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krieg. Die Vereinbarung ist abgeschlossen auf Anregung des Petersburger Cabinets afin d'examiner la convenance d'interdire l'usage de certains projectiles en temps de guerre entre les nations civilisées", vom 29. Novbr. (11. Debr.) in Petersburg, und zwar zwischen den folgenden Staaten: Belgien, Desterreich, Bayern, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Griechen. land, Italien, Holland, Persien, Portugal, Preußen und Norddeutschland, Rußland, Schweden und Norwegen, Schweiz, Türkei, Württemberg.3)

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Die Declaration schließt mit dem Vorbehalte: les parties contractantes ou accédantes, se réservent de s'entendre ultérieurement, toutes les fois qu'une proposition précise serait formulée en vue des perfectionnements à venir que la science pourrait apporter dans l'armement des troupes, afin de maintenir les principes qu'elles ont posés et de concilier les nécessités de la guerre avec les lois de l'humanité". Von demselben ist aber bis jezt kein Gebrauch gemacht worden.

Die dritte, die Genfer Convention, bedarf wegen ihrer großen, weitgreifenden Bedeutung und Wichtigkeit, die sie nicht nur in humanitärer Beziehung, sondern auch in ihrer Eigenschaft als erste wirklich zu Stande gekommene, von allen Mächten als rechtsverbindliches Völker. gesez anerkannte Codification größeren Umfanges besißt, einer eingehenden Besprechung in besonderen Paragraphen (SS 74 ff.). Im Einzelnen wird fie an der betreffenden Stelle des folgenden Stücks (28) als Grundlage dieser Stelle zu behandeln sein.

Von den einseitigen, Seitens eines Staates für seine Kriegsheere erlassenen Gesezen sind als die erstere derartige Codificirung die sogenannten Amerikanischen Kriegsartikel hervorragend und bekannt geworden. Sie sind als „Instruction for the Government of Armies of the United States in the field" im Jahre 1863, also gelegentlich des jüngsten Amerikanischen Bürgerkrieges Seitens der Regierung der Vereinigten Staaten für deren Truppen verkündet worden. Sie sind im Auftrage des Präsidenten Lincoln von dem bekanntlich aus Deutschland nach Amerika gewanderten Professor Lieber verfaßt worden, haben einer aus Militärs gebildeten Commission zur Begutachtung vorgelegen und sind dann von Lincoln als Instruction für das Heer publicirt. Sie enthalten in 10 Abtheilungen (Sectionen) und 157 Artikeln das gesammte Kriegsrecht, soweit es für die Kriegführung (die kriegführenden Truppen und ihre Führer) in Betracht kommt.4) Die Artikel sind als erste derartige neuere Kriegsrechtsaufzeichnung vielfach mit sehr günstigen Augen angesehen worden. Sie sind auch, schon weil sie eine solche geseßliche Firirung sind, freudig zu begrüßen und enthalten außerdem viel Rich. tiges und Angemessenes. Sie stehen aber nicht überall auf der Höhe, die zu erreichen gewesen wäre, und bleiben u. A. hinter früher geschlossenen Einzelverträgen in gewissen Beziehungen zurück.) In einigen Europäischen Ländern sind solche Instructionen für das eigene Heer ebenfalls erlassen worden. Einige, z. B. in Dänemark und Schweden, datiren schon aus älterer Zeit und sind heute nicht mehr brauchbar. ")

Andere enthalten nur Bestimmungen über einzelne Puncte, wie zwei Russische aus dem Jahre 1877, von denen die eine sich auf das Kriegsgefangenenrecht bezieht. 7) Dahin gehört auch die zu Anfang des Orien talischen Krieges im Auftrage der Russischen Regierung von Lueder verfaßte Instruction für das Russische Heer, welche eine kurze Erläuterung der Genfer Convention enthält.) Daran grenzen dann, allerdings auf ein anderes Gebiet hinüberführend, die immer allgemeiner gewordenen und mit immer größerer Fürsorge behandelten Sanitätsordnungen der verschiedenen Länder.

In einigen Staaten ist man mit Vorarbeiten zu solchen MilitärInstructionen beschäftigt, so in der Schweiz und Dänemark, 2) neuerdings auch in Italien.10)

Umfassende in Kraft getretene Instructionen aus der neuesten Zeit haben Frankreich, 11) Rußland (in Katechismus-, [Frage- und Antwort.] Form), die Niederlande 12) und Serbien, 13) endlich England. 14)

Die Classe der Entwürfe, die aus amtlichen internationalen Be rathungen und Beschlußfassungen hervorgegangen, aber bis zur Zeit nur Entwürfe geblieben sind, bilden

1. die im Jahre 1868 vereinbarten Zusazartikel zur Genfer Convention, welche außer einigen Abänderungen dieser Convention die Ausdehnung ihrer Bestimmungen auf den Seekrieg bezwecken; und

2. die das gesammte (Land.) Kriegsrecht umfassende und auf eine Codification desselben ausgehende Declaration der Brüsseler Conferenzen von 1874.

