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8) S. darüber im weiteren Verlauf der Darstellung.

9) Denn zu billigen und wirklich ausführbaren Beschränkungen hat die Kriegs, leitung sich durchaus geneigt gezeigt und dadurch die Möglichkeit der bereits er reichten Erfolge herbeigeführt. Das ist schon dadurch bewiesen, daß früher die Heerführung in der rechtlichen Ordnung und Milderung des Krieges der Theorie und Völkerrechtswissenschaft vorangegangen ist und gebessert hat, während jene noch den Standpunct absoluter Unbeschränktheit der Gewalt im Kriege festhielten und rechtliche Schranken leugneten (vgl. § 68). Ebenso haben die Kriegsleitungen die vom Völkerrecht präcisirten einschränkenden Säße, soweit sie ausführbar waren, im Allgemeinen willig acceptirt; und es ist ja überhaupt nicht anzunehmen, daß die Militärs von vornherein gegen eine verständige Ordnung und gegen Milderung der Kriegsleiden, die doch vor Allen ihnen selbst und ihren Streitkräften zu Gute kommt, gestimmt sein sollten. Lueder, Recht und Grenze der Humanität im Kriege, S. 9.

10) Hierüber handelt ausführlich Lueder, Recht und Grenze der Humanitāt im Kriege. Vgl. auch dessen Genfer Convention, S. VI. und 295 ff. und Neuester Codificationsversuch, S. 11 f.

11) Vgl. § 53.

13) v. Hartmann S. 138.

13) Vgl. Lueder, Recht und Grenze der Humanität, S. 22.

14) Lueder, Recht und Grenze der Humanität im Kriege, S. 23 ff.; vgl. v. Hartmann, S. 100.

15) Lueder, Genf. Conv., S. 295 und sonst und Recht und Grenze der Hu manität im Kriege, S. 22.

16) Lueder, Recht und Grenze der Humanität im Kriege. Das muß deshalb als eine ernste Mahnung von allen denjenigen beachtet werden, die, Einzelne. Vereine, Institute, Congresse, das edle Ziel verfolgen, wenn sie wirklich etwas er reichen und nicht vielmehr schaden wollen. Sich in den Grenzen des Erreichbaren haltend, können sie reichen Nugen stiften; innerhalb dieser Grenzen können auch die Schiedsgerichte etwas leisten für die Humanität durch Vermeidung einzelner Kriege.

17) Dies wird vielfach anerkannt. Vgl. u. A. Lieber in den Amerikanischen Kriegsartikeln 29: „The more rigorously wars are pursued, the better is it for humanity"; Lentner, Das Recht im Kriege, S. V.: „Eine rückhaltlose Durch führung des Krieges kommt auch der Humanität zu Gute". Graf Moltke (in dem Note 22 zu § 55 erwähnten Schreiben an den Verfasser): „Man mag es beklagen, aber es bleibt richtig, daß die Humänität im Kriege dem Kriege nachstehen muß und daß die energische Kriegführung zugleich die humanste ist." In Lueder's Recht und Grenze der Humanität hierüber S. 17 ff. In der Holzendorff'schen Be zeichnung des Standpunctes, den ich in der ganzen Humanisirungsfrage überhaupt einnehme (s. folgende Note) als des des „militärischen Realismus“ kann ich nach wie vor (Recht u. Grenze der Human. S. 19) nur die allergünstigste Kritik er kennen, die dem Beurtheiler dieser Fragen überhaupt zu Theil werden kann, und das ist nicht nur meine, sondern auch Anderer Ansicht, wie z. B. Rivier in der Revue de droit international XII. p. 554 die mir gegebene Bezeich. nung des réaliste für ein éloge erklärt. Die Bezeichnung trifft für den Standpunct, den ich hier bewußt einnehme, vollständig zu; und den militärischen Realismus bei diesen sehr militärischen und realen Dingen nicht anerkennen wollen,

