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und 1838 und im Senat desselben 1851 und 1853 gestellt, welcher eine Resolution annahm, daß der Präsident aufzufordern sei, in einen von den Vereinigten Staaten abzuschließenden Vertrag einen Artikel aufzunehmen, welcher die contrahirenden Staaten für unter ihnen entstehende Differenzen zum Schiedsspruch verpflichte. Auch die Legislativen anderer einzelner Staaten der Vereinigten Staaten traten für den Schiedsspruch ein, ebenso stellte im Senat des Congresses der Senator Sumner den Antrag zur Einführung des Schiedsspruches für internationale Differenzen als „a substitute for war in reality as in name.“ Der erste ähnliche Versuch im Unterhause Englands mißlang, indem der im Jahre 1849 von Cobden gestellte Antrag, ein Gesuch an die Königin zu richten, die anderen Staaten zum Abschluß von Verträgen aufzufordern, welche die contrahirenden Theile verpflichten, durch güt lichen Vergleich nicht beizulegende Differenzen schiedsrichterlich entscheiden zu lassen, mit 176 gegen 79 Stimmen verworfen wurde.) Dagegen wurde in demselben Hause der am 9. Juli 1873 von dem bekannten Agitator für den Schiedsspruch, Henry Richard, gestellte Antrag, welcher eine weiter reichende allgemeinere Maßregel befürwortete, indem die Königin ersucht werden sollte, mit anderen Staaten in Verbindung zu treten „to further improvement of international law and the establishment of a general and permanent system of international arbitration" mit 98 gegen 88 Stimmen angenommen. Dieser Wunsch einer allgemeinen Anwendung des Schiedsspruchs war zwar vollkommen begründet, indem ja Verträge zwischen einzelnen Staaten, die aus einem geschlossenen Vertrage entstehenden Differenzen oder überhaupt Differenzen zwischen einzelnen Staaten schiedsrichterlich zu schlichten, hinter jenem allgemeine. ren Petitum zurückblieben, indeß ist auch lezteres wahrscheinlicherweise nicht sobald zu erreichen, da dazu selbst nur die Europäischen Staaten schwer zu bestimmen sein würden. Es scheint daher geeigneter, mit Ver trägen zwischen einzelnen Staaten zu beginnen und die Wirkung dieses Beispieles auf andere Staaten abzuwarten. Noch allgemeiner als Richard's Antrag war aber die Antwort der Königin, welche die philantropischen Motive der Adresse anerkannte und erklärte, daß sie auch in Zukunft durch Rath und Beispiel für den Schiedsspruch wirken werde.2) Im Hinblick auf die wiederholte Unterwerfung Englands unter den Schiedsspruch in seinen Streitigkeiten konnte dessen Königin allerdings mit Recht so sprechen, aber dadurch war freilich der Hauptzweck des Antrags: die Errichtung eines generellen und permanenten Systems des Schiedsspruches in keiner Weise berücksichtigt, indem dazu auch andere Staaten mitzuwirken hatten. Mancini's Antrag an die Italienische Deputirtenkammer, daß sie den Wunsch ausdrücke, daß die K. Regierung in ihren auswärtigen Beziehungen dahin strebe, daß der Schiedsspruch ein übliches und häufiges Mittel werde in den Materien, welche dem selben unterworfen werden könnten, in Gemäßheit des Rechts die internationalen Controversen zu entscheiden, und daß, sobald sich die

