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des jus belli (j. oben Kap. 3) anders zu beurtheilen wären, keine Com battanten sein würden, und sie hat demnach, obgleich es begreiflich ist, daß Einige die staatliche Autorisation nach wie vor für das allein Entscheidende und allein Nöthiges) halten, auch ohne staatliche Autorisation kämpfende Irreguläre als Combattanten behandelt, so in den jüngsten Kriegen Nordamerikas, der Schweiz, Italiens. Man wird auch zwar nicht von jedem Zusammenhange mit der staatlichen Autorität, wohl aber von einem ausdrücklichen und unmittelbaren Autorisationsausspruche absehen, und sich mit einem verantwortlichen Führer und Zulassung durch sonstige staatliche Organe begnügen dürfen, indem ein strenges Festhalten an der ersten Forderung die anzuerkennende Ver theidigung des gefährdeten Vaterlandes durch alle waffenfähigen, wenn auch nicht gerade im Heere dienenden Männer unter Umständen illusorisch machen würde, während die staatliche Autorität und die Vertretung des Staates (wie gleichzeitig die Beachtung des Kriegsrechts) gewahrt wird) durch den verantwortlichen, d. h. seinem Staate verantwortlichen Führer und die darin zugleich liegende militärische Organisation. Wenigstens ist die lettere, wenn sie auch nicht gerade eine vollständige Organisation zu sein braucht, 10) geeignet, die nöthige Ordnung und Disciplin und die selbstverständliche Beobachtung des Kriegsrechts sowie zugleich den Schutz gegen Uebergriffe zu gewährleisten, welche unorganisirte Schaaren auch im eigenen Lande und gegen die eigenen Landsleute zu begehen pflegen; ganz davon abgesehen, daß in der Forderung der Führerschaft, 11) welche naturgemäß von Officieren oder sonstigen Be amten übernommen werden wird, eine Ersehung der staatlichen Autori sation und eine stillschweigende Gewährung 12) derselben zu erblicken ist. Auch sprechen Gründe der Zweckmäßigkeit, die Erbitterung und Grausamkeit nicht zu erhöhen, dafür, im Zweifel lieber die Combattanten. stellung anzuerkennen, 13) wenn nicht andere Gründe, Sicherheit gegen Hinterhalte u. s. w. und ein im Kriege oft nöthiger Terrorismus 14) zum Gegentheil zwingen.

Deshalb ist neuerdings nicht nur von verschiedenen Schriftstellern und Autoritäten des Völkerrechts, 15) sondern auch von der Brüsseler Declaration das Gewicht auf die einer Führerschaft untergeordnete Dr ganisation, anstatt auf die ausdrückliche staatliche Autorisation gelegt worden. Die Brüsseler Erklärung und im Einklang mit ihr das Manuel des Völkerrechtsinstituts verlangt für die Anerkennung der außer der regulären Armee kämpfend auftretenden Personen als Combattanten nur 1. d'avoir à leur tête une personne responsable pour ses subordonnés; 16) und die also beschränkte Forderung ist nach dem Erlaß der Brüsseler Erklärung allgemein gebilligt, bezw. als bereits feststehendes Recht gelehrt worden. 17)

Es ist hiernach und namentlich nach den in Brüssel auch von Deutscher Seite abgegebenen Erklärungen zu erwarten, daß die mildere Auffassung auch in der Praxis zur allgemeinen Geltung kommen und aus

drückliche staatliche Bevollmächtigung nicht mehr gefordert werden wird, während sie im 1870/71er Kriege von Deutscher Seite noch gefordert wurde. Auch dies wäre vielleicht nicht geschehen, wenn die Deutsche Heerführung nicht durch andere Umstände (s. gleich weiter unten) dazu gezwungen worden wäre. Das Recht dazu bestand nach dem dermaligen Stande der Frage.

Von Deutscher Seite wurde in jenem Kriege auch eine specielle Autorisation jedes einzelnen Jrregulären verlangt, wozu ebenfalls besondere Umstände nöthigten. Gleichwohl ist dieses Verlangen vielfach als unberechtigt und völkerrechtlich nicht begründet bezeichnet worden, 18) und es ist in der That die Forderung eines solchen Nachweises specieller Autorisation von dem Einzelnen wenigstens dann nicht begründet, wenn die Kämpfenden aus zusammenhängenden Schaaren bestehen. Einzeln auftretenden Schüßen zc. gegenüber wird allerdings, um sie vor der Behandlung als unberechtigte Combattanten zu bewahren, kaum etwas Anderes übrig bleiben, als den Nachweis einer speciellen staatlichen Autorisation zu verlangen oder, wenn von der lezteren überhaupt abgesehen wird, den Nachweis der Zugehörigkeit zu einem organisirten Verbande.

