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weder eine eigentliche Kriegserklärung, noch auch nur eine blose Verfündung irgend welcher Art. 36)

Danach entscheidet sich auch die Frage nach dem Eintritt der Consequenzen des stattgehabten Kriegsausbruches, die in vollem Umfange eintreten, auf welche Weise der Krieg auch ausgebrochen ist, also auch, wenn er one irgend welche vorhergegangene Erklärung eröffnet ist37) (vgl. oben § 82).

Beim Bürgerkrieg fällt die Erklärung so wie so seiner Natur nach fort, ohne daß dadurch auch hier an der Beurtheilung und Stellung der im Kampfe befindlichen Parteien etwas geändert würde.38) Das. selbe gilt vom Vertheidigungskriege in dem Sinne, daß von dem gegen einen bereits erfolgten Angriff die Waffen ergreifenden Staate irgend welche Erklärung nicht gefordert werden kann, auch wenn eine Verpflichtung dazu sonst angenommen wird.39) Natürlich kann sie geschehen, wenn der betreffende Theil sie für wünschenswerth hält.40)

1) Vgl. Klüber §§ 238, 239. Vattel § 62 will dagegen die Kriegserklärung an den Gegner dénonciation, die Verkündung an die Neutralen déclaration ge nannt wissen.

Die hiermit verbundene Kriegserklärung entspricht dem Begriff der clarigatio im neueren Sinne, worüber zu vgl. Feilitzsch, De indictione belli et clarigatione.

3) Vgl. Féraud. Giraud a. a. D. Dieses selbe Gefühl führte im Mittelalter sogar zur vorherigen Ankündigung der einzelnen Schlacht; vgl. Nys p. 110. 4) S. gleich weiter unten im folgenden Paragraphen.

5) v. Holzendorff § 62, namentlich S. 272 und die dort Angef., sowie

§ 60 . 261 ff. Vgl. auch Féraud - Giraud a. a. D. S. 22 f.

6) Belegstellen bei v. Holzendorff a. a. O.

7) Ebendas. § 52 S. 214; Geffcken in Laband's und Stoerck's Archiv für öffentl. Recht I. S. 164.

8) Landfriede von 1187; Goldene Bulle. Ebenso in Frankreich und Spanien. Auch schon zur Zeit Karls M.; Turpinus in Car. M. c. 17.

9) A. Gentilis a. a. D.

10) Vgl. Nys p. 106.

11) Es wird deshalb auch die rechtliche Nothwendigkeit der Kriegserklärung von der Mehrheit der älteren Schriftsteller behauptet, sei es unbedingt für alle Fälle, sei es wenigstens als ganz überwiegende Regel; s. schon Baldus, dann Gentilis.

12) Beispiele bei Nys p. 108.

18) Namentlich in Frankreich ausgebildet, Féraud Giraud p. 23, wie auch in Spanien. Der in dieser Einrichtung sich zeigende Anklang an die Römischen Fetialen ist bereits mehrfach bemerkt worden, so von Berner a. a. D. S. 105, Nys p. 109 und Calvo § 1651. Als die lezte Kriegserklärung in dieser Form pflegt die 1635 in Brüssel, wo der Cardinal-Infant sich aufhielt, von Frankreich an Spanien gerichtete citirt zu werden. S. den Hergang bei Nys p. 111

Aber noch 1657 wurde der Krieg in derselben Form von Schweden an DäneS. überhaupt Ward, Enquiry I. ch. 9, und

mark in Kopenhagen erklärt.

Twiss, Law of nations II. p. 60.

14) So von Cocceius.

15) Vgl. Bynkershoek, Feilißsch, Vattel, Mojer, Klüber, G. F. v. Martens, Vergé, Pinheiro Ferreira, Pradier Fodéré, Berner, heffter, Geffcken, Bluntschli, Calvo, Wheaton, Twiß, Phillimore, Holland i. d. Revue 1878, p. 177, Halleck, Rolin-Jaequemyns i. d. Revue 1870, p. 656, Brocher i. d. Revue 1872, p. 401, Féraud - Giraud, Nys, F. v. Martens, Fiore, Wildman, v. Holzendorff.

16) Beispiele bei Calvo § 1664 (von 1588 bis 1846) und Féraud. Giraud p. 28 f. (für dieselbe Zeit). Auch bei Feiligsch I. c. cap. 2 § 29 ff. und Cussy, Phases et causes célèbres du droit maritime des nations, I., p. 182, 362.