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Gelegenheit dazu biete, in die Verträge eine Clausel eingeführt werde, wonach Schwierigkeiten bei ihrer Interpretation und Ausführung Schieds. richtern anheimgegeben würden, wurde einstimmig angenommen. Auch trat der Minister des Auswärtigen dem Antrage bei, acceptirte aber die Vertragsclausel nur mit einer gewissen Reserve.") Der Antrag beschränkt sich zwar zunächst auf die häufigere Anwendung des Schiedsspruches durch Italien, aber es bedingt dieselbe auch dann schon die häufigere Anwendung durch andere Staaten. Sodann ist der Schiedsspruch nicht für alle Materien gefordert. Von größter Bedeutung ist aber, daß die Entscheidung in Gemäßheit des Rechts gefordert werde. Sehr richtig sagt Lucas) Il faut que l'arbitrage soit soumis à son tour à la loi du juste et qu'il ne puisse en transgresser les principes fondamentaux." Endlich wird durch die vorgeschlagene Vertragsclausel eine unmittelbar zur praktischen Durchführung führende Maßregel gefordert, und hat der Antragsteller als Minister des Auswärtigen sie anzuwenden sich redlich bemüht, wenn er auch nicht immer seitens der mitcontrahirenden Staaten Entgegenkommen gefunden hat. Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, daß schon in einem Vertrage des vorigen Jahrhunderts zwischen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Tunis vom August 17975) die Nothwendigkeit der Ver meidung von Gewaltthätigkeiten vorgesehen wird durch eine, freilich nicht schiedsrichterliche, aber doch andere friedliche Maßnahmen festseßende Vertragsclausel, indem der Art. 23 jenes Vertrages besagt: „Falls irgend eine Differenz oder Streit betreffend die Verlegung irgend eines Artikels dieses Vertrages statthaben sollte, so sollen Friede und gute Harmonie nicht unterbrochen werden, bis eine freundschaftliche Application gemacht ist zur Genugthuung, und erst wenn diese Application verworfen wird, soll zu den Waffen gegriffen werden." Beispielsweise vereinbarten aber schiedsrichterliche Entscheidung bei Streitigkeiten aus Verträgen Großbritannien und Italien mittelst Protokolls zum Handels- und Schifffahrtsvertrage vom 15. Juni 1883 (M. II. Sér. X. 561).

Dagegen ist einem gleichen Verlangen des Italienischen Bevollmächtigten (s. Schlußprotokoll zum Handels- und Schifffahrtsvertrage zwischen dem Deutschen Reich und Italien vom 4. Mai 1883 (Arch. dipl. XXII. und XXIII. 269) Deutscherseits nicht Folge gegeben worden. In Verträgen mit Siam von Schweden vom 18. Mai 1868 (Svenske For fattnings Samling 1869 No. 74) Art. 25 und von Desterreich vom 17. Mai 1869 Art. 26 war schon allgemeiner vereinbart, daß wenn eine Frage oder Controverse zwischen den contrahirenden Theilen entstehen sollte, welche nicht durch freundschaftliche diplomatische Intervention oder Correspondenz beigelegt wird, die Frage oder Controverse dem Schiedsspruch einer nach Uebereinkunft gewählten neutralen Macht überwiesen und der Schiedsspruch durch die contrahirenden Parteien als endgiltige Entscheidung angenommen werden solle.

§ 15.

Aussprüche von Staatshäuptern und Anregungen von Staaten zu Gunsten des Schiedsspruches.

Es anerkannte schon Alexander I., Kaiser von Rußland, die Möglichkeit eines Uebereinkommens aller Staatsoberhäupter, alle Staatsstreitigkeiten dem Schiedsspruch zu unterwerfen, anstatt sie durch Waffen zu entscheiden.")

In

Der Präsident der Vereinigten Staaten that in seiner Botschaft vom 4. December 1882 den Ausspruch, daß die Zeiten nicht ferne seien, wo alle Conflicte zwischen Nationen ohne Hülfe der Waffen durch einen Schiedsspruch entschieden werden würden. solchem Anlaß und nach darüber zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Nordamerika geführten Unterhandlungen legte der Schweizerische Bundesrath am 24. Juli 1883 einen Entwurf zu einem Vertrage folgenden Inhaltes vor:

1. Die beiden Staaten verpflichten sich alle zwischen den Staaten entstehenden Anstände (difficultés) einem Schiedsgericht zu unterwerfen,

