Page images
PDF
EPUB

fügige Keime und Anfäße gewesen sind, als häufig angenommen wir daß auch ein allmäliger Fortschritt der Entwickelung sowohl bei in alten Völkern als namentlich auch im Mittelalter zu beobachten ist = im Verlauf des letteren die Vorbereitungen und Grundlagen des je Kriegsrechts sich bildeten;3) daß aber ein bewußtes, principielles ausgebildetes Kriegsrecht als anerkannter Theil der Rechtsordnung der neuen Zeit angehört.

Im Allgemeinen waren die Völker des Alterthums, sowohl die Orients als auch Griechen und Römer von der Vorstellung der absol Rechtlosigkeit des gegenüberstehenden, namentlich des besiegten Fei beherrscht, dessen Land und Leute, auch die friedlichen, nichtcombattirent. Bewohner, Weiber und Kinder der Willkür des Siegers anheim Er konnte über deren Leben, Freiheit und Gut verfügen und sie titoder in Sclaverei bringen und über das Land bestimmen. Nichtdie vom Kriegszwecke geforderte Gewalt, sondern jede darüber hin gehende Grausamkeit, Leidenszufügung, Beraubung und Zerstörung = gestattet, ohne daß ein einschränkender Rechtssag entgegengestanden und ein Unterschied zwischen dem feindlichen Staat und den ihm hörenden Privaten gemacht worden wäre. Allerdings finden sich Alterthum verschiedene auf Kriegserklärung, Unverleßlichkeit der P mentäre, Heilighaltung der im Kriege geschlossenen Verträge und haupt auf die Kriegsmanier bezügliche Bildungen. Aber ein eigentlic Kriegsrecht und Rechtsansprüche der Besiegten begründen sie nicht.

Bei verschiedenen Völkern des Orients, so bei Assyrern und Jer trat auch eine besonders große Schrankenlosigkeit und Grausamkeit Kriegführung hervor4) und der Krieg selbst war ein Vernichtungsfri Bei anderen, namentlich Persern und Indern, finden sich dagegen, erhebliche Spuren, wenigstens bezüglich der „Kriegsmanier“. So m nach den Indischen Manu-Gesezen, allerdings nur unter gewissen Vor sehungen, aber doch in einer den besseren Gedanken constatirenden S verboten: der Gebrauch vergifteter Waffen, die Tödtung sich ergeben? oder schwer verwundeter wie auch schlafender Feinde, Verlegung Nicht-Combattanten, Zerstörung von Aeckern und Häusern. Aber es dies, namentlich in Anbetracht der beschränkenden Voraussetzungen, e nur Keime und Einzelheiten.

In Griechenland bestand allerdings eine kriegsrechtlichere Auffas bezüglich der einzelnen Griechischen Staaten unter einander und . darauf beruhende Amphiktyonenbund 5), was nebst gewissen Milderar: der Kriegsbräuche immerhin als ein Fortschritt in der Entwickelung trachtet werden mag. Aber jene bessere Auffassung hatte nur nationale Grundlage, der Amphiktyonenbund umfaßte von vornhe nur die verschiedenen Griechischen Staaten und verlor außerdem Laufe der weiteren Entwickelung der Griechischen Verhältnisse an $ deutung. Die nicht Griechischen, also barbarischen Staaten hatten, zwar auch nach der Lehre der vornehmsten Geister Griechenlan

aton's und Aristoteles', kein Recht, ja keine Menschlichkeit zu be pruchen.

Bei den Römern finden wir in der Sacralzeit ein verhältnißmäßig it entwickeltes Völkerrecht, wir finden die Fetialen) und die Recucatoren.) Aber das Völkerrecht der Sacralzeit ging vollständig zu unde und verkehrte sich in sein Gegentheil.) Die Fetialen und Reperatoren gelangten nicht zu größerer Bedeutung, und wo die Römer n der Ausnußung der Rechtlosigkeit des besiegten feindlichen Staates nen oder nur beschränkten Gebrauch machten, da geschah es aus bederen, namentlich politischen Gründen. Das Recht dazu war ihnen ßer Zweifel und wird von den Römischen Juristen unbedingt anerint. Gleichwohl führte die vielfach geübte staatskluge Politik der ömer zu Milderungen und läßt sich deshalb als ein fernerer Fortschritt in r Entwickelung bezeichnen; und bezüglich der Krieg führung wurden eilweis gewisse eine Gleichberechtigung anerkennende Regeln beachtet, eilweis allerdings auch ganz außer Acht gelassen.

