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werfung unter einen Schiedsspruch im Voraus vertragsmäßig zug ist, wird diese Unterwerfung und damit die Vermeidung des Kr nicht immer mit Sicherheit erwartet werden können. 23) Haben doch in Bundesstaaten, die enger unter einander verbunden waren als t durch einen Schiedsgerichtsvertrag verbundene fremde Staaten, so Amerika und in Deutschland, die schwersten Kriege zwischen ihren Glit fich nicht hintanhalten lassen. Sie werden auch bei noch engeren bundest lichen Verbindungen nicht für alle Fälle vermieden werden können. De muß immer bei dem Sage bleiben, daß die Vermeidbarkeit oder Nichtverz barkeit eines Krieges nicht von der Stellung und von Verträgen der j den Theile, sondern nur von der Tiefe und Schwere des Kriegsgrundes von dem unberechenbaren, menschlichen Abmachungen nicht unterliege Gange der Geschichte abhängt.

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Allerdings ist es denkbar, daß die Staaten unter einander die 3: pflichtung eingingen, bei bestimmten (geringfügigeren) Fällen ihre St keiten, anstatt zum Kriege zu greifen, einem Schiedsgerichte zur scheidung zu überlassen, wie ja auch zwischen einzelnen Staaten geleg lich des Abschlusses von Staatsverträgen solche Verpflichtung in zug auf Differenzen, die über die Auslegung des Vertrages entstele bereits eingegangen sind. Allein die allgemeine Verpflichtung aller Sta herbeizuführen, dürfte auf große Schwierigkeiten stoßen, von denen genaue Feststellung der Fälle, für welche die Verpflichtung gelten it nicht die geringste wäre; 24) ohne solche genaue Feststellung würde aber Ziel von vornherein unerreichbar sein. Zur Zeit besteht die Verpi tung, soweit sie nicht durch specielle Verträge begründet ist, auch für die geringsten Fälle nicht, und nach gegenwärtigem Völkerrechte tr die Pflicht, sich vorkommenden Falles einem Schiedsgerichte zu unt werfen, nicht behauptet werden.25)

1) Daß hier nur die Schiedsgerichte ausdrücklich genannt werden, er sich daraus, daß man gerade an dieses friedliche Ausgleichmittel die hochgesper ten Erwartungen, Discussionen und Agitationen geknüpft hat, von denen gl weiter unten im Text die Rede sein wird. Sie stehen durchaus im Vordergra der friedlichen Mittel, von denen die Vermeidung von Kriegen erhofft wird, e j sind deshalb hier allein genannt worden. Es beziehen die folgenden allgemen; Erörterungen über die mögliche Wirksamkeit dieser Einrichtung sich aber auch die anderen friedlichen Ausgleichmittel.

Vgl. v. Bulmerincq bei Holzendorff a. a. D. G. 555.

3) In der neueren Zeit tritt die Idee des Schiedsgerichts zunächst in * Ewigen Friedensprojecten lebhaft hervor. Das St. Pierre'sche sagt unter 8 drücklich: „Alle Staatsstreitigkeiten werden durch Schiedsgerichte beigelegt." S. schon H. Grotius, II., XXIII., VIII.

*) v. Bulmerincq an den angef. Stellen.

5) Vgl. §§ 54, 55 und von den hier zu § 56 Angeführten, z. B. v. Br merinca, Geffden, Hälschner, F. v. Martens, Lasson, Seebohm,

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ary, Die Nationalgefahr, übers. v. Scheller S. 16 u. A,. namentlich die entEedenen Anhänger des Krieges uud der Kriegsnothwendigkeit, während umgekehrt Friedensfreunde implicite oder ausdrücklich für den Schiedsgerichtsgedanken weiteren Sinne eintreten; vgl. Laveleye p. 179 ff. und Rhamon S. 39 ff., Bulmerincq a. a. D.

Trendelenburg, Lücken, S. 21.

7) Es werden hier absichtlich geringfügigere Ehrenrechtsfragen genannt. Denn I tiefer liegenden nationalen Ehrenfragen tritt die Unmöglichkeit einer schieds. hterlichen Entscheidung gerade besonders hervor, obgleich von Manchen gerade er doch auch für Ehrenstreitigkeiten die Anwendbarkeit der Schiedsgerichte lechthin behauptet wird, so von v. Bulmerincq, S. 563. Für die hier ver etene Ansicht dagegen: Renault i. d. Revue XIII., p. 22, Geffcken zu Heffter, 108, N. 3, Calvo. Vgl. ferner v. Bulmerincq im Handb. IV. § 12 und e dort Angef.

8) S. Note 7.