"So noch von Französischer Seite beim Ausbruch des 1870er Krieges (einige andere Beispiele bei Féraud. Giraud p. 33) und dann beim leßten Russisch-Türkischen Kriege, der durch eine dem Türkischen Geschäftsträger in Et. Petersburg übergebene Kriegserklärung, welcher dann ein Manifest des Kaisers von Rußland und ein Gegenmanifest des Sultans folgten, eröffnet wurde. Wenn man aber mit Recht jene neueste Französische Kriegserklärung als die Wiederaufnahme eines abgekommenen Brauches bezeichnet hat (Rolin - Jaequemyns i. d. Revue 1870, p. 656 unten), so zeigt das, wie vollständig die Kriegserklärung in der neuesten Zeit außer Anwendung gekommen ist.

18) So war die in voriger Note hervorgehobene Französische Kriegserklärung, welche in Gestalt einer Note durch einen Geschäftsträger dem Auswärtigen Amt in Berlin übergeben wurde, nichts weniger als feierlich. Aehnlich die dort ebenfalls erwähnte Russische. Vgl. F. v. Martens S. 488.

19) Proclamation des Königs von Preußen an die Französische Bevölkerung beim Beginn des lezten Deutsch Französischen Krieges.

20) So z. B. die von Genz redigirten Kriegsmanifeste aus der Zeit der Napoleonischen Kriege, das Preußische von 1806, die Desterreichischen von 1809 und 1813. Ueber den diesen Manifesten angemessenen Ton s. Note 31 a. E.

21) So wird in England neuerdings die Kriegseröffnung immer durch Königliche Broclamation in der „London Gazette" publicirt.

22) Dieses steht mit der bedingten oder eventuellen Kriegserklärung im Zusammenhange, die ebenfalls eine zulässige (Klüber, Berner) und praktisch geübte Form ist (z. B. Oesterreichisches Ultimatum an Sardinien im Jahre 1859). Sie unterscheidet sich von der einfachen, den Krieg unbedingt verkündigenden Kriegserklärung dadurch, daß sie für einen bestimmten Fall, das Eintreten oder Nichteintreten eines bestimmten Ereignisses geschieht. Das Ultimatum erklärt deshalb den Krieg, falls nicht eine bestimmte Handlung von der Gegenseite vor. genommen oder unterlassen wird, so daß der Krieg eröffnet sein soll in dem Augenblicke, in welchem die (positive oder negative) Handlung oder das Ereigniß eintritt. Demnach ist der Krieg eröffnet, sobald die Bedingung erfüllt wird, bezw. die Frist abgelaufen ist, die, wenn in diesem Falle auch kurz, naturgemäß gewährt werden muß. Natürlich dürfen Ultimatum und eventuelle Kriegserklärung nicht zu Täuschungen und Hinterhalten, noch gefährlichen Hinziehungen von der anderen Seite benugt werden (Bluntschli 523, 526), was aber wiederum unter andere Gesichtspuncte fällt. Eine bestimmte Form ist auch für das Ultimatum nicht vor

geschrieben; nur muß es natürlich in klarer und bestimmter Weise zur Kenntniß des betreffenden Staates, bezw. feines berechtigten Organes gebracht werden. Man spricht von einem Ultimatum auch dann, wenn zwar überhaupt noch keine Kriegserklärung, auch keine bedingte abgegeben, wohl aber bei vorhandenen Differenzen eine bestimmte kategorische Forderung zu deren Ausgleich gestellt und die Erklä rung oder sonstige Eröffnung des Krieges ausdrücklich oder implicite angedroht wird, falls die Forderung keine Erfüllung findet. In diesem Falle liegt eine eventuelle Kriegserklärung nicht vor, und ist der Krieg im Falle der Ablehnung nicht eröffnet. Er kann aber eröffnet werden, auch wenn auf die gestellte Forderung nicht schleunig und bestimmt geantwortet wird. Bestimmte Fristen sind auch hierfür nicht vorgeschrieben und können nicht wohl vorgeschrieben werden. Von einem Ultimatum kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn die Kriegserklärung unbedingt erfolgt und nur von einer Darlegung oder Auseinandersezung ihrer Gründe begleitet wird, obgleich Fiore dies zu meinen scheint, indem er die jüngste Kriegserklärung Frankreichs an Preußen ein Ultimatum nennt; wenigstens ist die Bezeichnung in solchen Fällen nicht üblich. Jene Französische Eröffnung war eine einfache, unbedingte Kriegserklärung und folglich kein Ultimatum. S. über Ultimatum und eventuelle Kriegserklärung noch Vattel § 53, Bluntschli § 523, Calvo § 1654, Féraud-Giraud i. d. Revue 17 p. 44 f.

