Page images
PDF
EPUB

Regierung nicht für die oberwähnten Consequenzen verantwortlich zu machen sei.20)

6. Ueber Verlegung und Nichtbeachtung der Pflichten der Neutralität.

a) Die behauptete Verlegung neutralen Gebietes der Vereinigten Staaten gab Anlaß zu Reclamationen wider die Portugiesische Regierung im Case of privateer General Armstrong, über welche durch erbetenen Schiedsspruch des Präsidenten der Französischen Republik Louis Napoleon am 30. November 1852 entschieden wurde, daß die lettere Regierung der ersteren keinen Schadenersatz zu leisten habe. 21) b) Die Nichtbeachtung neutraler Pflichten durch Großbritannien im sog. Amerikanischen Secessionskriege veranlaßte auf Grund des Vertrages von Washington zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten vom 8. Mai 1871 22) einen Schiedsspruch vom 14. September 187223) über die sog. Alabama Claims, welcher dahin ausfiel, daß Großbritannien den Vereinigten Staaten von Nordamerika zur Genügeleistung aller der Erwägung des Schiedsgerichts vorgelegten Ansprüche 15,500,000 Dollars in Gold zu zahlen schuldig sei.

7. Ueber Folgen einer nicht notificirten Blocade.

Die von Frankreich 1834 und 1835 ergriffenen Maßregeln an der Küste Portendic (Senegal), in dessen Kriege gegen die Trarzas-Mauren, riefen zahlreiche Reclamationen Englischer Kaufleute hervor, welche dort Handel trieben. Nach langen vergeblichen Verhandlungen beschlossen Frankreich und Großbritannien die Sache dem König von Preußen zur Entscheidung zu übergeben, welcher mittels Schiedsspruches vom 30. No. vember 1843 Frankreich verpflichtete, einen Schadensersatz zu leisten den Englischen Kaufleuten für die Nachtheile, welche sie in Folge dessen erlitten hatten, daß dieser Staat die von ihm verhängte Blocade nicht der Englischen Regierung notificirt hatte. Die Entschädigung betrug 41,770 Fr. (Calvo II., 550).

8. Ueber Interpretation eines internationalen Vertrages.

Eine schiedsrichterliche Interpretation des ersten Artikels des zwi. schen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika in Gent am 24. December 1814 abgeschlossenen Vertrages 24) erfolgte in Gemäßheit der zwischen beiden Staaten abgeschlossenen Convention vom 20. October 1818 durch Schiedsspruch des Kaisers von Rußland, zu dessen Execution eine Convention von denselben Staaten am 12. Juli, 30. Juni 1822 abgeschlossen wurde.25) Auch wurde am 2. Juli 1881 zur Interpretation des zwischen Großbritannien und Nicaragua am 28. Jan. 1860 abgeschlossenen Vertrages vom Desterreichischen Kaiser Franz Joseph ein Schiedsspruch gefällt. 26)

9. Ueber Rechtsverhältnisse zwischen einer halbsouveränen Macht und einer Compagnie.

In Streitigkeiten zwischen dem Vicekönig von Egypten und der Suezcanal-Compagnie entschied verschiedene Fragen schiedsrichterlich Kaiser Napoleon III. am 6. Juli 186427)

Es ergiebt sich aus diesen Fällen, daß die Art der Schiedsspruchsfälle eine sehr verschiedene war und daß sie sämmtlich entschieden wurden. Eine Entscheidung in Sachen Pelletier und Lazarus wider Haiti lag uns nicht vor.

Auch durch Schiedssprüche werden wie durch die Entscheidungen der schiedsrichterlichen Commissionen Streitigkeiten beendet und kriegerische Feindseligkeiten verhütet. Die durch die Schiedssprüche zuerkannten Entschädigungen sind aber zum Theil von sehr beträchtlichem Betrage. Von den Staaten, welche sich dem bezüglichen Schiedsspruch unterwarfen, ist jedoch die Eventualität einer ihnen ungünstigen Entscheidung einer kriegerischen Verwickelung vorgezogen worden, und besonders haben auf Schiedssprüche wie auf schiedsrichterliche Commissionen Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika am häufigsten provocirt, trotzdem daß deren Entscheidungen meist gegen sie aussielen. So waren zwei der wichtigsten handeltreibenden Völker zur Vermeidung von Störungen der Handelsbeziehungen gerne bereit, der Erhaltung des Friedens beträchtliche Opfer darzubringen und leisteten dadurch keineswegs, wie oberflächlicherweise gemeinhin angenommen wird, nur sich einen Dienst, sondern erhielten. dadurch auch den Weltfrieden und den durch ihn bedingten Weltververkehr.