9) So auch die i. N. 5 Genannten. Wegen des Werthes und der Wichtigkeit der in lchen Fällen auf dem Spiele stehenden Güter ist auch die Behauptung Laveleye's - 199, einem Staate koste eine ungünstige schiedsrichterliche Entscheidung immer och weniger als ein Krieg, — eine Behauptung, die für geringfügige Streitfälle chtig sein mag, - für tiefer liegende Conflicte vollständig unzutreffend, abgesehen avon, daß für die leßteren eine schiedsrichterliche Entscheidung überhaupt gar nicht egeben werden kann.

10) Trendelenburg, Lücken, S. 21.

11) Dies wird übrigens auch von verschiedenen Vertretern des Schiedsgerichts. edankens anerkannt, so von Laveleye p. 196, 197, auch 187, der zugiebt, daß ur bei geringeren Streitfällen Schiedsgerichte Aussicht auf Erfolg haben und daß a, wo man z. B. aus politischen Gründen den Kampf will oder Etwas, was ie Gegenseite nicht gewähren kann, ein Krieg durch schiedsrichterliche Entscheidung icht vermieden wird; ebenso, wenn eine Partei dem Schiedsspruche sich nicht nterwirft, Laveleye p. 199, 202. S. auch v. Bulmerincq S. 563, der aus iner Betrachtung der bisher vorgekommenen Schiedssprüche u. A. die Lehre zieht, aß dieselben entweder streitige Territorien oder Grenzen derselben oder Reclama. tonen wegen Verleßung von Privaten oder Schadensersaß zu Gunsten derselben etreffen und hinzufügt: „Die allerwichtigsten Differenzen von Staat zu Staat sind ber immer noch durch Kriege herbeigeführt worden.“ Und in der That findet ich für die Schlichtung tiefer liegender Conflicte, insonderheit ür die Lösung großer geschichtlicher Aufgaben durch Schiedssprüche d. dgl. bis jezt kein einziges Beispiel; vgl. Lasson S. 67. Auch wo wischen bestimmten Staaten Schiedsgerichte für gewisse Fälle verabredet sind, andelt es sich nur um geringere, leichter zu ordnende Puncte, Laveleye p. 185; benso kamen bei den Römern die Streitenden nur zuweilen überein, durch Recuperatoren entscheiden zu lassen. S. ferner v. Bulmerincq i. Handb. IV. § 12.

12) Dies, d. h., daß nur über eigentliche Rechtsfragen, nicht über politische Interessenfragen entschieden werden dürfe, wurde auch von Preußen schon bei der ersten Berathung der Aufträgalordnung 1817 ausdrücklich verlangt; vgl. v. Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrh., S. 178; und zwar war es für Preußen einjach politisch nothwendig und folglich unerläßlich, sich so zu stellen. Denn „eine Europäische Macht konnte", wie v. Treitschke a. a. D. richtig sagt, nicht ge statten, daß die großen Machtfragen ihrer Politik etwa von dem Zerbster oder

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dem Jenaer Appellationsgerichte nach den Grundsäßen des Civilprocesses würden." Ueberhaupt läßt (s. gleich weiter unten im Text) die Geschichte s durch Richtersprüche machen, und Aeußerungen, wie z. B. die Rhamon's, die Aussicht, den Krieg mit Ehren zu vermeiden, werde bei ernstlichem kaum in einem Falle ausgeschlossen sein, sind einigermaßen naiv, abgesehen daß die Vorausseßung des ernstlichen Wollens eine sehr problematische ist 13) Laveleye p. 202.

14) Wie z. B. Laveleye p. 7 unten thut. S. dagegen Geffcen zu § 108, Note 3. Es ist in der That um so voreiliger, an das Genfer Schiede in der Alabamafrage große Friedenshoffnungen und die Erwartung einer Zut ära kriegloser Schiedsgerichtswirksamkeit zu knüpfen, als nur besondere la bezw. Willfährigkeit Englands den Schiedsspruch ermöglicht haben. Geffden & Alabamafrage 1872; Laveleye p. 273.

15) p. 174 u. 185.

18) Vgl. Trendelenburg, Lücken, S. 21, 22.

17) Vgl. den Schluß des folgenden Paragraphen und Noten 36 u. 37 dei 18) Daß eine Staatenconföderation die Vorausseßung für die die streitigkeiten schlichtende haute cour arbitrale sein würde, nimmt auch Lavis an, S. 173.

19) Vgl. Blume, Strategie, S. 5.

