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muß seine Schiffe auf Contrebande durchsuchen lassen, er muß die nöthigen Vorkehrungen treffen, seine Neutralität nach beiden Seiten zu behaupten. Er unterwirft sich dem, weil er anerkennt, daß der Krieg seine Nothwendigkeiten hat und er selbst als Kriegführender Gleiches in Anspruch nehmen würde. Aber man darf diese Opfer und Pflichten nicht dahin steigern, daß der Neutrale die Arbeit thun soll, welche Sache der Kriegführenden ist; nicht fordern, daß er eine Aufgabe übernehme, welche die betreffenden Kriegsflotten zu erfüllen haben. Mit dem gleichen Recht wie das Verbot der Waffenausfuhr kann man auch fordern, daß er seine Handelsschiffe hindere, nach einem blokirten Hafen zu segeln, so daß dann der Kriegführende eigentlich kaum eine Blokade aufrecht zu halten brauchte, und überhaupt verlangen, daß die Unterthanen der Neutralen denselben Vorschriften unterworfen sein sollen, welche für die der Kriegführenden bestehen. Jeder Fortschritt in der Entwickelung des Kriegs-Völkerrechts hat die Richtung der festeren Begrenzung der Rechte der Kriegführenden eingehalten; es wäre ein vergebliches Bemühen, nun. mehr die Rechte der Kriegführenden in der angegebenen Weise ausdehnen zu wollen; Englands und Amerikas unbedingt sicherer Widerspruch ge. nügte allein, jeden Versuch dazu im Keime zu ersticken; es ist nicht einmal vom Deutschen Standpuncte politisch, solche Forderungen zu er heben, denn wer kann für die Zukunft verbürgen, daß nicht auch wir einmal dringend Waffen aus neutralen Ländern zu beziehen wünschen sollten? Die Forderung des Waffenausfuhrverbots Seitens neutraler Staaten, für welche außerdem von publicistischen Autoritäten nur Calvo,) ohne indeß die Frage selbst zu erörtern, eingetreten ist, ist daher ebenso aussichtslos und innerlich unhaltbar, als die Behauptung, die Ausfuhr sei nach bestehendem Völkerrecht eine Verlegung der Neutralität, aus der Luft gegriffen ist. Vollends verkehrt aber wäre es, die Erfüllung dieser unerfüllbaren Forderung, wie v. Kusserow will, zur Bedingung der Zustimmung zu anderen wahrhaft wichtigen Reformen des Völkerrechts, wie die Freiheit des Privateigenthums zur See, zu machen.

1) Die wichtigsten sind analysirt bei Lehmann, Die Zufuhr von Kriegs. contrebande-Waaren nach kriegführenden Ländern Seitens Neutraler, Kiel 1877.

2) Das Französische Gesez, betreffend „La fabrication et le commerce des armes de guerre“ vom 14. Juli 1860 besagt II., Nr. 9: „L'exportation des armes ou des pièces d'armes de guerre est libre, sous les conditions déterminées par la loi ou par les règlements d'administration publique. Néanmoins un décret impérial peut interdire cette exportation par une frontière, pour une destination et pour une durée déterminée. Des décrets désigneront les bureaux de douane par lesquels l'exportation peut s'opérer." Bei theilweisem Verbot der Ausfuhr sind „acquits à caution“ auszustellen, „déchargés à l'arrivée par les consuls".

3) If I have wrested my enemys sword from his hand, the bystander who furnishes him with a fresh weapon can have no pretence to be con

sidered as a Neutral in the contest" (Letters of Sulpicius p. 26). Dies trifft wieder die Sache nicht, sofern nicht der neutrale Staat dabei im Spiele ist, denn das Völkerrecht räumt ausdrücklich dem Kriegführenden das Recht ein, den be treffenden neutralen Unterthanen ad hoc als nicht neutral zu behandeln und ihm die Sache wegzunehmen.

*) Daß England in seiner Neutralitätsproclamation vom 15. Juli 1870 den Transport von Contrebande als „völkerrechtlich unstatthaft“ bezeichnet habe, wie Lehmann S. 51 sagt, ist ungenau; es ist nur bemerkt, daß derselbe der Wegnahme unterliege.

5) Der Deutsch-Französische Krieg und das Völkerrecht: Deutsche Blätter, 1872, G. 280.

6) Ebenda 277.

7) Examen des trois règles 1874. Projet, Art. 5, 3.

§ 153.

Kriegsdarlehen der Neutralen.