Beide verlangen, erstere wegen ihres Zusammenhanges mit der wich tigen Genfer Convention, die zweite wegen der ihr selbst innewohnenden Be deutung eine eingehendere Besprechung in besonderen Paragraphen (§§ 78 ff.).

Was endlich die von nichtamtlichen Vereinen und die von Einzelnen ausgehenden Ausarbeitungen anlangt, so ist in ersterer Be ziehung das nach sorgfältigen Vorarbeiten vom Institut de droit international aufgestellte Manuel des lois de la guerre zu nennen. Auch dieses Manuel ist wegen der Hervorragenden Bedeutung seines Ursprungs, seiner Urheber und seines Inhalts besonders (§ 81) zu besprechen. 15) Aus dem Kreise der einzelnen Völkerrechtsgelehrten, welche Codificationsent würfe veröffentlicht haben, ragt, namentlich für Deutschland, Bluntschli hervor, der 1866 kurz vor Ausbruch des Deutsch-österreichischen Krieges „Das moderne Kriegsrecht der civilisirten Staaten als Rechtsbuch dargestellt erscheinen ließ, 16) jezt ein Theil seines „Völkerrechts als Rechtsbuch". Bluntschli hat sich die Lieber'schen Kriegsartikel zum Vor bilde dienen lassen und dieselben, vielfach wörtlich, in sein Rechtsbuch" aufgenommen. 17) Die abgeschlossene Codification der Genfer Convention ist ebenfalls in die Darstellung aufgenommen, gleichermaßen später in den folgenden Auflagen die Brüsseler Declaration berücksichtigt worden. Das Werk umfaßt das gesammte Kriegsrecht, einschließlich des Rechts der

Neutralen. Es unterscheidet in seinen Aufstellungen nicht hinlänglich be stimmt zwischen wirklich positiven Rechtsfäßen und den, an sich vielleicht sehr humanen und billigenswerthen, Anschauungen des Verfassers de lege ferenda, so daß die lezteren häufig mit Unrecht als erstere vorgetragen worden. Auch spricht es durchgehends mehr die Sprache der Lehr-, als die der Rechts- und Gesezbücher. 18) Auch mag hier und da (in den späteren Auflagen) in Folge der inzwischen stattgehabten Kriege eine mehr nationale als internationale Anschauung sich geltend machen. 19) Gleichwohl verdient sein Inhalt die regste Beachtung.

Der schon vor Bluntschli, im Jahre 1851, erschienene >>Saggio di codificazione del diritto internationale» von Augusto Parodo ist trog vieler Mängel und Unzulänglichkeiten als erster derartiger Versuch nennenswerth, umfaßt aber das Kriegsrecht nicht mit und gehört deshalb nicht weiter hierher20) Dagegen ist hier zu nennen auch wegen seiner größeren inneren Bedeutung der ebenfalls schon vor Bluntschli's Rechtsbuch erschienene „Précis d'un code du droit international" von Alphonse de Domin-Petrushevecz.21) Dies in 236 Artikel (wovon 106-175 sich auf das Kriegsrecht beziehen), zerfallende Werk ist nach Form und Inhalt eine sehr beachtenswerthe Vorarbeit für eine wirkliche Codification. 22) Es beruht u. A. namentlich auf einer Prüfung der abgeschlossenen Einzelverträge zwischen zwei oder einigen Staaten, die sonst, wie bemerkt, noch so wenig ausgenugt sind, und Feststellung der in diesen Verträgen sich findenden Uebereinstimmungen und Gleichmäßigkeiten, sowie auf eben solcher Untersuchung der Schriftsteller und Dogmengeschichte.