1) Leçon sur l'Institut de droit international donnée à l'université d'Edimbourg par Mr. le professeur Lorimer in der Rev. d. dr. intern. VI. 168. 2) Calvo II. 562.

[blocks in formation]

20) Annuaire de l'Institut de droit international, I. 353.

21) Kents Commentary on intern. law. Ed. Abdy. Cambridge 1866. p. 179. 22) M. N. R. G. XIX. 688.

23) M. N. R. G. XX. 767.

24) M. N. R. II. 76.

25) M. N. R. VI. I. 67.

26) M. N. R. G. II. Sér. X. 609.

27) M. N. R. G. XVIII 243.

§ 13.

Agitation zu Gunsten des Schiedsspruchs.

an

Wenn auch in unserem Jahrhundert häufig und zwar wiederholt für eine größere Zahl von Fällen entweder Schiedsgerichte oder schiedsrichterliche Commissionen in Anwendung getreten sind, so ist doch diese Wirksamkeit schon mit Rücksicht auf die große Zahl stattgehabter Staatsstreitigkeiten eine durchaus geringe. Es ist daher der Wunsch ganz wohl berechtigt, daß der Schiedsspruch immer häufiger gewandt werde, nicht blos im Interesse der Entscheidung von Staatsstreitigkeiten, sondern auch zur Verhütung der Rechtsunsicherheit im internationalen Rechtsverkehr und einer gewaltsamen Lösung staatlicher Streitfragen. Es sind daher auch die Agitationen zu Gunsten des Schiedsspruchs, insofern als sie in weitesten Kreisen das Bewußtsein von der Nothwendigkeit häufigerer Anwendung dieses Rechtsmittels wecken und dadurch bestimmend auf die bezüglichen Actionen der Staats, regierungen wirken können, durchaus nicht zu mißachten, wenn auch den Agitatoren mehr Sachkenntniß zu wünschen wäre, dagegen weniger Phrase und unklare Ziele oder nicht erreichbare, wie das des ewigen Friedens unter den Völkern. Die Agitatoren selbst sollten aber vor allem die einzelnen Schiedsspruchsfälle genau studiren, um ihre Postulate aus der Praxis begründen zu können und sie zu ermäßigen oder auf das Erreichbare zu beschränken.

Die Agitation für den Schiedsspruch reicht bis in das zweite Jahr. zehnt unseres Jahrhunderts zurück. Sie beginnt mit der Entstehung der Friedensgesellschaften, welche 1816 in London, 1826 in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, 1830 in Genf, 1841 aber in Paris als Comité de la société de la morale chrétienne sich constituirten. Internationale Friedenscongresse beginnen 1842 in London und sehen sich fort 1848-51 in Brüssel, Paris, Frankfurt am Main und London. Die letzteren verlangten, daß das Princip des Schieds. spruchs von einem Völkercongreß proclamirt werde.1) Die Alliance universelle de l'ordre et de la civilisation in Paris faßte aber am 4. Juni 1872 den praktischeren Beschluß, die bezüglichen Docu mente zu sammeln und die Fälle populär darzustellen;2) ob er aber je ausgeführt worden, steht dahin. Ferner erkannte die im September

1873 in Genf versammelte Friedens- und Freiheitsliga als das zeit weilig wirksamste Mittel zur Einführung des Gebrauchs des Schieds. spruchs den Abschluß von Verträgen zur Vermittelung zwischen zweien oder mehreren Staaten.) Indeß heißt das doch den entscheidenden Schiedsspruch für unanwendbar erklären und der nicht erzwingbaren Folgeleistung einer Vermittelung den Vorzug geben. Dagegen erklärte die in demselben Jahre in Brüssel abgehaltene internationale Conferenz die Völker für verpflichtet zur Anwendung des Schiedsspruchs auf durch Unterhandlung nicht beizulegende Streitigkeiten. Auch wurden Reisen in verschiedene Länder zur Agitation für den Schiedsspruch unternommen von Elihu Burrit, Miles und Henry Richard. Endlich hat sich in neuester Zeit, wesentlich aus Engländern bestehend, eine „Association Internationale de l'Arbitrage et de la Paix" gebildet, welche an verschiedenen Orten allgemeine Versammlungen halten, Agenten, Delegirte oder Correspondenten der Föderation in verschiedenen Hauptstädten Europas unterhalten, einen internationalen Fonds schaffen und alle Gesellschaften, welche gleiche Zwecke verfolgen, vereinigen soll.