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Bei Weitem einfacher liegt die Sache mit Darlehen der Neutralen an Kriegführende. Auch hier versteht es sich von selbst, daß solche Seitens der neutralen Regierung ausgeschlossen sind. Die Unterscheidung, die Vattel macht (1. III., chap. 7, § 110): Tant qu'il paraît que cette nation prête son argent uniquement pour s'en procurer l'intérêt elle peut en disposer librement et selon sa prudence, sans que je sois en droit de me plaindre. Mais si le prêt se faisait manifestement pour mettre un ennemi en état de m'attaquer, ce serait concourir à me faire la guerre" ist unhaltbar. Jedes Darlehen, mag man dafür noch so hohe Zinsen bedingen, hilft einem Kriegführenden und schadet seinem Gegner. Die Unterthanen des neutralen Staates dagegen können ihr Geld gleichmäßig beiden Kriegführenden leihen. Das von Philli. more (III. p. 248) angeführte Urtheil eines Englischen Gerichtshofes von 1824 hielt es nur für unstatthaft, ohne besondere Erlaubniß der Regierung for persons residing in this country, to raise money by way of loan, for the purpose of supporting subjects of a foreign state in arms against a government in alliance with our own". Indeß die Kronjuristen, die damals in Uebereinstimmung mit diesem Urtheil anerkannten, daß subscriptions for the use and avowedly for the support of one of two belligerents by individual subjects of a government professing and maintaining neutrality, are inconsistent with that neutrality", erklärten doch, that a foreign government would not be entitled to consider such subscriptions as constituting any act of hostility on the part of the British Government," und gaben zu, daß „a prosecution against the individuals concerned in such a measure" nicht erfolgreich sein werde, erwähnten auch, daß ähnliche Unterzeichnungen früher stattgefunden, ohne

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daß sich Jemand darüber beklagt habe, so 1792 und 1793 zu Gunsten Polens.) Aehnlich erklärte Gladstone am 25. April 1873 bei Ge Legenheit eines Aufrufs for subscriptions to support the Carlist rising in Spain, that the simple act of contributing or asking for subscriptions did not in itself constitute a punishable offence," bemerkte aber, daß er damit nicht sagen wolle, „there were no circumstances under which subscriptions of that kind might be taken notice of in proceedings at law" und bezeichnete als solche Umstände an unlawful conspiracy to aid an invasion or in the disturbance of the peace of a foreign country. with which H. M. was at amity" (Phillimore III., Appendix X.). In beiden Fällen handelte es sich um die Unterstüßung eines Aufstandes gegen eine anerkannte Regierung, mit der England im Frieden war, nicht um zwei kriegführende Staaten. In lezterem Falle haben die Vereinigten Staaten stets das Recht ihrer Bürger zu Darlehen behauptet; so 1842 durch Webster. Die Conföderirten wie die Nordstaaten haben im Amerikanischen Bürgerkriege in England ihre Anlehen aufgelegt, Frankreich wie der Norddeutsche Bund 1870 in London Anlehen geschlossen, und kein neutraler Staat hat sich 1877 der Betheiligung seiner Angehörigen an den Russischen Orient-Anlehen widerseyt. Als Frankreich sich 1854 lebhaft über den Abschluß eines Russischen Anlehens beklagte und behauptete, das Recht der Selbsterhaltung erlaube ihm, das zu hindern, denn wer sich an einem Anlehen seines Feindes betheilige, gebe ihm die Mittel, das Blut der Französischen Soldaten zu vergießen, so wie der nicht unparteiisch bleibe, der einem von zwei Duellanten Geld leihe, um Pistolen zu kaufen, ja von Preußen und Hamburg ver langte, sie sollten die Notirung des Anlehens an ihren Börsen untersagen, wies ersteres dies als eine unzulässige Analogie mit Subsidien bestimmt zurück, und die mit Frankreich verbündete Englische Regierung theilte dessen Ansicht nicht.

1) Das Edinb. Rev. 1884, p. 278, sagt in Bezug auf diesen Fall: „The theory, allthough unimpeachable as a statement of law, is not considered to be of sufficient importance to demand the interference of the executive to enforce it."

§ 154.

Verantwortlichkeit und Entschädigung für Verlegung der Neutralität.

Hat die Verlegung der Neutralität Seitens der neutralen Regierung stattgefunden, so ist der Fall klar. Der dadurch geschädigte Kriegführende hat das Recht, sie zur Verantwortung zu ziehen, von ihr Entschädigung