Aber ein wirkliches Kriegsrecht, welches auf dem durchgedrungenen d bleibenden Gedanken des Rechtsprincips beruht hätte, bestand in om so wenig wie im Alterthum überhaupt. Es konnte auch nicht stehen, weil die dazu nöthigen Voraussetzungen nicht durchgedrungen aren, insonderheit die Anerkennung der vom Staatsbürgerthum unab. ingigen Persönlichkeit und der Gleichberechtigung der Völker.10) Die rvorgehobenen bei den Völkern des Alterthums hervortretenden Er heinungen, die sich als Keime des Kriegsrechts darstellen, ruhen deshalb ich überwiegend auf religiöser Grundlage,11) wie andererseits die Ver. ugnungen kriegsrechtlicher Grundsäße und die darauf beruhenden Grau. mkeiten gegen die Feinde in religiösen Anschauungen und Vorschriften er alten Völker, der Assyrer, Juden und Anderer, ihre Grundlage haben. 12)

1) Vgl. v. Holzendorff a. a. D. I. § 40; Bluntschli, Völkerr. S. 12. 2) S. v. Holzendorff a. a. D. S. 250.

3) Bluntschli, Beuterecht S. 12, 15, 19, 28, 30 ff., 47 ff.; F. v. Marns, Völkerr. II. S. 480.

*) v. Holzendorff a. d. i. Note 12 angef. Stelle und § 46 ff., besonders . 191, 192.

5) Darüber v. Holzendorff § 51.

6) S. Geffen zu Heffter Note 4 zu § 6.

7) v. Holzendorff S. 261 ff., 272. Vgl. Geffcken zu Heffter N. 6

I § 6.

*) v. Holzendorff S. 262 ff.

v. Holzendorff S. 254.

10) Vgl. F. v. Martens II. S. 478, Bluntschli und Schulze.

11) Vgl. Heffter § 6, Schulze § 3, v. Holzendorff a. d. angef. Stellen. 12) v. Holzendorff S. 180, Schulze § 3.

§ 68.

Die geschichtliche Entwickelung des Kriegsrechts und seiner grundsäßlichen Auffassung; II. im Mittelalter in der Neuzeit.

[ocr errors]

[ocr errors]

Literatur: Die zum vor. Paragr. angef., soweit sie sich nicht ausschließlich ari x Alterthum bezieht. v. Holzendorff a. a. D. § 65 ff. — Außerde K. Th. Pütter, Beiträge zur Völkerrechtsgeschichte und Wissenschaft, 184J. St. Pütter, Specimen juris publici et gentium medii aevi, 178! Haneberg, D. mosleminische Kriegsrecht, 1871. Schulze a. a. D. F. v. Martens S. 480. Bluntschli S. 13 ff., und: Das Beutent im Kriege. Schmidt Ernsthausen S. 6. Rhamon S. 9 FNys, Le droit de la guerre et les précurseurs de Grotius, 1882 112 ff. Ueber die völkerrechtliche Bedeutung des großen Deutsch Fra schen Krieges von 1870/71, s. Rolin Jaequemyns i. d. Revue N 481 ff. Bluntschli, Das moderne Bölkerrecht in dem Französisch-Deutz ; Kriege von 1870, Rectoratsrede 1871; Derselbe, Jahrbuch für Geseztu. s. w. des Deutschen Reichs 1872, erste Hälfte, S. 270 ff. in Füllner's Deutschen Blättern 1872 S. 1 ff., 163 ff., 268 ff. in den Jahrbüchern f. d. Deutsche Armee und Marine, Bd. I. S. 791 III. S. 31 ff. Vollständig parteiisch getrübt und deshalb so gut wie werths find fast alle Aeußerungen Calvo's über diesen Krieg. Noch werthlojeri Pamphlete von Morin und anderen Französischen Schriftstellern.

