, weil er Beweise von kontinentaler Eigenschaft enthält; er bringt im Winter tiefere Temperatur, höheren Barometerstand und heiteren Himmel, zum grossen Unterschiede vom Nordwestwind, welcher dann trüben Himmel, Schneefall und also auch höhere Temperatur bringt; der Nordostwind kommt demzufolge sehr wahrscheinlich aus einer Gegend, wo einigermaassen Kontinentalität besteht. Diess stimmt mit zwei möglichen Erklärungen überein; entweder äussert sich hierin. schon die Wirkung des Amerikanischen Winterkälte-Pols, der, wie früher angegeben ist, noch westlich von BanksLand und Prince Patrick sich fortsetzen könnte und mit ihm der arktische Archipel, oder auch bewährt sich eine näher liegende grössere Landbildung, welche nordöstlich von Nischne Kolymsk und nordwestlich von der BeringStrasse, gegenüber dem Kap Yakan, von den Tschuktschen schon lange als das Land,,Titijen" bezeichnet, von Wrangell nicht bezweifelt und von Kellett unfern der neu entdeckten Herald-Insel (bei 72° N., 176° W.) wirklich erblickt ist. Es ist aber nicht anzunehmen, dass diese Landbildung bis zum Pol der Erdachse sich erstreckt, da wir sonst auf der Melville-Insel nicht auch aus Nordwest oceanische Winde und die anderen Zeichen milderen Klima's an der Nordwestseite des Amerikanischen Archipels so übereinstimmend berichtet gefunden haben würden. - 'In Nischne Kolymsk ist noch als bemerkenswerth hervorzuheben, dass auch hier ein auffallend warmer Wind aus SO. gen O. im Winter sich auszeichnet, der auch das Barometer fallen macht, also wie in Grönland und Island, so dass hier vielleicht die beiden Passate sich darstellen, aber in der geänderten Richtung, der Polarstrom als SW., der Äquatorialstrom als SO. gen 0.

§. 11.

Wir haben nun unsere Umfahrt um die nördliche Circumpolar-Zone beendigt; ihrem Mittelpunkte freilich haben wir uns nur bis 78° N. nähern können und auch diess nur auf einer Strecke des Amerikanischen Theils; für den übrigen Theil sind wir kaum über 71° N. hinaus gekommen. Der Überblick lehrt als Ergebniss, dass alle meteorologischen Erscheinungen Zeugniss abgeben für das Vorhandensein von zwei Winterkälte-Polen und für ein zwischen beiden im Winter befindliches, den eigentlichen Erdpol selbst einschliessendes, wärmeres Gebiet, das nur von überwiegend oceanischer Natur sein kann. Im Sommer ändert sich diese Temperatur-Vertheilung, indem dann eben der zwischenliegende oceanische Raum mit seiner Eisdecke der kühlere wird im Vergleich zu den die solarischen Wärmestrahlen rascher absorbirenden und auch südlicheren Kontinenten.

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von Novaja Semlja; beide entstehen in Folge langsamen Schmelzens dort angehäufter Eismassen und verschwinden daher in der zweiten Hälfte des Sommers, wie die monatlichen Temperaturen unzweifelhaft ergeben. Die Gestalt ist auf der Karte der nördlichen Hemisphäre" in Dove's Klimatologischen Beiträgen 1857 sehr deutlich dargelegt zu finden (freilich ist bei Verzeichnung der Januar-Isothermlinie hier noch nicht eine Trennung ihres Gebiets in zwei völlig geschiedene unternommen, welche uns richtig erscheinen muss).

