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Darlegung der erwähnten drei Regeln über die Pflichten einer neutraleu Regierung Alinea 5 gesagt: „H. M's. Government cannot assent to the foregoing rules as a statement of principles of international law, which were in force at the time, when the claims mentioned in Art. 1 arose; but H. M's. Government, in order to evince its desire of strengthening the friendly relations between the two countries and of making satisfactory provision for the future, agrees, that in deciding the questions between the countries arising out of these claims, the Arbitrators should assume that H. M's. Government had undertaken to act upon the principles set forth in these rules." Nach dieser Erklärung, deren zweiter Theil den ersten aufhob, war die Verurtheilung Englands unzweifelhaft, und es ist unerfindlich, wozu man den ganzen Apparat des Schiedsgerichtes in Bewegung sezte, statt sich unmittelbar mit den Vereinigten Staaten über die zu zahlende Entschädigung zu verständigen.

Der zweite Streitpunct war, ob, wenn die Verlegung der Neutralität Seitens Englands angenommen werde, nur der unmittelbare Schaden vergütet werden sollte, der den Vereinigten Staaten daraus erwachsen, oder auch der mittelbare. England bestritt lezteres auf das Entschiedenste und behauptete, das Schiedsgericht habe gar kein Recht, die indirect claims zu berücksichtigen. Der Wortlaut des Vertrages von Washington stand ihm indeß dabei nicht zur Seite. Als Gegenstand des Streites zwischen beiden Theilen bezeichnete Art. 1: Whereas differences have arisen and still exist, growing out of the acts, committed by the several vessels, which have given rise to the claims generically known as the "Alabama" claims.“ Die Protokolle der Unterhandlung zeigen, daß die Amerikanischen Bevollmächtigten die consequential damages im weitesten Umfang geltend gemacht, und lassen jeden Protest der Eng. lischen Commissare, oder einen Versuch, die mittelbaren von den un mittelbaren Ansprüchen zu trennen, vermissen. Dieselben stimmten viel mehr dem unklaren, von den Amerikanern absichtlich gewählten Ausdrud growing out of the acts" ohne Vorbehalt zu und behaupteten nur hernach, es sei ihnen mündlich versprochen, daß jene indirect claims nicht vorgebracht werden sollten, eine Behauptung, welche die Amerikaner durchaus bestritten, die aber auch, wenn sie richtig gewesen wäre. juristisch für die Schiedsrichter als evidence outside of the document", nach dem sie zu entscheiden hatten, nicht in Betracht kommen konnte. Der Amerikanische Staatssecretär Fish fragte dann auch mit Recht, wie England es erkläre, daß von der Beseitigung der mittelbaren Ansprüche kein Wort in den Vertrag, ja nicht einmal in die Protokolle gekommen sei? Der Ausdruck im Art. 1 „growing out" zeige, daß es sich nicht blos um Ansprüche handle, die durch die Zerstörung der Schiffe selbst begründet seien. That which grows out of an act is not the act itself, but something consequent upon or incident to the act, the result of the act" und was die geltend gemachten indirect claims betreffe, iv habe eben das Schiedsgericht zu entscheiden, ob sie results of the acts

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committed by the vessels" seien. Eine Verständigung über diese Differenz durch diplomatische Verhandlungen zwischen beiden Theilen gelang nicht, und während England bei der Behauptung der Incompetenz des Schiedsgerichtes für dieselbe blieb, löste lezteres dieselbe dadurch, daß es die Amerikanischen Ansprüche in dieser Beziehung abwies. Es erklärte am 19. Juni 1872, „daß es nach sorgfältiger Prüfung der von Amerika vorgelegten Gründe zu dem Schlusse gelangt sei, daß mittelbare Ersatzansprüche keine Grundlage für die Feststellung einer Pflicht zum Schadens. ersaz bildeten, die nach völkerrechtlichen Grundsäßen aufrecht zu halten wäre, weshalb dieselben selbst dann durch das Schiedsgericht hätten ausgeschlossen werden müssen, wenn zwischen den Regierungen darüber keine verschiedene Ansicht geherrscht hätte", worauf der Amerikanische Vertreter erklärte, daß er diesen Ausspruch als entscheidend annehme und die Vereinigten Staaten nicht mehr auf den erwähnten Ansprüchen bestehen würden, welche demnach von der Erwägung für den Schiedsspruch ganz ausgeschlossen werden möchten. Das Tribunal handelte damit sicher durchaus richtig. Die indirect claims hatten bestanden 1. in Forderung von Ersatz für die Verfolgung der Südstaatlichen Kreuzer; das Tribunal wies dieselbe ab, whereas the acts of pursuit are not properly distinguishable from the general expenses of the war carried on by the United States"; 2. Forderung für Verlust wegen erhöhter Versicherungsprämie und Uebertragung Amerikanischer Schiffe unter Englische Flagge, um der Wegnahme zu entgehen; abgewiesen, weil diese Fragen kein Gegenstand der Entschädigung seien, „,,in as much as they depend in their nature upon future and uncertain contingencies"; 3. Ersag wegen Verlängerung des Krieges; aus demselben Grunde abgelehnt.