zu verlangen, eventuell zu erklären, daß er ihre Neutralität nicht mehr achte, da sie deren Voraussetzungen nicht erfülle. So war, wie erwähnt, Rußland entschieden berechtigt, es als unvereinbar mit Desterreichs Neutralität zu betrachten, als dasselbe durch den Vertrag vom 2. December 1854 sich verpflichtete, in den Donaufürstenthümern, welche es besetzt hatte, den Westmächten volle Freiheit der Bewegung zu lassen, dagegen jede Rückkehr Russischer Truppen dahin zu hindern. Ist die Verlegung dagegen Seitens eines Kriegführenden erfolgt, so ist die Verantwortlich. keit eine doppelte, einmal die des Kriegführenden, welcher sich die betreffende Handlung zu Schulden kommen ließ, gegen den neutralen Staat, sodann die des letteren gegen den geschädigten Kriegführenden. Leßterer hat kein Klagerecht gegen seinen Kriegsgegner, dessen Absicht ja sein muß, ihm zu schaden. Unrecht geschehen ist nur dem neutralen Staat. „The capture is illegal with respect to the neutral sovereign, but not with respect to the enemy," bemerkt Wildman II. p. 147. „A claim of neutral territory can be made by the neutral government only," sagt Lord Stowell (The Diligentia 1 Dodson, Adm. Rep., p. 412). An die neutrale Regierung allein hat sich daher der geschädigte Kriegführende zu halten, wenn derselbe seine Neutralität hat verlegen lassen. Hat also z. B. ein Kriegsschiff im Küstengewässer eines neutralen Staates eine Prise gemacht, so muß leßterer von den betreffenden Kriegführenden die Herausgabe derselben und Entschädigung verlangen. Der geschädigte Gegner hat sich für die Verlegung des Asylrechtes und die Erstattung des erlittenen Schadens lediglich an die neutrale Regierung zu halten. Ihren Schuß muß er gegen den Verleger anrufen; thut er das nicht und sucht sich selbst zu helfen, indem er einen drohenden oder erfolgten Angriff auf neutralem Gebiet erwidert, so verliert er alle Ansprüche gegen die neutrale Regierung. So entschied in dem S. 669 angeführten Falle des Generals Armstrong der Präsident der Französischen Republik unzweifelhaft richtig, daß, da der Capitän Reid nicht von Anfang an die Intervention der neutralen Regierung nachgesucht, sondern einen ungerechten Angriff mit der Waffe zurückgewiesen, er die Neutralität Portugals selbst mißachtet und dasselbe von seiner Schußpflicht und Verantwortlichkeit entbunden habe. Und wie der Schuß, so liegt der neutralen Regierung allein ob, die Herausgabe jedes Eigenthums zu bewirken, welches in Verlegung ihrer neutralen Rechte weggenommen ist, einerlei worin die Verlegung bestand. So schrieb Staatssecretär Jefferson, als Frankreich im Revolutionskriege Kaper in neutralen Amerikanischen Häfen ausgerüstet, an den Französischen Gesandten Mr. Genet (7. August 1793): „I have it in charge to inform you, that the President considers the United States as bound, pursuant to positive assurances given in conformity to the laws of neutrality, to effectuate the restoration of or to make compensation for prizes which shall have been made of any of the parties in war with France subsequent to June 5th last, by privateers fitted out in our ports. That it is consequently expected,

that you will cause restitution to be made of all prizes taken and brought into our ports subsequent to the above named day by such privateers; in defect of which the President considers it as incumbent upon the United States to indemnify the owners of such prizes, the indemnification to be reimbursed by the French nation."

Die Verantwortlichkeit des Kriegführenden gegen den Neutralen tritt ein, sobald die Thatsache der verlegten Neutralität feststeht, einerlei worin die Verlegung bestand, und zwar geht die Verantwortlichkeit sowohl auf die Verlegung der neutralen Staatshoheit als auf den materiell angerichteten Schaden. Was die Genugthuung für erstere betrifft, so wird es allerdings einen Unterschied machen, ob ein entschuldbares Versehen vorliegt, wie z. B. wenn der Kriegführende sich über die Ausdehnung des neutralen Küstengewässers getäuscht oder gewisse Vorschriften nicht gekannt hat, welche der Neutrale zur Aufrechthaltung seiner Neutralität erlassen hat, oder ob er seine Kriegszwecke eigenmächtig ohne Rücksicht auf die entgegenstehenden Rechte des Neutralen verfolgt, also lettere wissentlich verlegt hat. In ersterem Falle wird der Neutrale sich für die Verlegung seiner Hoheit mit einer Entschuldigung des unabsichtlichen Verlegens begnügen. In lezterem erfolgt die Genug. thuung in feierlicherer Form durch specielle Anerkennung seiner Staatshoheit, namentlich aber durch Bestrafung des Schuldigen, wie z. B. in dem S. 670 angeführten Falle des „Wachusetts" die Amerikanische Regierung einen Dampfer nach Bahia sandte, welcher eine Ehrensalve vor der Brasilianischen Flagge gab, den Consul abseßte und den Capitän vor ein Kriegsgericht stellte. Die materielle Entschädigungspflicht begreift die Restituirung des widerrechtlich erzielten Vortheiles, also Herausgabe der auf neutralem Gebiet gemachten Gefangenen oder des weggenommenen Eigenthums und auch Ersaß für den Verlust, den entweder der Neutrale selbst erlitten hat, oder den er dem geschädigten Kriegführenden zu er sezen hat.

§ 155.

Die Verantwortlichkeit der Neutralen.

Der Verantwortlichkeit des kriegführenden Verlezers gegen den Neutralen entspricht die des Lezteren gegen den geschädigten Kriegsgegner. Die Bedingung der Neutralität ist, daß man sie von keiner Seite verlehen läßt. Der Neutrale muß also nicht blos seine Pflicht der Unparteilichkeit gegen beide Kriegsgegner gleichmäßig erfüllen, sondern sich auch in Stand sehen, seine Neutralität zu behaupten und eventuell den Verlezer zur Verantwortung zu ziehen. Der Einwand, daß die due diligence, welche die Regeln des Vertrages von Washington von den Neutralen für die Beobachtung dieser Pflicht fordern, ein zu unbestimmier

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