das kann ich weder für vernünftig und logisch noch für praktisch halten. Eine Auflehnung gegen die militärische Realität kann und wird nie die geringste Aussicht auf irgend einen Erfolg haben, darüber hinaus aber nach dem im Text Vorgetragenen Erreichbares gefährden und schaden können. Ich habe die Genug. thuung, daß in der neuesten Zeit, nachdem man über den gut gemeinten, aber etwas blinden Eifer der ersten Hiße der Humanitätsbestrebungen mit allmählich ruhiger gewordenem Blute hinweggekommen ist, mein nun einmal, wenn auch mit manchen an sich edlen Hoffnungen und Humanitätsbestrebungen unvereinbarer, so doch absolut nothwendiger Standpunct mehr und mehr getheilt wird. In den maßgebenden militärischen und staatsmännischen Kreisen ist ohnedies wohl nie an die Möglichkeit der Annahme eines anderen Standpunctes jemals auch nur gedacht worden. S. außer den bereits Genannten Lieber, Amerik. Kriegsartikel, und Lentner von den neuesten Schriftstellern über diesen Punct Warega in der Deutschen Medicinischen Wochenschrift v. 2. October 1875; Schmidt. Ernst. hausen, Princip der Genf. Conv., S. 26; Bluntschli in der Gegenwart 1875, N. 66. 84; Oppenheim, Friedensglossen, S. 125; Dahn, Münch. Kritische Vierteljahrsschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, Bd. 14 S. 466. Vgl. auch Knies, Modernes Kriegswesen, S. 42. Dazu z. B. die ganze Haltung der Brüsseler Conferenzen (Lueder, Genf. Conv. 256) und zahlreiche andere Völkerrechtslehrer; Hartmann S. 17, 24, Rüstow S. 201, Blume, Clausewiz, Graf Moltke a. eben angef. Drte. Daß gerade entschiedene Vorkämpfer der Humanitätsbestrebungen meinen Standpunct theilen, ist besonders bemerkenswerth. 18) Selbst der vorstürmende Commandirende darf und wird durch die Rücksicht auf die den Boden bedeckenden Verwundeten nicht abgehalten werden, seine Cavallerie oder Artillerie-Massen über sie hinweggehen zu lassen, wenn er dadurch den richtigen Augenblick des Sturmes oder die Ausnüßung eines sonstigen wesent lichen Vortheils versäumen würde. Es müssen vielmehr auch in diesem Falle von den mit einander in Widerspruch stehenden Forderungen der Humanität und der Ariegführung die leßteren vorgehen. Vgl. meine Genfer Convention, S. 300. Diese Stelle ist von v. H. (Holzendorff) in der Münchener Kritischen Vierteljahrsschrift B. XVII. S. 303 mehr als scharf angegriffen und darauf von mir in Recht und Grenze der Humanität im Kriege S. 18 f. unter Zurückweisung des Angriffes vertheidigt worden. Ich stehe nach wiederholter Prüfung noch auf dem selben Standpuncte und halte den entgegengeseßten für einen ganz verfehlten und zugleich unfruchtbaren, vgl. vorige Note. Wie im Kriege überhaupt, so geht na mentlich auch in der einzelnen Schlacht (von allen Acten der Kriegführung am gewijjesten und nothwendigsten in der für die Erreichung des Kriegszweckes und Zieles besonders wichtigen Schlacht) der Kriegszweck der Humanität vor, s. selbst Philanthropen wie Naundorff, Unter dem Rothen Kreuz, 1867, S. 459.

§ 72.

Die Quellen der Humanisirung und Codificirung des Kriegsrechts überhaupt.

Literatur: S. Stück II. dieses Handb. und die dort angef. Literatur.

Wirkliche internationale Kriegsrechtscodificationen sind nur die rechtsverbindlich unter den Staaten (d. i. wenigstens einer größeren Mehr

heit der civilisirten Staaten) eingegangenen Vereinbarungen über das von ihnen im Kriege (in allen oder einzelnen Beziehungen) zu beobachtende Verfahren. Ganz streng genommen, würde allerdings eine bin dende Uebereinkunft aller civilisirten Staaten gefordert werden müssen; bei der eigenthümlichen Natur des Völkerrechts aber und dem Grade der Ausbildung, den es bis jezt erst erreicht hat, läßt sich sehr wohl von einem Völkergesehe und einer kriegsrechtlichen Codification auch dann sprechen, wenn nur eine überwiegende Mehrheit der civilisirten Staaten die Vereinbarung geschlossen hat, 1) während einer oder einige nicht beigetreten sind. Dies natürlich mit der Beschränkung, daß für die lezteren im concreten Falle die Vereinbarung nicht bindend ist. 2)

Dagegen kann dasjenige, was nur von zwei oder einigen wenigen Staaten, sei es für bestimmte Fälle, etwa in einem gegenwärtigen Kriege, sei es ein für alle Mal vereinbart ist, auf die Bedeutung und Gültig. feit eines Kriegsvölkergesehes keinen Anspruch machen. Es wird dadurch an sich kein positives Völker-Kriegsrecht geschaffen. Wohl aber können auch solche Vereinbarungen sowohl durch die innere Angemessenheit ihrer Bestimmungen, als auch durch die Uebereinstimmungen, namentlich die ganz ausnahmslosen Uebereinstimmungen, die sie enthalten, von großer Bedeutung für die Erkenntniß des gegenwärtigen Kriegsrechts, wie für die fernere Entwickelung desselben werden,3) wofür sie das schäzbarste Ma. terial sind.