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Nicht minder beachtenswerth find D. Dudley Field's Outlines of an international Code", 23) die sich nicht blos auf eine Fixirung des bereits feststehenden und anerkannten Kriegsrechts (ebenfalls unter guter Benutzung der abgeschlossenen Verträge) beschränken, sondern auch neue Vorschläge de lege ferenda machen und viel Gutes, theilweise Neues, aber auch Verfehltes enthalten und, obwohl sie bei ihrer eingehenden Behandlung der einzelnen Fragen eine reiche Fundgrube der Belehrung und Ausnutzung bilden, für einen Codificationsentwurf zu umfänglich und weitläufig sind.24)

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Endlich ist hier noch zu erwähnen Das Kriegsrecht, kurze, volks. thümliche Darstellung für Jedermann, zumal für den deutschen Soldaten", von F. Dahn, 25) welches, wie schon aus dem Titel hervorgeht, zwar nur eine kurze populäre Zusammenstellung, aber doch auch eine Art Coder und deshalb hier mitanzuführen ist. Die Aufgabe, welche der Verfasser sich gesezt hat, ist in lobenswerther Weise gelöst, das Werkchen für seinen Zweck recht brauchbar. 26)

1) S. über sie deshalb unten im Seekriegsrecht.

2) Von Preußischer Seite wurde der Versuch gemacht, das hier vereinbarte Verbot grausamer Kampfesmittel noch weiter auszudehnen. Die gute Absicht wurde aber durch den Widerstand Englands vereitelt, welches auch hier behauptete, daß die numerische Schwäche des Englischen Landheeres eine Verzichtleistung auf die neuen technischen Erfindungen, wie sie aus den Preußischen Vorschlägen her. vorgehen können, nicht erlaube.

3) Den Text der Vereinbarung (Déclaration échangée entre, à l'effet d'interdire l'usage de certains projectiles en temps de guerre f. im Annuaire de l'institut de droit international 1877, S. 306. Das Verbot ist übergegangen in die Brüsseler Declaration (Art. 13 e.), sowie in das Manuel des Völkerrechtsinstituts (9a.). Die zwischen zwei oder einigen Staaten abgeschlossenen Einzelvereinbarungen, Einzelverträge, welchen eine gleiche Bedeutung für das Kriegsrecht nicht zukommt und die deshalb nur nach Maßgabe des im vorigen Paragraphen über ihre Wichtigkeit Gesagten an den einzelnen Stellen berücksichtigt werden können, sind gesammelt in den vor Kap. I. angef. Recueils von Martens etc. Vgl. Bulmerincq, Praxis, Theorie u. s. w. G. 98 ff., S. 183, 184, sowie auch die weiter unten im Text dieses Paragraphen Angef. Auch für die Verträge einzelner Staaten sind solche Sammlungen veran staltet, in Sonderheit für Oesterreich, Frankreich, England, Rußland, Japan. Sie sind genannt bei F. v. Martens, Völkerrecht I. S. 190, 191, Note 6.

*) Die 10 Sectionen beruhen auf folgender Eintheilung: I. Martial law. Military jurisdiction. Military necessity. Retaliation. II. Public and pri vate property of the enemy. Protection of persons, and especially women; of religion, the arts, and sciences. Punishment of crimes against the inhabitants of hostile countries, III. Deserters. Prisoners of war. Hostages. Booty in the battle-field. IV. Partisans. Armed enemies not belonging to the hostile army. Scouts. Armed prowlers. War-rebels. V. Safe-conduct. Spies. War-traiters. Captured messengers. Abuse of the flag of truce. VI. Exchange of prisoners. Flags of truce. Flags of protection. VII. The Parole. VIII. Armistice. Capitulation. IX. Assassination. X. Insurrection. Civil-war. Rebellion. Vollständig abgedruckt sind die Artikel bei Bluntschli, Modernes Völkerrecht, S. 485 ff.

5) Vgl. Lueder, Genfer Conv., S. 37, 38.

6) Vgl. Moynier, Annuaire 1879/80, I. p. 314.

7) Vgl. Moynier, Annuaire 1879/80 I. p. 315. Das erstere ist ein Kaiserlicher Ukas vom 12./24. Mai 1877 in 12 Artikeln (veröffentl. im Bulletin des Lois unter Nr. 41, abgedr. im „Nord“ vom 30. Mai 1877), bezieht sich auf verschiedene Puncte des Land- und Seekriegsrechts und schreibt die Beachtung dieser Puncte für den ausgebrochenen Krieg gegen die Türkei vor. Insbesondere wird die Beobachtung der bereits bestehenden Kriegsvölkergeseße, der Pariser Declaration, der Genfer Convention, der Petersburger Declaration (Sprenggeschosse) vorgeschrieben, hinsichtlich der Genser Convention noch besonders bestimmt, daß, wenn die Türkei ein anderes Zeichen als das des Rothen Kreuzes einführen sollte, dies andere Zeichen ebenso zu respectiren sei. Außerdem wird vorgeschrieben, thunlichst im Geiste der Principien der Brüsseler Declaration zu handeln. Das zweite ist ein ausführliches Reglement vom 2/14. Juli über die Kriegsgefangenen für den Orientalischen Krieg in 62 Paragraphen. Es ist abgedruckt im Messager officiel. Es entspricht durchaus dem gegenwärtig aner kannten humanen Kriegsgefangenenrecht.