[ocr errors]
[ocr errors]

Halid
Dat

Im Mittelalter trat zunächst keine Aenderung der angegebenen stände und Anschauungen ein. Unter den Stürmen der Völkerwander war an eine Entwickelung des Kriegsrechts nicht wohl zu denken, die Kriegführung war in den Kämpfen dieser Zeit wieder eine beson blutige und rohe. Es würde aber durchaus nicht richtig sein, an die Nichtentwickelung und der fortdauernden Grausamkeit der Kriegsgebrar: | ohne Weiteres den jezt hervortretenden Germanen die Schuld zu sprechen.1) Im Gegentheil waren gerade die Germanen nicht nur we ihrer Achtung vor den Menschheits- und Persönlichkeitsrechten völ rechtlich besonders gut veranlagt,) sondern übten auch auf Grund die Veranlagung von Haus auss) ein humanerer und fortgeschrittenen » Auffassung entsprechendes Kriegsrecht, eben weil sie die Persönlich des Gegners in höherem Maße anerkannten und deshalb gerade da, es der alten Welt an einem Kriegsrechte noch völlig fehlte, nämlich der Behandlung von Land und Leuten der Besiegten, eine rechtlic Auffassung an den Tag legten.) Sie haben deshalb im Gegenjahi dem dem Völkerrechte gefährlichen Gange, den die Entwickelung der Ding bei den Römern genommen hatte, den Keim gelegt zu einer besser! Gestaltung und zu einem weiteren bedeutsamen Fortschritte des Völk rechts.5) Ist dieser Einfluß des Germanenthums nicht sogleich fühlber

durchgedrungen, so erklärt sich das aus besonderen Gründen, welche entgegenstanden, wie aus dem Mangel staatlicher Einheit und Macht und dem Fehlen der nöthigen geistigen Bildung, woraus theilweise auch wieder eine rohere und grausamere Kriegführung hervorging.

Auch das Christenthum konnte den ihm nach seiner ganzen Natur und Lehre und nach seinen Menschen, ja Feindesliebe, sowie Brüderlichkeit und Einheit des Menschengeschlechts heischenden und anerkennenden Vorschriften naturgemäß innewohnenden Einfluß 6) nicht gleich zur Geltung bringen, indem seitens der Kirche die Rechtlosigkeit der Un- bezw. der Irrgläubigen noch schärfer betont und damit der Grundgedanke des Kriegsrechts noch entschiedener negirt wurde, als dies im Alterthum gegenüber den Nicht-Griechen und Nicht-Römern geschehen war.7) Der Gedanke, daß die Andersgläubigen (und zwar nicht nur die Nichtchristen, sondern auch die christlichen Irrgläubigen) ®) rechtlos und vernichtungswerth, sowie daß alle Mittel gegen sie erlaubt seien, machten die Kriege noch weit in das spätere Mittelalter hinein besonders grausam, auch nachdem sich sonst schon mildere und bessere Sitten eingebürgert hatten.

Besonders rohe Sitten machten sich auch in den nördlichen Seeländern geltend,9) und außerordentlich grausam war das Kriegsrecht, soweit für diese Zeit überhaupt von einem Kriegsrechte gesprochen werden. kann, zur Zeit des Fehdewesens.10)

Allmählich trat aber zu Gunsten einer besseren Entwickelung der Einfluß des Christenthums11) und der mittelalterlichen päpstlich-kaiserlichen Universalstaatstheorie, welche die Idee einer berechtigten Völker gesellschaft (gegenüber der Exclusivität der Völker des Alterthums) wenigstens vorbereitete, 12) sowie der des Ritterthums und des ritterlichen Geistes 18) überhaupt, wenn dieser auch zunächst nur dem Ritterbürtigen selbst zu Gute kam, hervor, u. A. auch bezüglich des Kriegsgefangenenrechts. Auch die sich ausdehnenden Handelsbeziehungen übten dann weiter einen günstigen Einfluß aus. 14) Dazu in fernerer Entwickelung die Befestigung der öffentlichen Ordnung und der Consolidirung der Staatsgewalt, die eine Beseitigung der Selbsthülfe und des Fehderechts ermöglichten.