Materiell waren die Amerikaner, abgesehen davon, daß sie wenig loyal zu den wiederholten Erklärungen der Englischen Minister, die in directen Ansprüche seien ausgeschlossen, geschwiegen, und sie erst in ihrer Klageschrift vorbrachten, entschieden im Unrecht. Daß sie durch die Südstaatlichen Kreuzer auch großen mittelbaren Schaden erlitten, ist unzweifelhaft, aber es war unmöglich, denselben festzustellen. Die aufgestellten Forderungen beruhten auf speculativen Momenten, über welche sich ewig streiten ließ, bei denen aber schlußgültige Beweise geradezu unmöglich waren und die eben deshalb auch keinen Gegenstand schiedsrichterlicher Entscheidung bilden konnten.

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Handelsverkehr der Neutralen. A. Im Allgemeinen.

Der Handel der Neutralen bleibt während des Krieges anderer Staaten grundsäßlich frei. Dies gilt unbedingt für den Handel auf neutralem Gebiete selbst und zwischen neutralen Staaten. Der Krieg

berührt die neutrale Souveränetät nicht. Die Kriegführenden haben also kein Recht, irgend einen Zweig des Handels zu beschränken, der auf neutralem Gebiet geübt wird, sofern der Souverän desselben sich nicht durch früheren Vertrag verpflichtet hat. Verfügt derselbe hiervon unabhängig eine Beschränkung, z. B. durch ein Ausfuhr- oder Durchfuhrverbot, so ist das sein freier Wille, kraft dessen er die betreffende Maßregel jeder Zeit zurücknehmen kann. Uebrigens können seine Unterthanen auf seinem Gebiete jede Waare kaufen und verkaufen, auch an Angehörige der Kriegführenden. Die Handelsschiffe derselben unterliegen in neu tralen Gewässern keinen anderen Beschränkungen, als die jedes anderen neutralen Staates. Es kann also höchstens ein Zweifel darüber ent stehen, ob das betreffende Schiff ein Handelsschiff oder auch für kriegerische Zwecke bestimmt ist. Darüber hat der Neutrale zu entscheiden, in dessen Gewässer das Schiff kommt; denn wenn er auch keine Jurisdiction über fremde Kriegsschiffe in seinem Gebiete hat, so muß er doch feststellen können, ob das betreffende Schiff ein Kriegsschiff ist, also Anspruch auf dessen Immunitäten hat. Solche Fälle kamen früher bei der allgemeinen Kaperei oft vor. Die meisten Kaper waren schnellsegelnde Handelsschiffe, die beim Ausbruch des Krieges bewaffnet wurden. Die Abschaffung der Kaperei und der Umschwung im Schiffsbau werden solche Fälle jezt selten vorkommen lassen. Jedenfalls ist aber auch bei Kapern die Fest stellung des Schiffscharakters leicht, da jedes Schiff, das Kriegsacte übt, eine öffentliche Autorisation haben muß und ohne solche ein Seeräuber ist. Die Vollmacht einer solchen Autorisation aber kann nie so weit gehen, daß der Capitän eines Kreuzers ein anderes Schiff als sein Be gleitschiff bezeichnen darf, wie es z. B. die „Alabama" in der Tafelbai mit einem genommenen feindlichen Schiffe that. Jedes Schiff muß seine eigene Vollmacht haben, mindestens muß in derselben das Begleitschiff desselben namentlich erwähnt sein.