In den Lehrbüchern der Meteorologie findet man allgemein als gültig angegeben, es bestehe in der Vertheilung des Luftdrucks ein Gegensatz zwischen den nordöstlichen und den südwestlichen Winden, indem mit jenen der grösste, mit diesen aber der geringste Barometerstand eintrete, und zwar auf der ganzen gemässigten Zone der NordHemisphäre, mit anderen Worten, die barische Windrose (mit welcher im Allgemeinen auch die thermische übereinstimmt) habe ihre Achse überall auf jener Zone rings um die Erde in der Richtung zwischen NO. und SW., entsprechend den beiden Passaten, deren Funktion sie ist (s. E. E. Schmid, Lehrbuch der Meteorologie, 1860, S. 882 u. a., das neueste und ein gründliches Werk). In so fern diese Annahme in nothwendigem Zusammenhange steht mit dem unzweifelhaften Vorhandensein und mit der allgemeinen Richtung der beiden Hauptströme der grossen atmosphärischen Cirkulation, also mit dem NO.-Passat und dem SW.-Passat oder dem Polar- und dem Äquatorialstrom, soll ihr hier wahrlich nicht widersprochen werden. Allein eine weitere geographische Übersicht lehrt auch bei diesen atmosphärischen Vorgängen, dass unsere Meteorologie noch immer in Folge ihres Europäischen Ursprungs an Einseitigkeiten und Lokalismen leidet und mehr eine allgemeine geographische oder tellurische werden muss. Jene allgemeine Gültigkeit sehen wir aufgehoben an der östlichen Seite beider Winterkälte-Pole; hier dreht sich die Achse der Barometer-Windrose (wie auch die der thermischen) so, dass sie von NW. nach SO. gerichtet ist. Schon L. Kämtz erwähnt gelegentlich und kurz einiger Beispiele hiervon (s. Lehrbuch der Meteorologie, 1834, Bd. 2, und Vorlesungen über Meteorologie, 1840, S. 330) aus den Vereinigten Staaten, aus dem Gebiete der Hudson - Bai und aus Peking. Auch von Ochozk findet sich diese Thatsache bezeugt von A. Erman (Reise um die Erde im Jahre 1848). Eines der sichersten Beispiele giebt die für Reykiavig in Island berechnete barische und thermische Windrose (s. E. Schmid, Lehrbuch der Meteorologie, S. 876). Vielleicht gehören auch die Faröer noch meteorologisch zum westlichen Winterkälte-Pol, wenigstens stehen sich hier als vorherrschende Winde gegenüber NW. und SO., im Widerspruch mit dem übrigen Europa, wo bekanntlich die vorherrschenden Richtungen im Mittel des Jahres NO. und SW. sind; aber nicht etwa zeigen noch eine Zugehörigkeit dahin die Orkney-Inseln oder Irland. Wahrscheinlich wird die in Europa vorkommende, als die normale zu bezeichnende Richtung der Windrose auch an der Westseite NordAmerika's sich bewähren, also an der Westseite des westlichen Winterkälte-Pols, d. h. aus NO. wird sowohl die kältere wie die schwerere Luft kommen, aus SW. sowohl die wärmere wie die leichtere. Indessen steher aus Ame

rika überhaupt wenig Angaben zu Gebote; in Blodget's werthvollem Werke,,,Climatology of the United States" 1857, sind Barometer - Beobachtungen gar nicht enthalten. Diese geographische Änderung in der Stellung der Windrosen-Achse an der östlichen Seite beider WinterkältePole, d. i. beider grossen Kontinente, ist freilich nur für eine Ablenkung der normalen Passate in Folge der bedeutenden Temperatur-Differenz zwischen Land und Meer im Winter zu halten; diese Ablenkung kann daher nur auf die unteren Schichten der Atmosphäre sich erstrecken, wie denn auch die Cirri - Wolken, diese zuverlässigen Zeugen und Begleiter des Äquatorialstroms, sowohl an der Ostküste Nord-Amerika's wie Nord-Asiens mit der ungestörten Richtung von Südwest heranziehend erblickt sind; aber dennoch muss die senkrechte Höhe der Ablenkung innerhalb der beiden Passate bedeutend sein, weil in manchen Ablenkungen dieser grossen Winde zwar wohl die thermische, nicht aber auch die barische Windrose, d. i. der Luftdruck, der immer einer hohen Luftsäule angehört, sich geändert zeigt.

§. 12.

Die grosse Mangelhaftigkeit der hier, so weit es möglich war, gegebenen Vorstellung von den meteorologischen Verhältnissen der Circumpolar-Zone bedarf kaum noch besonderer Erwähnung; es war die Absicht, den Stand der Frage und damit der Schwierigkeiten klar darzulegen; man kann auch Mangelhaftigkeit der Kenntnisse klar und anschaulich darstellen. Sie zu verbessern, giebt es zwei Mittel; das eine besteht in weiterer Benutzung des bereits vorhandenen Beobachtungsmaterials, und vielleicht gelingt diese Anderen besser; das andere besteht in Sammlung neuen Beobachtungsmaterials und hierüber mögen noch wenige Andeutungen geäussert werden, Lücken betreffend an Orten, welche nicht unzugänglich sind, obgleich immer Schwierigkeiten ihrer Ausfüllung entgegen stehen und nicht verkannt werden.