1) In früherer Zeit als Landschreie, Landhude, auch Landwehre in diesem Sinne üblich (cri d'armes), bei den heutigen Verhältnissen und Ein. richtungen, namentlich der der stehenden Heere, natürlich von ganz anderer Bedeutung und sehr in den Hintergrund zurückgetreten. Schon Vattel a. a. D. § 227 interpretirt das „courir sus“ dahin, daß die Unterthanen dadurch ver. pflichtet werden, „à arrêter les personnes et les choses appartenantes à l'ennemi": nicht aber „à entreprendre aucune expédition offensive“.

2) Wenn aber in der kriegsrechtlichen Literatur häufig hervorgehoben wird, daß gegen Frauen die Kriegsgewalt nie angewandt werden dürfe, so ist das nur insoweit richtig, als bei ihnen eben vorausgesezt wird, und es ja auch die ganz überwiegende Regel ist, daß sie sich nicht an der activen Kriegführung betheiligen und deshalb die ungefährdetere Stellung des passiven Kriegsstandes und auch diese naturgemäß noch unter besonderer Schonung haben. Wenn aber Frauen sich als Combattanten am Kriege betheiligen sollten, so sind sie auch Subjecte und damit Objecte des activen Kriegsstandes, ebenso wie sie wie Andere Gewalt. maßregeln unterliegen, wenn sie, ohne Combattanten zu sein, die Pflichten des passiven Kriegsstandes durch ihrerseits geübte Gewalt verlegt haben. Und ver einzelt vorgekommen sind solche Betheiligungen der Frauen, auch im leßten Deutsch. Französischen Kriege, vgl. v. Hartmann a. a. D. S. 66 und den dort angef. Löhlein, Operationen des General von Werder, Carlsruhe 1874.

3) Vgl. Bluntschli Völkerrecht 570a. N. 1, und Jahrbuch S. 286, Fiore § 1307, Rolin Jaequemyns, F. v. Martens II. § 112, S. 497, Razenhofer, Die Staatswehr a. a. D.

1) S. unten § 94, Note 10.

5) v. Holzendorff § 60. Vgl. auch Bluntschli, Heffter, Geffcken, Lieber, Halleck a. a. O. und die Amerikanischen Kriegsartikel 81.

*) Vgl. Bluntschli im Jahrb. S. 286. Es ist durchaus irrig und weder dem progrès de la civilisation" und dem Geiste des modernen Völkerrechts noch

dem Kriegsbrauch entsprechend, wenn Calvo, wie er § 1753 thun zu wollen scheint, auch die auf eigene Faust für sich kriegerisch Agirenden den rechtmäßigen Combattanten beizählt. Ueber Marodeure und sonst aus eigennüßigen und derartigen Motiven auftretende Personen, die, sie mögen sich einzeln oder in Gruppen zeigen, so wenig Combattanten sind wie andererseits die alten Flibustier, Seeräuber und Briganti (Stück 27, § 61), s. weiter unten.

7) Auf Grund von Proclamationen, die außer von Napoleon und Fran. zösischen Generalen in Deutschland und Spanien namentlich von Wellington (1814 in Südfrankreich), aber auch von Schwarzenberg, Blücher und Russischen Heerführern erlassen worden sind.

8) So z. B. Guelle, Précis p. 71. S. aber dagegen gleich weiter unten im Text und die daselbst angegebenen Ausführungen von Rolin-Jaequemyns. 9) Vgl. die zutreffenden Bemerkungen Rolin-Jaequemyns' in der Revue 1870. S. auch Guelle, Précis p. 75.

10) Vgl. v. Neumann a. a. D.