Noch weniger können natürlich die einseitig von einem Staate für seine Organe der Kriegführung (für das von seinen Heerführern und Heeren im Felde zu beobachtende Verfahren) codificirten Vorschriften jenen Anspruch der Bedeutung eines für die Völker oder auch nur für das gegen. überstehende Volk gültigen Gesezes erheben. Aber auch sie sind nach Maßgabe ihrer inneren Tüchtigkeit und angemessenen Beachtung des bisher geltenden Kriegsrechts) beachtenswerthe Aeußerungen de lege lata und de lege ferenda.

Sind zwischen den Staaten zwar Berathungen gepflogen worden zum Zwecke der Herbeiführung einer Codification des Kriegsrechts, sei es des ganzen oder einzelner Theile desselben, und haben dieselben auch zu Ergebnissen und Einigungen geführt, fehlt es aber noch an der Ratifi cirung, an der verbindlichen Verpflichtung der Staaten und folglich noch am Vertragsabschluß, so haben wir es wiederum nicht mit posi tiven Kriegsvölkergeseßen, sondern in diesem Falle nur mit Entwürfen zu solchen zu thun (denen bezüglich ihrer Gültigkeit nnd Verbindlichkeit höchstens je nach den Umständen der Werth von Sponsionen zu kommt). Aber auch für sie gilt hinsichtlich der Bedeutung, die sie tro dem für Erkenntniß und Weiterbildung des Kriegsrechts haben, dasselbe, was im Vorhergehenden über die von einzelnen Staaten unter einander geschlossenen Abmachungen und über die einseitigen Anordnungen der Staaten für ihre Heere gesagt ist. 5)

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Handelt es sich vollends nur um nicht-officielle Entwürfe, d. h.

nicht um solche, die von amtlichen Vertretern der Staaten aufgestellt find, sondern nur um die Ergebnisse und Beschlüsse von nicht-amtlichen, also Privat-Congressen, Instituten 2c. und um die von solchen verlautbarten Vorschläge, Wünsche, Rechtsüberzeugungen; oder endlich gar nur um eben solche Meinungsäußerungen einzelner Vertreter der Wissenschaft u. s. w., so kann von einer Rechtsverbindlichkeit und einer zu befolgen. den Codification natürlich noch viel weniger die Rede sein. Gleichwohl kommt auch den beiden leztgenannten Arten der Codificationsbemühungen, wenn sie nach dem Gewichte ihrer Urheber und ihres Inhalts die erfor derliche Bedeutung beanspruchen können, eine hohe Beachtung und die Rolle einer wichtigen Mitarbeit an der Codification des Kriegsrechts zu. Dies gilt sowohl von den Beschlüssen besonders berufener und legitimirter Vereine und Gesellschaften, wie auch von den Forschungen ebenso zu bezeichnender Einzelner.) Beide können für die Codification nicht nur sehr einflußreich, sondern sogar zu wirklichen Gesezen und positivem Recht werden, indem ihre den bisher gewordenen Stand des Kriegsrechts und die Anschauungen und Wünsche de lege ferenda richtig fixirenden Aufstellungen die rechtsverbindliche Anerkennung der Staaten erlangen. Ganz unbeachtet und einflußlos werden sie, die Existenz der genannten Bedingung inneren Werthes vorausgesezt, nie bleiben und nie bleiben fönnen. Auch sie erscheinen demnach als eine Art von Codifications. versuchen und sind deshalb bei der Schilderung der im Flusse befindlichen Quellen und der ihnen entspringenden Codification nicht unerwähnt zu lassen, obgleich sie natürlich, so lange sie die officielle Anerkennung nicht gefunden, nur unverbindliche Meinungsäußerungen und schäzbares Material sind.

1) S. § 70, Note 14, und die dort angef. Stelle bei Bulmerincq, Praxis Theorie und Codification des Völkerrechts S. 170, 171; vgl. Schulze S. 27.