Nicht minder unzweifelhaft ist, daß der Handel unter neutralen Staaten unberührt bleibt; ihre Angehörigen können von einander kaufen und an einander verkaufen was sie wollen. Nur in dem einzigen Falle haben die Kriegführenden ein Einspruchsrecht, nämlich, wenn sie nach weisen können, daß gewisse Waaren, deren Zufuhr an den Kriegsgegner ihrer Natur nach der andere Theil zu hindern berechtigt ist, nur zum Scheine nach neutralen Häfen, in Wahrheit aber für den Kriegsgegner bestimmt sind.

Aber auch der Handel des Neutralen mit beiden kriegführenden Theilen bleibt grundsäßlich frei, weil er mit beiden die friedlichen Be ziehungen fortsetzt. Dieser Grundsay hat sich erst langsam Bahn gebrochen. Nicht blos haben in einzelnen erbitterten Kämpfen, wie 1689 zwischen England-Holland und Frankreich und in den Revolutionskriegen Kriegführende den Neutralen allen Handel mit ihrem Gegner verboten, sondern sie haben auch den neutralen Handel mit den Kriegführenden beiderseits den willkürlichsten Beschränkungen unterworfen. Dem trat

der erste Sag der bewaffneten Neutralität von 1780 entgegen, indem er erklärte: ,,Que les vaisseaux neutres puissent naviguer librement de port en port et sur les côtes des nations en guerre." Der Hauptkampf wurde, wie in der geschichtlichen Uebersicht gezeigt ist, um die Beziehung des betreffenden Schiffes zu der betreffenden Waare geführt. Die weitgehendste Doctrin behauptete, daß die feindliche Eigenschaft eines vom beiden die Wegnahme beider nach sich ziehe,,,confiscantur ex navibus. res, ex rebus naves". Die zweite, die des Consolato del mare und der Englischen Praxis ließ die Eigenschaft der Waare entscheiden. Feindesgut wurde auf Freundesschiffen weggenommen, Freundesgut auf feindlichen Schiffen blieb frei. Die dritte behauptete, daß die Flagge die Ladung decke, aber gab neutrales Gut unter feindlicher Flagge preis.

Dieser Streit kann, nachdem die erste weitgehendste Doctrin schon länger aufgegeben war, durch die Pariser Seerechts Declaration vom 16. April 1856 als abgeschlossen gelten, welche die Freiheiten der beiden sich bisher entgegenstehenden Auffassungen vereinigt, indem sie in Art. 2 und 3 erklärt: „Le pavillon neutre couvre la marchandise ennemie, la marchandise neutre n'est pas saisissable sous pavillon ennemi." Denn auch die bedeutendste der Mächte, die der Erklärung nicht beigetreten ist, die Vereinigten Staaten, hat diese Grundsäge anerkannt und wollte nur nicht der Abschaffung der Kaperei beitreten, wenn nicht zugleich die Freiheit des Privateigenthums zur See anerkannt werde. Demgemäß haben die Vereinigten Staaten nach Ausbruch des Bürgerkrieges den Seemächten angezeigt, daß sie diese Grundsäße beobachten würden. So schrieb der Staatssecretär Seward dem Gesandten in Paris am 10. September 1861: We have always practised on the principles of the Declaration. We did so, long before they were adopted by the Congress of Paris, so far as the rights of neutral or friendly States are concerned. While our relations with France remain as they now are, we shall continue the same practice none the less faithfully. than if bound to do so by a solemn convention." (Dipl. Corresp. 1861, p. 251.)