11) Daß die Führer Officiere sein müssen, wird behauptet oder als selbstverständlich angenommen von Droop, Rolin-Jaequemyns, Revue 1871 p. 309, Bluntschli, Jahrbuch S. 289, v. Neumann, auch von denjenigen, die, wie v. Neumann hervorheben, daß es nicht gerade Officiere des stehenden Heeres zu sein brauchten. Der ursprüngliche Russische Entwurf, aus welchem die Brüsseler Erklärung hervorgegangen ist, hatte sogar gefordert, daß die Frregulären nicht nur einen verantwortlichen Führer an ihrer Spiße haben, sondern auch soumis au commandement général" sein müßten, woraus der Zusammen. hang mit der staatlichen Autorität und Autorisation wohl bestimmter hervor. geht. Die Aufnahme dieser letteren Bestimmung wurde aber aus praktischen Gründen nicht in die Erklärung aufgenommen, vgl. die darauf bezüglichen Ver handlungen der Brüsseler Conferenz in den Actes de la Conférence de Bruxelles p. 34.

12) Ueberhaupt nur stillschweigende Autorisation des Staates erklärt Wheaton, Elements of intern. law § 356, für genügend. Das wäre aber, wenn sonst nichts hinzukommen müßte, sehr bedenklich.

13) Bluntschli, Völkerrecht 570.

14) v. Hartmann a. a. D.

15) Geffden, Bluntschli, v. Holzendorff a. a. D.

16) Brüsseler Erkl. Art. 9, Manuel 2, 2a. S. dagegen die Amerika. nischen Kriegsartikel 81.

17) S. außer dem bereits erwähnten Manuel des Völkerrechtsinstituts u. A. v. Bulmering, Geffcken, Note 2 zum angef. Orte bei Heffter, Bluntschli Völkerrecht 570.

18) Vgl. Geffcken zu Heffter § 124a., Rolin-Jaeque myns in der Revue 1870 p. 664. Andere, so Heffter, vertreten dagegen die Meinung, daß der Einzelne sich durch schriftliche Ordre müsse ausweisen können.

§ 93.

Weitere Vorausseßungen für die Anerkennung der unregelmäßigen Combattanten.

Andererseits ist aber die staatliche Autorisation nicht genügend. Es muß einmal die eben besprochene Organisation hinzukommen, die also nicht blos als ein eventueller Ersaß für die staatliche Autorisation, sondern als ein positives Erforderniß, das auch neben der staatlichen Autorisation noch nöthig ist, aufgefaßt werden muß; sodann die äußere Erkennbarkeit als Combattanten, und Rolin-Jaequemyns1) hat in seinen kurzen, aber trefflichen Ausführungen schlagend nachgewiesen, daß die lezteren wichtiger sind als die ersteren. In der That haben die zwar nicht staatlich autorisirten, aber zum Schuß des heimischen Bodens sich zusammenschaarenden und organisirenden, erkennbar als Kämpfer auftretenden Bürger einen größeren Anspruch auf Anerkennung der Combattantenstellung als staatlich autorisirte, aber unorganisirte, nicht offen und unzweifelhaft als Kämpfer einzeln oder in kleinen Gruppen Auftretende.

Eine allgemeine durch nichts Weiteres geregelte staatliche Autorisation, daß Jeder zu den Waffen greifen möge, wie sie Frankreich 1870 verfügte, genügt also nicht. Sie würde auch den Grundsaß, daß nur die Staaten, nicht die Privaten einander als kämpfend gegenüberstehen, über den Haufen werfen und die Barbarei des Krieges Aller gegen Alle wieder einführen.2) Es muß vielmehr außer der besprochenen Organisation auch noch erkenn bares Auftreten als Kämpfer und offenes Führen der Waffen hinzukommen.

Der Gegner muß wissen, wer ihm als activer Feind gegenübersteht, und könnte ohne dies sogar unabsichtlich die Kriegsstandsrechte versagen. Aber er muß auch Sicherheit haben, die er bei den Regulären von selbst hat und die ihn gegen heimtückische Tödtung und dgl. schüßt. Kriegsrecht, Sitte und Nothwendigkeit verlangen offenes Auftreten als combattirender Feind.) Es muß deshalb das Tragen von Uniform oder doch erkennbarer Abzeichen und aus demselben Grunde offenes Führen der Waffen gefordert werden. Das zerlegbare Gewehr, welches die feindliche Pa= trouille aus dem Hinterhalte niederstreckt, aber in der Tasche verschwindet, wenn weitere Feinde herannahen, muß seinem Träger die Combattantenstellung ebenso nehmen wie das Feuern auf den eben noch friedlich begrüßten Soldaten von Seiten des harmlos erscheinenden Blousenträgers oder das plötzliche Verwenden der Sense als Waffe und überhaupt jedes kämpfende Auftreten scheinbar friedlicher Personen.