§ 70, Note 14. Die entgegenstehende Meinung Bluntschli's (Völkerrecht 110, 111), daß auch für die anderen die Vereinbarung bindend sei, läßt sich nicht vertheidigen, so auch F. v. Martens, Völkerr. I. S. 191.

5) Vgl. Bulmerincq S. 171, 175, 180, Martens, Völkerrecht I., 1883, 6. 190.

4) S. oben § 70 im Eingange.

5) Daß solche durch internationale Vereinbarung aufgestellte Entwürfe, die ja zwar noch kein verbindliches Recht darstellen, aber sozusagen auf dem Wege sind, es zu werden, schon gewissermaßen als solches betrachtet und praktisch befolgt zu werden pflegen, also quellenähnliche Beachtung seitens der Wissenschaft ver. dienen, dafür giebt die neueste Kriegsrechtsgeschichte ein Beispiel in der Erklärung Breußens und Frankreichs beim Ausbruch des lezten großen Krieges, die Zusaß. artikel zur Genfer Convention, also u. A. die noch ganz neue Anwendung dieses Gesezes auch auf die Marine (s. § 78, 79), obgleich dieselben nicht ratificirt waren, doch als bindend betrachten zu wollen (was dann allerdings wegen des zu weit gehenden Inhalts eines Theiles dieser Artikel nicht vollständig durchführbar ge. wesen ist). Auch von und gegen Staaten, welche die Genfer Convention noch nicht

anerkannt hatten, ist derselben im Kriege nachgelebt worden, obgleich namentlich diesen lezteren nicht die mindeste rechtliche Verpflichtung zur Befolgung dieses Völkergesezes oblag. Bekanntes Doppelbeispiel aus dem 1866er Preußisch-Desterreichischen Kriege: Der König Wilhelm von Preußen bestimmte, daß sein Heer die Genfer Convention trop mangelnder Reciprocität streng beobachten sollte, und auf Desterreichischer Seite wurde für den südwestlichen Theil des Kriegsschauplaßes infolge Anordnung des dort befehligenden Prinzen Alexander von Hessen dasselbe vorgeschrieben, obgleich die Oesterreichische Regierung der Genfer Convention gar nicht beigetreten und auch nicht auf den ihr bei Ausbruch des Krieges gemachten Vorschlag, sich noch zur Befolgung des Vertrages zu verpflichten, eingegangen war. nähere Darstellung dieser Vorgänge bei Lueder, Genfer Convention S. 140 ff. 6) Vgl. Bulmerincq S. 169, 170.

§ 73.

Uebersicht über die bisherigen Codificirungen und
Codificirungsversuche.

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Literatur: v. Bulmerincq, Praxis, Theorie und Codification des Völkerrechts, 3. Abschnitt. Bergbohm, Staatsverträge und Geseze als Quellen des Völkerrechts II. Fiore, Trattato I. ch. VII., III. ch. IV. — Lasson, Princip und Zukunft des Völkerrechts, S. 179 ff. S. auch v. Holzen. dorff in dies. Handb. I. S. 299 und Klüber § 292, Note a. (zu leßteren v. Holzendorff a. a. D. § 36, N. 1, u. Bergbohm a. a. D. S. 45, N. 1).

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In die erste Classe, d. i. nach Maßgabe des vorigen Paragraphen die der wirklichen, abgeschlossenen und rechtsverbindlicheu Codificationen gehören zur Zeit nur:

1. die Festsetungen des Pariser Congresses von 1856, wodurch das Beuterecht auch im Seekriege wenigstens beschränkt, das bis dahin schußlose Privatgut auf Schiffen in gewissen Grenzen geschüßt und die Kaperei abgeschafft wurde;

2. die Petersburger Convention von 1868, welche die Untersagung einer unnöthig grausamen Art der Kriegswaffen feststellte, und

3. die Genfer Convention von 1864 zur Verbesserung des Schicksals der verwundeten Soldaten der Heere im Felde. Von diesen scheidet die erstgenannte Vereinbarung hier aus, weil sie den Landkrieg nicht berührt und sich nur auf das Seekriegsrecht be zieht.1) Die zweite, die Petersburger Convention, hat nur zu der einen Bestimmung geführt, daß der Gebrauch von Sprenggeschossen („projectiles explosibles ou chargés de matières fulminantes ou inflammables") aus kleinem Kaliber, und zwar von weniger als 400 Gramm, unbedingt untersagt ist. 2) Das Verbot gilt für den Land, wie auch für See

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