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20) Vgl. Trendelenburg, Lücken im Völkerrecht, S. 27. Es far Frommste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt 21) Es ist an sich richtig, was Laveleye p. 202 sagt: „Quand l'instit d'une haute cour n'éviterait qu'une guerre sur vingt, il vaudrait encor peine de l'établir.“

22) Vgl. Note 23. Auch die Codificirung des Kriegsrechts kann (in deri. Grenzen wie die Schiedsgerichte) zur Vermeidung von Kriegen beitragen, wird von diesem Standpuncte aus von Laveleye p. 161 ff. empfohlen. 23) Vgl. oben § 54 gegen Ende.

24) Vgl. Bulmerincq, Handb. IV. § 12. Die großen und mannig Schwierigkeiten, solche Schiedsgerichte im weiteren Umfange und ständig ins zu rufen und einzurichten, fallen bei der ganzen Frage und den an ihre Le geknüpften Hoffnungen ebenfalls bedeutend und schwerer ins Gewicht, als die kämpfer des Schiedsgerichtsgedankens anzunehmen pflegen. Man würde sich die Fülle der Schwierigkeiten wundern, die hervorträten, wenn es sich in pr um die Installirung einer haute cour u. dgl. handelte. Es hat damit de vorläufig auch noch gute Wege, und man braucht sich noch nicht den Kopf über? Details der Einrichtung, wie z. B. über die Frage, wo das ständige Schiedsgent am geeignetsten seinen Siß nähme, zu zerbrechen, wie z. B. Laveleye p. 174

25) Entgegengesezte Behauptungen sind deshalb irrig und verwechseln Wunsch, wie es werden möchte, mit dem positiv völkerrechtlichen Zustande, in der That ist. Das einzig positive Rechtliche, das bis jezt vorliegt, ist der dem Pariser Congreß von 1856 ausgesprochene Wunsch. Aber dieser ist der sympathischen Behandlung, welche der Arbitrage Gedanke auf jenem Cong gefunden, eben nur ein Wunsch und nichts weniger als ein bindender Beschl der zur Unterwerfung unter ein Schiedsgericht oder eine sonstige Vermittel nöthigen könnte, obgleich dies hier und da angenommen zu werden scheint. heißt nur:,,Messieurs les plénipotentiaires n'hésitent pas à exprimer, de leurs gouvernéments, le voeu, que les Etats entre lesquels s'élèverait unde

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iment sérieux, avant d'en appeler aux armes, eussent recours, en tant que circonstances l'admettraient, aux bons offices d'une puissance e.“ Eben deshalb sind die großen Erwartungen, welche man für die Vermei g von Kriegen überhaupt und die Vermeidung durch ein Schiedsgericht insbe ere an jenen Ausspruch knüpfte und knüpft, nicht begründet und ja auch bisher, bereits hervorgehoben, getäuscht worden. Darauf, daß die in dem voeu her. ehobene Anrufung einer dritten Macht kein eigentlicher Schiedsspruch, sondern eine Vermittelung oder eine Art bons offices (Lawrence i. d. Revue V. 173, N. 2, v. Bulmerincq S. 562), kommt es hier, wo es sich nur um die ksamkeit solcher friedlicher Ausgleichmittel im Allgemeinen handelt, nicht an.

$ 57.

Die Gerechtigkeit des Krieges und die Kriegsursachen.

teratur: Gentilis, De jure belli. L. I.

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v. Holzendorff, Encycl., S. 1021. Brater, VI., S. 99, 100.

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Grotius II., 1, § 1 ff. Heffter 113.

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v. Bul.

v. Neumann § 39. Berner bei Bluntschli und Lasson,

Oppenheim S. 223.

Das Cultur-Ideal und der Krieg. Fiore 1232 ff. - Colvo 1629 ff. G. F. v. Martens und Vergé und Pinheiro Ferreira zu Martens § 265. - Pradier Fodéré zu Vattel II. p. 336 ff. Phillimore 3. § 48. Halleck ch. 13, § 1. Riquelme 1, 1, 7.- Twiss, War, §29, Portalis, Séances et travaux de l'Académie des sciences morales et politiques, t. 28, p. 37: De la guerre considérée dans ses rapports avec les destinées du genre humain. Rolin Jaequemyns i. d. Revue II. p. 650. Laveleye, Des causes actuelles de guerre en Europe et de l'arbitrage. Brüssel und Paris 1873. - Dazu die in diesem Paragraphen in Note 2 angeführte Literatur. v. Ompteda § 298 u. Kampß § 280. Nys, Droit de la guerre et les préc. de Groitius, p. 71 ff.