Das Gebiet des Asiatischen Winterkälte-Pols verdient als solches, also in besonderer Hinsicht auf seine wichtige Stellung im allgemeinen geographischen, d. i. tellurischen, System der meteorischen Vorgänge, nähere Beachtung und Untersuchung als andere Orte in dem ausgedehnten Sibirien, in welchem jenes gleichsam den Mittelpunkt bildet. -Da in Spitzbergen noch niemals im Winter regelmässig beobachtet worden ist und seine Lage zwischen den beiden Winterkälte-Polen grosse Ergebnisse verspricht, so muss es als wünschenswerth erscheinen, dass eine wissenschaftliche Unternehmung in einem wohl ausgerüsteten Schiffe nach dem Muster der Franklin-Expeditionen wenigstens ein Jahr lang hier beobachte. Es wäre dann zu empfehlen, die Untersuchungen zu richten auf die Windrosen, auch auf die thermische und barische; auf die submarine Thermometrie; auf die subterrane Thermometrie und das Bodeneis; auf die Landsee'n, die trotz des ewigen Bodeneises fischreich sich vorfinden, im Winter unter ihrer Eisdecke die Wärme bewahren, also auch eisfreie Wandungen haben müssen (Beispiele davon sind gefunden in Boothia, auf Banks - Land, in Sibirien u. a.); auf die Temperatur in senkrechter Höhe während Calmen, mittelst Luftballons zu untersuchen; auf das Vorkommen von Cirri-Wolken und deren Richtung. Im polarischen Kontinent von NordAmerika fehlt es noch an barometrischen Beobachtungen, zumal in Verbindung mit denen der Winde und der Temperatur. Die Schwierigkeiten, meteorologische Beobachtungen anzustellen, werden überall weniger von der Ausführung abhalten, wenn man im Voraus unterscheidet, dass nicht die ganze Reihe der Tage und Stunden gleiche Wichtigkeit hat und gleiche Sorgfalt verlangt; immer muss es nur vorzüglich darauf ankommen, Monate der extremen Jahreszeiten mit besonderer Ausführlichkeit zu beobachten, und dann genügt es auch, nur einzelne zerstreute Tage hindurch zu jeder Stunde den Stand der Instrumente aufzuzeichnen.

Giuseppe Sapeto's Reise in den Ländern der Mensa, Bogos und Habab.

(Mit Karte, s. Tafel 11.)

Durch die seit Kurzem bestehenden näheren Beziehungen zwischen dem Italienischen und Deutschen Buchhandel sind wir mit einem Werke bekannt geworden, das werthvolle Nachrichten über ein sehr interessantes Gebiet Ost-Afrika's giebt, bis jetzt aber ganz unbeachtet geblieben ist. Es führt den Titel: ,,Viaggio e missione cattolica fra i Mensâ, i Bogos e gli Habab con un cenno geografico e storico dell' Abissinia, di Giuseppe Sapeto. Roma, Congreg. di Propaganda Fide, 1857", bildet einen Oktavband von 560 Seiten und zerfällt in vier Abschnitte: eine allgemeine geographische und historische Beschreibung von Abessinien; die Reise des Verfassers in den Landschaften der Mensa, Bogos und Habab im Jahre 1851; naturhistorische Aufzeichnungen; historische und sprachliche Dokumente, Voka

bularien. Der Verfasser, ein Italienischer Mönch, der lange Jahre in Abessinien und den nördlich angrenzenden Ländern als Missionär thätig war, ist ein vielseitig gebildeter, in der Literatur über die von ihm besuchten Gebiete bewanderter Mann und sein Buch verräth viel wissenschaftlichen Sinn. Sein Charakter erscheint zwar in Isenberg's ,,Abessinien" nicht im günstigsten Lichte, doch haben wir keinen Grund, seine Wahrhaftigkeit in geographischen Dingen in Zweifel zu ziehen, auch muss man sich erinnern, dass er ein eifriger Gegner der protestantischen Missionäre war und, wie er selbst sich rühmt, einen grossen Theil der Schuld an der Vertreibung Isenberg's, Krapf's und Blumhardt's aus Adoa trug. Begleitet von den Brüdern D'Abbadie landete er im J. 1838 in Massaua und erreichte

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