Zur deutlichen Kenntlichmachung ist nicht gerade Uniform nöthig. Denn das Tragen dieser beruht überhaupt nicht auf völkerrechtlichen Gründen, 4) und kein Staat ist völkerrechtlich verpflichtet, seine Soldaten Uniform tragen zu lassen, abgesehen davon, daß gerade in Zeiten der Noth, in denen sonst nicht dienende Elemente rasch und in großer Anzahl herangezogen werden müssen, es an Uniformausrüstungen fehlen

von ihnen die Combattantenstellung abhinge, an diesem Umstande die Ausnußung der zur Verfügung stehenden Vertheidigungsmittel scheitern würde, 5) was billiger Weise nicht verlangt werden kann. 6) Das Tragen von Uniform ist deshalb auch von Deutschland im lezten Kriege gegen Frankreich nicht gefordert worden. Um so entschiedener muß aber ein deutlich sichtbares, auch aus der Entfernung prima facie (Lieber) mindestens auf Flintenschußweite sicher erkennbares Erkennungs. zeichen verlangt werden, und zwar, um den in der Praxis vorgekommenen Mißbräuchen sowie dem im Kriege nothwendig zu üblen Consequenzen führenden Verdachte, daß es sich nicht um wirkliche Combattanten handle, vorzubeugen, ein einigermaßen stabiles, nicht zu leicht abnehmbares und verbergbares Erkennungszeichen.

Dies ist mit besonderer Entschiedenheit zu fordern, wenn die Frregulären vereinzelt oder in kleinen Schaaren kämpfen, 8) indem es sonst ganz unmöglich ist, den activen und passiven Feind von einander zu unterscheiden und das gegenüberstehende Heer sich in fortwährender Unsicherheit und Gefahr des Hinterhaltes befinden würde, die man ihm nicht auferlegen kann. Bei großen Massen und Erhebungen könnte man das Erkennungszeichen für weniger nöthig und für entbehrlich halten, weil sie sich schon durch die Masse hinlänglich kenntlich machten. 9) Allein die Bedenken und Gefahren, welche die deutliche Erkennbarkeit unter allen Umständen vorschreiben, bleiben in einem Grade bestehen, daß ein deutliches Unterscheidungszeichen auch in diesem Falle gefordert werden muß, ganz davon abgesehen, daß die auch beim Auftreten großer Mengen vorkommenden Fälle des Einzeldienstes in Patrouillen, Vorposten, Aufklärungen u. s. w. das Zeichen für Alle nöthig machen und daß es schwierig sein würde, die Grenze zwischen „großen“ und „kleinen" Schaaren zu bestimmen.10)

Deshalb hat auch die Brüsseler Conferenz und im Wesentlichen wieder ganz mit ihr übereinstimmend das Manuel des Völkerrechtsinstituts als Erforderniß für die Anerkennung der außer der regulären Armee kämpfend auftretenden Personen als Combattanten die ferneren Forderungen aufgestellt:

1. d'avoir un signe distinctif fixe et reconnaissable à distance; 2. de porter les armes ouvertement; 11)

und auch diese Forderungen sind sehr allgemein gebilligt, bezw. bereits als geltendes Recht vorgetragen worden. 12)

Wenn die Brüsseler Erklärung aber noch das fernere Erforderniß hinzufügt: „de se conformer, dans leurs opérations, aux lois et coutumes de la guerre" und auch diese Forderung von den meisten Schriftstellern wiederholt wird, so ist, was sie enthält, in der Sache ja allerdings ganz richtig. Denn wer das Kriegsrecht nicht respectirt, kann auch nicht verlangen, daß es gegen ihn beobachtet wird, sondern muß sich die Retorsion gefallen lassen. Es ist dies aber eine allgemeine und selbst. verständliche Forderung, die so gut für reguläre wie für irreguläre Truppen gilt und, wie schon an anderer Stelle bemerkt ist, nichts mit

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