2. welches aus drei Personen bestehen soll, je einem Schiedsrichter von jedem Staat, welcher weder sein Staatsangehöriger noch Einwohner ist, und aus einem durch die Schiedsrichter selbst gewählten Obmann. Können jene sich hinsichtlich der zu wäh lenden Persönlichkeit nicht einigen, so wird der Obmann durch einen neutralen Staat ernannt, welcher von den Schiedsrichtern. oder durch das Loos designirt wird. Das durch den Obmaun zu versammelnde Schiedsgericht hat ein Compromiß abzufassen, welches den Gegenstand des Streites, die Bildung des Gerichtes und die Dauer der Vollmachten desselben festzustellen hat. Das Compromiß ist zu unterzeichnen durch die Vertreter der Parteien und die Schiedsrichter. Die Schiedsrichter stellen das Verfahren fest, bedienen sich zur Aufklärung über das Recht aller Informationen, welche sie für erforderlich erachten und welche die Parteien ihnen zur Disposition zu stellen sich verpflichten. Die Sentenz der Schiedsrichter wird den Parteien eröffnet und einen Monat nach Fällung rechtskräftig. Es verpflichtet sich jeder der contrahirenden Staaten die schiedsrichterliche Sentenz loyal zu beobachten und auszuführen. Der Vertrag soll auf 30 Jahre abgeschlossen werden und falls er nicht gekündigt worden, auf weitere 30 Jahre erstreckt werden. Die weiteren Schicksale dieses Entwurfs sind nicht bekannt geworden. Jedenfalls sind diese Anregungen von Staatshäuptern und Ver. handlungen von Staaten zur Verallgemeinerung und Sicherung der Wirksamkeit des Schiedsspruches sehr beachtenswerth.

1) Laveleye 182.

2) Rev. d. dr. intern. V. 471 u. 629.

3) Communicat. d. l'inst. d. dr. intern. II fasc. p. 6.

*) Bulletin de la société d. amis d. 1. paix. Paris 1873. 2 Sér. p. 2. 5) M. R. 2. VI. 405.

6) Rev. d. dr. internat. V. 477 note.

§ 16.

Vorschläge zu völkerrechtlichen Entscheidungsinstanzen.

Schon Hugo Grotius1) und Castel de St. Pierre2) erstrebten eine allgemeine völkerrechtliche Entscheidungsinstanz. Einzelfragen suchten Staaten-Congresse zu regeln.3) Louis Napoleon wollte im Jahre 1863 zu einem die wichtigsten Staatenfragen entscheidenden Congreß gelangen, indeß mißglückte der Versuch, wie auch aus den Antwortschreiben der dazu aufgeforderten Staaten zu entnehmen ist.*)

Lorimer brachte einen internationalen Congreß auf Grundlage des „principe de facto" in Vorschlag.") Er proponirt einen permanenten Congreß der Nationen oder ein internationales Parlament zur Herstellung einer internationalen legislativen und executiven Macht. Jeder anerkannte Staat soll auf demselben durch zwei Delegirte ver treten sein, welche beide den Versammlungen beiwohnen, von welchen aber nur einer sprechen und stimmen soll. Jeder Staat soll das Recht haben vorzuschlagen und zur Abstimmung zu bringen jede Frage der internationalen Politik, bei welcher er interessirt ist. Die Entscheidungen des Congresses sollten erforderlichen Falles durch ein von den verschiedenen Staaten gestelltes Truppen-Contingent in Ausführung gebracht werden. Außerdem sollte ein Gerichtshof constituirt werden, dem der Congreß alle Fragen überweisen würde, welche nach seinem Ermessen eine judiciäre Entscheidung erfordern oder zulassen würden. Richter dieses Gerichtshofes ernennt der Congreß.