23) Durch die Abberufung der Gesandten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen allein wird der Kriegsausbruch noch nicht herbeigeführt, vgl. Heffter, v. Bulmerincq a. a. D., Féraud - Giraud. Doch ist darin immer ein ernstes Moment zu erblicken, das vielfach der Kriegserklärung gleich geachtet wird (Calvo § 1655) und thatsächlich der unmittelbare Vorläufer des Krieges ist. Auch ist es wohl in Verträgen (so 1816 zwischen England und Portugal und in den von Brasilien 1826 mit Frankreich, 1827 mit England und Preußen. 1828 mit Dänemark abgeschlossenen Verträgen) als das Entscheidende und den Augenblick der Kriegseröffnung Bezeichnende vereinbart worden. Doch kann es andererseits umgekehrt gerade als ein Mittel und Versuch gebraucht werden, um den Krieg noch abzuwenden. Jedenfalls erfolgt die Abberufung der Gesandten und der Abbruch der diplomatischen Beziehungen, wenn es nicht schon früher ge schehen, der Natur der Sache entsprechend sogleich nach dem Kriegsausbruche. 24) S. Note 15.

25) Beispiele unter denen, auf die in Note 16 verwiesen ist. Namentlich von Seiten Englands ist diese leztere Praxis geübt worden. Dabei haben allerdings Heffter und Geffcken ganz Recht, wenn sie hervorheben, daß Einzelfälle, in denen von der Verkündung abgesehen sei, das Nichtbestehen der Verpflichtung zur letzteren nicht bewiesen. Denn sie können Uebertretungen der Verpflichtung sein. Aber die entgegenstehenden Fälle beweisen auch nichts für das Gegentheil Es müßte von denjenigen, welche das rechtliche Fortbestehen der Verpflichtung zur Verkündung behaupten, bewiesen werden, daß dies der Fall ist und folglich die ersterwähnten Einzelfälle dem positiven Recht widersprechen. Das ist aber nich: geschehen. Féraud- Giraud p. 33 hebt mit Befriedigung hervor, daß andererseits Frankreich die gute Sitte der Kriegserklärung besonders gewissenhaft geübt habe und belegt das mit Beispielen aus der Zeit von 1792 an. Aber gerade die Französische Geschichte bietet aus diesen wie aus anderen Zeiten mannigfache entgegengesezte Beispiele, aus neuester Zeit (1884) das Verfahren Frankreichs bei Fu-Tschen und auf Formosa. Vgl. die Schrift: Krieg ohne Kriegserklä rung, Wien 1885.

26) S. Moser, Beiträge I. 405 ff.

27) Vgl. Bluntschli 524, der aber den Erlaß eines solchen Manifestes empfiehlt, und die sonst in Note 38 Angef.

28) In diesem Falle würde natürlich anders zu entscheiden und die Verpflichtung anzuerkennen sein. Vgl. Klüber § 238.

29) S. Note 15, auch schon Cocceius. Jezt auch Gareis in seinem während des Drucks dieses 22. Bog. erschienenen Institutionen des Völkerrechts, S. 193 f. 30) v. Bulmerincq, Hautefeuille. Vgl. dazu von den Früheren Grotius und Pufendorf, Vattel und Barbeyrac. Gänzlich unhaltbar ist die wunderliche Behauptung Pinheiro-Ferreira's, daß zwar nicht der gerechte, wohl aber der ungerechte Krieg erklärt werden müsse. S. die Widerlegung bei Berner a. a. D. S. 106.

31) Wie v. Bulmerincq thut, wenn er S. 360 oben als positiv-rechtlichen Sag vorträgt: „Von Seiten eines die Führung eines Krieges gegen einen anderen Staat beabsichtigenden Staates bedarf es einer Kriegserklärung, deren Uebergabe durch eine in besonderer Mission dazu abgeordnete Persönlichkeit, gewöhnlich militärischen Ranges, geschieht. Diese Erklärung erfolgt motivirt und wird, nachdem sie dem gegnerischen Staate mitgetheilt worden, noch ausführlicher motivirt den anderen Staaten zur Selbstrechtfertigung zugesandt. Ein vor der Kriegserklärung oder vor dem Ablauf einer in einem Ultimatum bezeichneten Frist be gonnener Krieg ist formell nicht gerechtfertigt." Dies Alles mag de lege ferenda sehr beachtens, und wünschenswerth sein. Im positiven Recht begründet ist es nicht. Vgl. aber auch Vattel § 64 a. E. Daselbst § 65 die unserer Zeit allein angemessene Vorschrift anständiger und würdiger Haltung der Kriegs. manifeste, s. auch Heffter § 121. Für die Wohlanständigkeit des Tones der vorherigen Anzeige spricht schon Bynkershoek, obgleich kein Vertheidiger der Rechtsnothwendigkeit derselben, sich aus.

39) Note 15. Vgl. auch den folgenden Paragraphen.

33) So auch Bluntschli 522, N. 2.

34) Klüber, F. v. Martens.

35) Vgl. Féraud - Giraud p. 34.