In Folge davon entwickelten sich, namentlich auch unter dem Ein. flusse der Reformation, immer bessere und festere Ansäße, aus denen sich allmählich die Grundlage für die Bildung eines wirklichen und humanen Kriegsrechts herausbildete, 15) wenn auch leicht begreiflicher Weise Rückfälle, z. B., wie bereits angedeutet, in den Kriegen gegen die Moha medaner und wiederum noch in der Kriegführung des dreißigjährigen Krieges statthatten.

Auf dieser Grundlage hat sich im Laufe der neuen und neuesten Zeit verhältnißmäßig rasch das Kriegsrecht, und zwar in humanem Geiste consolidirt, 16) nachdem namentlich vom 16. Jahrhundert an (theilweise aber auch schon früher) durch staatliche Vorschriften dem willkürlichen Walten der Heere im Feindesland, dem Beutemachen, der Rechtlosigkeit der friedlichen Bevölkerung u. s. w. Schranken gezogen wurden. Na

mentlich haben aber auch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts y schlossene Staatsverträge, insbesondere der 1785 von Friedric Großen mit Nordamerika abgeschlossene Freundschaftsvertrag einen vorragenden Einfluß geübt. Ueberhaupt hat Friedrich der G neben dem auch die Namen von Katharina II., Franklin : Washington zu nennen sind, für den Fortschritt der Entwide des Kriegsrechts lebhaft empfunden und gewirkt. 17) Andererseits mu durch Französische Mißachtung des Völkerrechts in den Napoleon Kriegen vorübergehend ein völliger Rückschritt herbeigeführt.18)

Dieses Kriegsrecht ist demnach wie die Entwickelung des V rechts überhaupt ein Product der neueren Zeit, welches einen vill Umschwung in den kriegerischen, nun kriegsrechtlichen Verhältnissen ? Völker und zugleich einen außerordentlich großen Fortschritt in de sammten Culturentwickelung der Menschheit darstellt, der um so bett. samer ist, als gerade der Krieg das für die Herrschaft des Rechts wenigsten geeignete Gebiet zu sein scheint.19) Dieser Fortschritt ist nächst zu danken der durchgedrungenen gegenseitigen Anerkennung Völkerpersönlichkeit, sowie der ebenfalls zur Anerkennung gelangten .. abhängigkeit der Menschheitsrechte von einer bestimmten Staatsangeht keit oder einem bestimmten Glauben20) und der darauf beruhenden E wickelung des gesammten Völkerrechts. Er ist zu danken der for, schritteneren Civilisation überhaupt, die sich, unterstüßt von der im fester werdenden Consolidirung der Staatsgewalt und von der Einricht stehender Heere, 21) in der menschlicheren und civilisirteren Kriegführer | zeigte. Die lesere trat in der Praxis der Heerführer auf und beg dete die Kriegsmanier, noch ehe die Völkerrechtswissenschaft dazu fr geschritten war. Die Wissenschaft lag noch im Banne der überliefer ¦ Anschauungen, als diese in der praktischen Kriegführung schon besser", Plaz gemacht hatten. Die Kriegführung erkannte schon manche Pi der Schonung, Beschränkung und Respectirung an, als die Koryph der Völkerrechtswissenschaft, Groot und Pufendorf, noch lehrten, rechtlich keine solche Pflicht bestehe, ihre Uebung nur auf freier M und Menschlichkeit beruhe und nach dem Kriegsrecht jede, auch ganz willkürliche und unnöthige Gewalt gegen das feindliche Land seine Bewohner gestattet sei. Dann aber ist, wenn auch langsam zögernd, die Völkerrechtswissenschaft unter dem Vorgange und dem G flusse Vattel'822) nachgefolgt und hat die von der Praxis bereits g machten Fortschritte sich zu eigen gemacht und weiter begründet und ve arbeitet. Jezt erkennt auch sie ein beschränkendes Kriegsrecht an u arbeitet, vielfach der Praxis voranstrebend, lebhaft an dessen Festigun Vervollkommnung und Humanisirung. Sie hat schon jezt große & ! folge aufzuweisen und wird deren, wenn sie sich vor doctrinären Uebe treibungen sowie zu weit gehenden Anforderungen hütet und dem Krieg das Seinige giebt, noch weitere zu verzeichnen haben. Es ist zu hone und im Interesse der weiteren Entwickelung des Kriegsrechts dringe

« PreviousContinue »