Die Gerechtigkeit oder Rechtmäßigkeit des Krieges in abstracto und amit die Widerlegung der Meinung, daß der Krieg überhaupt an sich twas Unrechtmäßiges sei, hat sich aus dem in den vorstehenden Pararaphen Ausgeführten bereits ergeben. Denn wenn der Krieg als etwas Nothwendiges, von den Menschen und dem Menschenthum Unzertrenn. iches, von der göttlichen Weltordnung Gewolltes erscheint, so ist damit Die Rechtmäßigkeit des Krieges im Allgemeinen und der Saß, daß der rieg an sich nichts Ungerechtes sein kann, erwiesen. Aber auch von dieser Auffassung abgesehen, kann der Krieg an sich nicht als etwas Ungerechtes angesehen, sondern muß vielmehr als gerecht und rechtmäßig anerkannt werden, weil er, wie in § 54 bereits bemerkt worden ist, unter Umständen das einzige Mittel ist, Beleidigungen und Verlegungen abzuwehren. Ohne ihn müßte der Staat sich jede Erniedrigung, Unterdrückung, ja Vernichtung gefallen lassen, und er ist deshalb ebenso berechtigt wie die Nothwehr im Leben der Einzelnen; ja, zu den Waffen zu greifen, wird in diesen Fällen zur sittlichen Pflicht, 1) und deshalb kann

kein Völkerrecht den Krieg schlechthin, auch den absolut gewollte. seitigen wollen, so wenig wie es dazu thatsächlich im Stande ift

Allerdings hat eine vereinzelte Meinung 3) sich dahin ausgespre daß der Staat selbst im Fall der ungerechtfertigtesten Verlegung diese TM: hinnehmen müsse und das Gewaltmittel des Krieges auch im solchen nicht angewandt werden dürfe. Aber diese seltsame Meinung ist # alle Anerkennung geblieben.4) Man betrachtet den Krieg in Gegent wie wir gesehen, als ein Rechtsmittel. Die Gerechtigkeit und lässigkeit des Krieges ist deshalb auch ebensowohl von der Europ Staatenpraxis stets als etwas Zweifelloses betrachtet wie sie von Wissenschaft so gut wie allgemein anerkannt worden ist.5) Die eben allgemein anerkannte Vorausseßung ist dabei nur, daß der Krieg genügender Ursache, nur im zwingenden nothwendigen Falle und nicht # Noth, aus geringfügigem oder vermeidbarem Grunde unternommen wit

Die Frage nach der Gerechtigkeit des Krieges kann deshalb eine Frage nach der Gerechtigkeit der Kriege sein, d. h. es tann gefragt werden, welche Ursachen) vermögen im einzelnen Falle ei Krieg zu rechtfertigen, welche nicht? Mit anderen Worten: auf wel Seite ist der Krieg je nach den Ursachen, aus denen er geführt ein gerechter, auf welcher ein ungerechter?

Diese Frage ist denn auch in der Literatur sehr weitläufig behan und controvertirt worden.) Sie ist gleichwohl aus dem gleich zu ermi, nenden Grunde des Mangels eines über sie entscheidenden höheren Richt von sehr geringer praktischer Bedeutung; und da man das erkannt hat fie in der neuesten Literatur stark in den Hintergrund zurückgetreten."

Sie ist aber nicht nur praktisch unwichtig, sondern sie kann: abstracto überhaupt gar nicht gelöst werden. Allerdings sind seitens Theorie Formeln aufgestellt worden, durch welche eine solche Lösung geben werden soll, so: „Der Krieg ist gerecht, wenn und soweit die! waffnete Rechtshülfe durch das Völkerrecht begründet ist, ungerecht, w dieselbe im Widerspruch mit den Vorschriften des Völkerrechts ist, “11) 00: ,,der Krieg ist nur gerecht, wann und soweit die Selbsthülfe erlaubt ist." Aber mit solchen Formeln ist nichts gewonnen. Sie sind, im recht Sinne genommen, an sich richtig, lassen aber die Frage, auf die ankommt und die die eigentlich zu beantwortende ist: wann ist de die Selbsthülfe erlaubt und durch das Völkerrecht begründet, und wer ist folglich der Krieg gerecht?" völlig offen und unerledigt.

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Zur Beantwortung dieser Frage und der Unterscheidung und 2 grenzung der Kriege nach ihrer Gerechtigkeit fehlt es absolut an nügendem Grund und Maßstabe.13) Es kommt auch hier auf die durt i die Umstände, die Geschichte, das Wachsen und Absterben der Völk gegebenen Verhältnisse im einzelnen Falle an. Alle Kriege können dem einen Falle ganz ungerecht, in dem andern höchst gerecht sein. Nach juristischen Regeln 15) und nach den Begriffen von Recht Gerechtigkeit im gewöhnlichen Sinne, nach privatrechtlichen Normen übe

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