56) A. M. allerdings die Meisten, s. 3. B. Berner, Heffter, Geffcken, v. Bulmerincq, Bluntschli, v. Holzendorff, G. F. v. Martens, Whea ton, Field, Phillimore, Twiß, Calvo, Fiore, Féraud - Giraud, Guelle. Vgl. darüber Note 21 des folgenden Paragraphen.

37) Also auch bezüglich aller kriegsrechtlichen Gewaltmaßregeln, namentlich auch in nothwendiger Consequenz der Occupation von Land und der Wegnahme von Sachen. Danach ist das von Fiore p. 58 Vorgetragene zu beurtheilen. Des Näheren ist darüber im Seekriegsrecht zu handeln, für welches man auch wohl besondere Bestimmungen verlangt hat (Brocher a. a. D. S. 401). Daselbst auch die weitere Literatur, s. aber Phillimore. Solche mit der ohne Erklä rung statthabenden Kriegseröffnung nichts weniger als nothwendig verbundene Unrechtlichkeiten, wie Geffen zu Heffter § 120, Note 7 S. 251 hervorhebt, fallen unter andere Gesichtspuncte, haben mit der Frage der Kriegseröffnung an sich und ihren Consequenzen nichts. zu thun und können daran nichts ändern. Dasjelbe ist von Vattel § 67 und Anderen zu sagen.

3) Geffden zu Heffter in der Note 7, D. Field 709, Fiore p. 62.

3) So auch Vattel § 57, Bluntschli § 524, Heffter a. a. D., G. F. v. Martens a. a. D. und Vergé zu Martens p. 215, Berner a. a. D. S. 106, Féraud - Giraud a. a. D. p. 39, Calvo 1663, Halleck p. 356.

4) Vgl. Bluntschli a. e. a. D. i. d. N., Vattel, Berner, Calvo a. e. a D.

§ 84.

II. Die Angemessenheit und Nüglichkeit einer ausdrücklichen Publication des Kriegsanfanges.

Eine andere Frage ist es, ob nicht irgend eine ausdrückliche Publication des Kriegsanfanges, sei es eine eigentliche Kriegserklärung, sei es wenigstens eine Kriegsverkündung in irgend einer Form wünschenswerth und de lega ferenda zu befürworten sei. Dies wird wenigstens bezüg lich der blosen Kriegsverkündung von den Meisten zum Theil sehr warm und entschieden behauptet.1)

Es läßt sich auch nicht verkennen, daß dafür beachtenswerthe Gründe vorgebracht werden können und vorgebracht worden sind. Indessen bei näherer Betrachtung kann man sich der Erkenntniß nicht vers schließen, daß das Gewicht dieser Gründe nicht nur oft überschätzt wird, sondern daß lettere häufig auch für den Werth einer Kriegsverkündung des halb nichts beweisen, weil wiederum das, was durch eine solche erreicht werden soll, in unserer Zeit im Wesentlichen auch ohne Kriegsverkündung erreicht wird.

Die Gründe beziehen sich theils auf die kriegführenden Staaten selbst, den angreifenden wie den angegriffenen, theils auf die Neutralen und die den kriegführenden Staaten angehörigen Privaten, 2) für welche vom Beginn des Krieges an gewisse Verbindlichkeiten bestehen und deshalb ein bestimmter Anfangstermin von Wichtigkeit ist, namentlich auch darauf, daß für die beim demnächstigen Friedensschluß zu entscheidenden Ansprüche ein eben solcher genau fixirter Termin seine Be deutung hat.

Was zunächst die kriegenden Staaten selbst und namentlich den durch die Kriegseröffnung angegriffenen Staat anbetrifft, so ist gejagt worden, daß Treue und Glauben, Sicherheit und Zuversicht unter den Völkern aufhören und Furcht und Isolirung eintreten würden, wenn es jeden Augenblick zu unerwartetem Kriegsausbruch kommen könnte.) Dies würde richtig sein, wenn die Kriegsausbrüche ohne vorhergehende Verkündigungen wirklich unerwartete Ueberfälle und Angriffe à l'improviste" wären.) In diesem Falle würde allerdings die vorhergehende Publication einen hohen und unbestreitbaren Werth haben, also dann, wenn es sich um die Hintanhaltung ganz unvermutheter plöglicher Ueberfälle handelt. Solche stellen nach bekannten allgemeinen Gründen eine schwere Ver legung des Völkerrechts dar, und die auf Grund eines solchen leber. falls vorgenommenen Wegnahmen 2c. würden mit Recht als Brigandage und Räubereien) bezeichnet werden müssen. Indessen solche ganz uner artete Ueberfälle oder Raubzüge stehen bei der hier vorliegenden Controverse überhaupt nicht in Frage, fie fallen unter ganz andere Gesichtspuncte, und es ist ein Mißverständniß, diese Gesichtspuncte in

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