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Aber diese Freiheit des Handels zwischen Kriegführenden und Neutralen ist keine unbedingte, sie bezieht sich nur auf den friedlichen. Verkehr. Kauf und Verkauf aller Waaren auf neutralem Gebiete ist erlaubt; aber der Abschluß des Kaufvertrags ist nur der erste Theil jedes Handels, der zweite Theil besteht in der Zuführung der Waare. Diese ist Seitens des Kriegführenden an den Neutralen frei, denn welcher Art sie auch sein mag, ihre Bestimmung giebt ihr friedlichen Charakter. Dagegen kann die Natur der Waare, welche der Neutrale dem Kriegführenden sendet, eine solche sein, daß sie die Zwecke seiner Kriegführung fördert, und von jeher haben die Kriegführenden es als ihr Recht in Anspruch genommen, die Zufuhr solcher Waaren an ihren Gegner zu hindern. Der Kriegführende also nimmt derartige Waaren, Contrebande genannt, weg, sobald sie das neutrale Gebiet mit der Bestimmung für

seinen Gegner verlassen, auch wenn sie neutrales Eigenthum sind, und der neutrale Staat schüßt seine Angehörigen dagegen nicht. Er ver bietet denselben nicht den Handel mit solchen Waaren, aber erklärt ihnen, daß wenn sie dieselben an einen Kriegführenden versenden, sie dies auf ihre Gefahr thun und sich der Wegnahme aussehen. Hieran hat auch die Pariser Seerechts-Declaration nichts geändert, denn in beiden angeführten Säßen ist hinzugefügt: „à l'exception de la contrebande de guerre".

Eine zweite Beschränkung des Handels der Neutralen mit den Kriegführenden ist örtlicher Natur. Um dem Handel seines Gegners zu schaden, sucht der Kriegführende die Häfen desselben zu sperren, indem er durch seine Kriegsschiffe das Ein- und Auslaufen aller Schiffe hindert und beansprucht, daß die Neutralen diese Sperrung, Blokade genannt, achten, indem sie nach blokirten Häfen seines Gegners überhaupt keine Wuaren senden, auch nicht solche, die an sich ganz unschuldiger Natur sind. Die neutrale Regierung verhält sich ihrerseits ihren Angehörigen gegenüber, wie bei der Contrebande. Sie verbietet ihnen den Handel mit blokirten Pläzen nicht, aber sie sagt ihnen, daß sie denselben auf ihre Gefahr unternehmen und daß sie, sofern die Blokade gewissen Erfordernissen entspricht, von ihr keinen Schuß zu erwarten haben, wenn der Kriegführende ihr Schiff mit seiner Ladung wegnimmt, sobald dasselbe in den blokirten Hafen einzulaufen oder aus demselben auszulaufen sucht. Auch diese Beschränkung des Handelsverkehrs der Neutralen hat die Pariser Declaration implicite bestehen lassen, indem sie in 4. die Erfordernisse einer rechtskräftigen Blokade festzustellen sucht.

In diesen Beschränkungen des neutralen Handels liegen zwei weitere. In Friedenszeiten darf kein Kriegsschiff ein fremdes Handelsschiff auf hoher See anhalten oder durchsuchen, es sei denn bei begründetem Verdacht der Seeräuberei oder des Sklavenhandels, wenn dies vertrags. mäßig erlaubt ist. Der Kriegszustand erlaubt den Kriegsschiffen, neutrale Schiffe darauf hin zu untersuchen, ob sie sich einer Verlegung des Verbotes der Zufuhr von Contrebande oder eines Bruches der Blokade schuldig gemacht haben, und glaubt der Kriegführende dafür Beweise bei der Durchsuchung des Schiffes gefunden zu haben, so kann er das Schiff in seinen Hafen zur Aburtheilung durch seine Prisengerichte führen. Die neutrale Regierung darf sich diesen Folgen der beiden zugegebenen Verbote nicht widersehen, sofern dabei nach anerkannten Rechtsregeln verfahren wird.

Endlich kann das neutrale Gut in eine derartige Verbindung mit dem feindlichen Gebiet oder Eigenthum getreten sein, daß seine Schonung der Erreichung des Kriegszieles widerspricht. Der Angehörige eines neutralen Staates in Feindesland theilt die Kriegsgefahr mit allen An gehörigen des Aufenthaltsstaates und kann für sein daselbst befindliches Eigenthum keinen besonderen Schuß fordern. Der Neutrale, der sein Gut einem feindlichen Schiffe anvertraut hat, kann sich nicht beklagen,

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