Die

Lorimer's Congreßinstitution combinirt demnach politische und juristische Organisation, sowie Fragen und Entscheidungen beider Arten, wogegen Laveleye) lediglich einen Schiedsgerichtshof (haute cour arbitrale) in Vorschlag bringt zur Entscheidung von Staatsstreitigkeiten, freilich nur solcher Staaten, welche zuvor einen Völkerrechtscodex angenommen haben, womit die Errichtung jenes Gerichtshofes ad calendas graecas vertagt wird, wenn Laveleye auch gleichzeitig eine Conferenz von Delegirten: Juristen und Diplomaten verschiedener Staaten berufen wissen will zur Feststellung der noch bestrittenen Grundsäße des Völkerrechts. Der juridische Charakter des Gerichtshofes wird aber durch die Art der Organisation wieder in Frage gestellt, indem er nach

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dem Vorschlage aus diplomatischen Repräsentanten der beitretenden Staaten bestehen soll", welche nur in ihren Arbeiten durch juris consultes en droit international" unterstüßt werden sollen. Der Gerichtshof soll seine Sigungen nur zur Entscheidung eines speciellen Conflictes abhalten, welche troßdem Nichtjuristen übertragen ist.

Bluntschli) hat zwar dem von ihm proponirten Europäischen Staatenverein auch als vierte und legte Aufgabe die „internationale Rechtspflege" zugewiesen, indeß sind seine Ausführungen darüber dürftig. Zunächst constatirt er, daß, wenn die höchsten Interessen, die Existenz, Selbstständigkeit und Freiheit der Staaten bedroht erscheinen, sie einen Krieg der Unterwerfung unter einen schiedsrichterlichen Spruch vorziehen. Sodann spricht er aus, daß bei solchen Fragen nur die Gemeinschaft aller Europäischer Staaten, unter Mitwirkung einer Europäischen Volksvertretung, zu einer entscheidenden Autorität werden könne, welcher allein sich die streitenden Staaten zu fügen bereit sein werden. Indeß sind diese Säße keineswegs für alle Staaten zutreffend, wie die mehrfachen Provocirungen eines Schiedsspruchs und die häufige Unterwerfung unter denselben durch England und die Vereinigten Staaten zur Genüge beweisen. Nur für die sog. „kleinen Angelegenheiten der völkerrechtlichen Justiz" acceptirt Bluntschli internationale Tribunale, und für unbedenklich hält er es nur, in Verträge die sog. Schieds. gerichtsclausel aufzunehmen und die Art und den Proceßgang des schiedsrichterlichen Verfahrens zu ordnen.

Endlich ist einem einzurichtenden internationalen Gericht eine im Jahre 1883 in Moskau erschienene Schrift des Grafen Kamarowski gewidmet. Der Verfasser betont mit Recht den juridischen Charakter desselben, fordert dessen Unabhängigkeit, collegialische Einrichtung, zwei Instanzen und Oeffentlichkeit des Verfahrens, während die Mündlichkeit nur zu Erläuterungen zwischen den Staatenvertretern vor dem Gericht dienen soll. Nach der Natur der Streitsachen soll das Gericht in Departements eingetheilt werden. Die Organisation ist fol gende. Jeder selbständige Staat in Europa und Amerika hat zwei Richter zu ernennen. Das Gericht ist permanent, hält aber seine Sizungen nur nach Bedürfniß. Wenn Staaten sich an dasselbe wenden, sind sie verpflichtet den Entscheidungen Folge zu leisten, indeß nur, falls diese dem Völker und Proceßrecht gemäße waren. Der Competenz nach erstreckt sich das Gericht nur auf Europäische und Amerikanische Staatsstreitigkeiten, nicht auf solche mit anderen Welttheilen. Ausgeschlossen sind innere Angelegenheiten und juridisch nicht qualificirbare.

Das Gericht zerfällt in vier Departements. Dem ersten: dem diplo. matischen unterliegen Collisionen zwischen den verschiedenen diplomatischen Organen und die durch sie geübten Pflichtverletzungen in völkerrechtlicher Beziehung; das zweite: das Kriegs- und Seedepartement, wacht über die Beobachtung des geltenden Kriegsrechts und beurtheilt die Prisensachen und Neutralitätsverlegungen und die durch diese verursachten Ent

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