Daß diese Bestrebungen auf die Staatsregierungen einen bestimmen. den Einfluß geübt hätten, wird wohl nicht behauptet werden können, indeß sind diese solchen Bemühungen auch nicht gerade leicht zugänglich, da sie vielfach der Politik der freien Hand den Vorzug geben, anstatt ihre äußeren Beziehungen nach Rechtsprincipien zu regeln und ihre Streitigkeiten Rechtsentscheidungen zu unterwerfen. Andererseits läßt sich aber nicht leugnen, daß die Abneigung der Völker gegen gewalt. thätige Lösungen immer mehr wächst und daß daher auch von den Regierungen wie zur Zeit lange hin und her verhandelt wird, ehe zur ultima ratio zum Kriege vorgeschritten wird. Insbesondere sind es die complicirten Handels-, Verkehrs- und industriellen Interessen, welche die Friedenserhaltung begünstigen, um nicht durch einen Krieg die Wohlfahrt der streitenden, aber auch der nichtstreitenden Völker zu gefährden. Von diesem Standpunkt und nicht von dem der Utopie einer Völkerverbrüderung aus wird dann wohl auch am wirksamsten einer häufigeren Anwendung des Schiedsspruches zur friedlichen Entscheidung von Staats. streitigkeiten der Weg gebahnt werden können. Jene materiellen Gründe waren es auch wesentlich, welche für Handel und Industrie so wichtige und diese als Motoren der Volkswohlfahrt so richtig schäßende Staaten wie Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika dazu veranlaßt haben, am allerhäufigsten und bereitwilligsten die Streitig. keiten unter einander und mit anderen Staaten dem Schiedsspruch zu unterwerfen. Zwar hat man diesen Staaten Krämerpolitik vorgeworfen, indeß dabei übersehen, daß es die erste Aufgabe der Staaten ist, die Wohlfahrt ihrer Völker zu begründen, erhalten und befördern, wozu Kriege, tro Milliardenentschädigungen, erfahrungsmäßig keine zweck mäßigen Mittel sind. Staaten aber, welche ein gewisses Primat unter den Staaten erstreben oder eine nimmer rastende Interventionspolitik

treiben oder ihr Staatsgebiet immer mehr erweitern wollen, scheuen auch nicht, wenn sich ihren Tendenzen ein Widerstand entgegenseßt, vor dem Kriege als Mittel für ihre Zwecke zurück und sind aus politischem Hochmuth nicht geneigt, sich einem Schiedsspruch zu unterwerfen, stürzen sich vielmehr unbedenklich in einen in feiner Weise durch die Wohlfahrt ihres Volkes bedingten Krieg, durch Blut und Gut desselben zu erringende Triumphe über andere Völker einer inneren friedlichen Entwickelung des eigenen Volkes vorziehend. Daß solcher politischer Uebermuth wiederholt zu schmählichen Niederlagen geführt habe, wie es die Geschichte auch unseres Jahrhunderts lehrt, ist nur gar zu bald vergessen, vielmehr glaubt durch umfassendere Kriegsrüstungen der friedensstörende Staat alle von ihm erlittenen Niederlagen wieder wett machen zu können. Aber wie manches Volk ist schon mit erträumtem Kriegsruhm ausgezogen und mit Niederlagen heimgekehrt oder auf dem eigenen Boden nach. drücklichst gedemüthigt worden. Auch von solchen Völkern gilt das:

Quem Deus perdere vult eum dementat.

1) Laveleye 182 ff.

*) Verhandlungen der Alliance. Paris 1872. I. 8 4.
3) Rev. d. dr. intern. V. 632 ff.

§ 14.

Beschlüsse der Legislativen im Interesse
des Schiedsspruches.

Von größerer Bedeutung als die Agitationen von freien Vereinigungen zu Gunsten der Verbreitung des Schiedsspruches müßten die Beschlüsse vom Volk gewählter Vertreter sein. Ist auch Legislativen in Monarchien keine directe Bestimmung über Kriegserklärung und Friedensschluß im Allgemeinen, sondern nur indirect durch Bewilligung der Mittel zum Kriege und Uebernahme etwaiger Staatsverpflichtungen beim Friedensschluß verfassungsmäßig eingeräumt worden, so sollte doch die Stimme der Volksvertreter von den Regierungen mehr beachtet werden, wenn sie sich zu Gunsten eines friedenerhaltenden und Kriege vermeidenden Mittels wie des Schiedsspruches ausspricht, da doch das Volk, besonders bei eingeführter allgemeiner Wehrpflicht, sein Leben einzuseßen und der steuer und sonst im Kriege Leistungspflichtige sein Gut zur Kriegsausrüstung und Führung herzugeben hat.

Anträge zu Gunsten des internationalen Schiedsspruchs wurden in einer Legislative eines der Vereinigten Staaten (in Massachusetts) im Jahre 1835, im Repräsentantenhause des Congresses dieser Staaten 1837

« PreviousContinue »