*) Die Genfer Convention mit kurzen Erläuterungen als Instruction für die Kaiserl. Russischen Truppen, bezüglich ihres Verhaltens den Verwundeten, dem Sanitätspersonal und den Sanitätsanstalten des feindlichen Heeres gegenüber ruffisch). Vgl. Monnier, Das Rothe Kreuz, 1883, S. 127.

Moynier, Annuaire 1879/80, I. p. 317.

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11) Manuel de droit international à l'usage des officiers de l'armée de terre. Ouvrage autorisé pour les écoles militaires. Paris, Dumaine, 1877, 136 pp. 12) Annuaire 1881/82, p. 151, 155.

13) Ratna Prawila, Lois de la guerre d'après le droit international, Belgrad 1877. Hierzu Annuaire 1882/83 p. 283 ff., wo auch das Serbische Central Comité des Rothen Kreuzes eine kurze Inhaltsübersicht über dieses Manuel giebt.

4) Sehr umfassend,. 1099 G., Bulletin Internat. 1884 p. 236.

1) Auch das Institut de droit international arbeitet ohne jeglichen amtlichen Auftrag und ist deshalb, soweit es nicht etwa um Gutachten von einer Regierung ersucht wird, nur in der Lage, den Regierungen spontane Vorschläge und blose Wünsche zu unterbreiten. Bei der Art seiner Zusammenseßung aber (es besteht aus höchstens fünfzig ordentlichen und einer Anzahl außerordentlicher Mitglieder, welche beide anders als bei anderen, freien Vereinigungen, denen mehr oder weniger Jeder beitreten kann, durch strenge und vorsichtige Wahl ihrer Pairs den ersten lebenden Bearbeitern des Völkerrechts in Europa und Amerika entnommen werden und folglich die ersten lebenden Autoritäten der Völkerrechtswissenschaft sind) und der darin liegenden Bürgschaft für die außerordentlich große wissenschaftliche Bedeutung, Gründlichkeit und Besonnenheit seiner Arbeiten sind die Ergebnisse der leßteren, namentlich bei dem jezigen Stande des Völkerrechts und seiner Codification, ein höchst werthvolles, nicht zu übersehendes Material. Durch seine Zusammenseßung wie durch die Art seiner Darstellung unterscheidet das Institut sich durchaus von sonstigen Vereinen und Versammlungen der Neuzeit, vollends von den Friedensligen, dem Internationalen Friedens. und Schiedsgerichts-Verein", der für ewigen Frieden, Abrüstung u. f. w. wirken will. Diese können nicht in den Kreis dieser wissenschaftlichen Betrachtung gezogen werden, wodurch natürlich gegen den guten Willen und die edle Absicht mancher Theilnehmer an jenen Congressen weiter nichts ge. jagt werden soll. S. darüber u. A. Laveleye, Causes actuelles des guerres en Europe, p. 183. S. auch v. Holzendorff in dies. Handb. S. 142 in der Note 4 und F. v. Martens, Völkerrecht I. S. 197. Es gehören hierher auch die parlamentarischen Abrüstungsanträge. Ueber die Arbeiten des Institut de droit intern. vgl. die Revue und das Annuaire de l'Inst. de droit intern. 16) Bluntschli beabsichtigte, eine Darstellung des gesammten heutigen Völler, nicht blos des Kriegsrechts herauszugeben, ließ aber angesichts der brohenden Kriegsgefahr zunächst das Kriegsrecht für sich erscheinen (s. die Vorrede). Später hat er seine Absicht bekanntlich in vollem Umfange ausgeführt und das bereits in dritter Auflage erschienene „Moderne Völkerrecht der civilisirten Staaten als Rechtsbuch dargestellt" erscheinen lassen, worin das Kriegsrecht im leßten Theile, bem VIII. u. IX. Buche, gegen die erste Veröffentlichung bedeutend erweitert, ent halten ist. In dieser Darstellung zerfällt das ganze eigentliche Kriegsrecht in folgende 10 Haupttheile: 1. Begriff des Krieges, Kriegsparteien, Kriegsursachen und Kriegserklärung. 2. Wirkungen des Kriegszustandes im Allgemeinen, Kriegsziel. 3. Kriegsrecht gegen den feindlichen Staat und in dem feindlichen Staats

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