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Staates mit einer gleichen oder ähnlichen erwidernde Handlungsweise des verleßten Staates.

Burchardi definirt zu allgemein, wenn er die Repressalien bezeichnet als die Reaction eines Staates gegen ein von einem anderen Staat zugefügtes Unrecht. Nach Heffter sind die Repressalien ebenfalls gegen das Unrecht gerichtet. Der Ausdruck ist insofern richtiger gewählt als vor der Anordnung von Repressalien das verübte Unrecht, gegen welches fie gerichtet sind, constatirt sein muß, indeß genügt schon eine constatirte Rechtswidrigkeit, welche nicht immer aus unmittelbar vorher geübtem Unrecht abgeleitet zu werden braucht.

Im Alterthum treten verwandte Formen auf, in Athen die avdooλnyía, bei den Römern die clarigatio und die recuperatio.2)

Bis zum 5. Jahrhundert nach Christi wird das Repressalienrecht im Römischen Recht nicht erwähnt, von da ab erwähnen dasselbe mehrere Constitutionen, indeß nur, um es zu verbieten. Ob die Repressalien von den Germanen zu den Römern gedrungen seien, wie von Mas Latrie angenommen wird, lassen wir dahin gestellt.

Nach einer Reihe von Waffenstillständen und Verträgen aus dem 13. Jahrhundert3) mußte den damals schon üblichen Repressalien eine Verhandlung bei den conservatores pacis vorhergehen, und erst nachdem vergeblich von ihnen die Erledigung ihrer Beschwerden während eines bestimmten Zeitraumes abgewartet war, konnte die Selbsthülfe des Einzelnen autorisirt werden durch die marcha, nach Ducange: facultas a principe subdito data, qui injuria affectum sive spoliatum ab alterius principis subdito queritur, de qua ius vel rectum ei denegatur, woraus sich die lettre de marque, der Markebrief entwickelte. Die eine Art der Markebriefe ermächtigte zur Ergreifung der Güter des Gegners innerhalb des Gebietes der den Markebrief erlassen. den Staatsgewalt, die andere speciell als marcha bezeichnete Art gestattete aller dem anderen Theil gehörenden Gegenstände auf offener See sich zu bemächtigen.

1) Ueber repraesalia und repraesentalia siehe Ducange, über repressaliarum ius Hugo Grotius, welcher es mit dem Withernamium der alten Sachsen und mit den literae marcae der Franzosen, auch droit de marque (marcha oder ius marchium bei Ducange) identificirt. Repressaliae sind abzuleiten von reprehendere und reprendere, daher auch früher Reprehensalien und Reprensalien. Noch G. F. v. Martens bezeichnet sie als repraesalia und repraesaliae. Im Canon. Recht repressaliae für pignorationes (cap. un. d. iniur. et damno dato in VI.o 5,8).

2) Bulmerincq in v. Holzendorff's Rechtslexikon.

3) F. G. de Martens, Essai concernant les Armateurs. Göttingen 1795. § 4.

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Bestimmungen der Geseze, Verordnungen und Verträge über Repressalien.

Nicht blos, wie schon oben erwähnt, das Römische, sondern auch das Canonische Recht sprachen sich gegen die Repressalien aus. Ersteres insbesondere deshalb, weil Einzelne nicht wegen Verschuldung eines Anderen geschädigt werden dürften.1) Beide bedrohten sie (gewöhnlich pignorationes, auch mit dem Zusaz: illiberales) mit Strafen.2)

Dagegen regelten die Repressalien Statuten der Lombardischen Städte schon aus dem 13. Jahrhundert. Diese enthalten zahlreiche Bestimmungen über die Ausübung von Repressalien, zur Beschränkung der Voraussetzungen derselben und um ihre Ausübung unter staatliche Aufsicht zu stellen. Namentlich sollten sie nicht bei unbedeutender Veranlassung und um jeder Ursache willen zugelassen werden und nicht zu Gunsten eines Ausländers. Durchaus verboten war aber die Ausübung von Repressalien ohne Wissen des Gemeinwesens. Wer überhaupt ein Recht auf dieselben zu haben vermeinte, sollte sich an seine Obrigkeit wenden und ihr seine Sache vortragen. Von dieser wird dann ein ordentliches Verfahren eingeleitet. Es werden die Aussprüche des Klägers geprüft und Beweise aufgenommen. Der Gemeinde, über welche Beschwerde geführt wird und jedem einzelnen Bürger derselben wird rechtliches Gehör verstattet, damit sie ihr Benehmen zu rechtfertigen Gelegenheit erhielten. Ist das Verfahren beendet und die Klage begründet gefunden, so soll dann noch einmal ein Versuch bei dem rechtweigernden Staat gemacht werden, auf friedlichem Wege Genugthuung zu erlangen und erst, wenn dieser vergeblich war, die Ausübung von Repressalien bewilligt werden, bald von der Obrigkeit allein, bald durch Beschluß der Gemeinde. Die Bewilligung geschieht aber dadurch, daß dem verlegten Bürger litterae s. cartae repraesaliarum überliefert werden, durch welche er ermächtigt wird, die Bürger des verlegenden Staates mit ihrer Person und Habe anzuhalten und festzunehmen, wo er sie findet. Die Ausübung ist ihm ganz überlassen, doch soll er die arretirten Personen und Güter vor den Podesta bringen und sein Verhalten rechtfertigen. Die Personen werden in das öffentliche Gefängniß ge= bracht, während die Güter der Verlegte selbst in Gewahrsam nimmt, bis er Genugthuung erhält, doch darf er sie nicht beschädigen. Kann er keine Genugthuung erhalten, so darf er sich aus ihnen, sowie aus dem Lösegeld der Personen schadlos halten, muß aber den Ueberschuß herausgeben.

In England und Deutschland wurden Verordnungen erlassen, daß Niemand wegen der Schulden oder Delicte seiner Mitbürger in Anspruch genommen und in Haft gehalten werden solle, außer wenn deren.

Obrigkeit den Gläubigern zu ihrem Recht zu verhelfen unterlasse. Nur wenn diese ihren Beistand zur Erzwingung der Genugthuung vom Schuldigen verweigert, behielten sich die Regierungen vor lettres de marque ou de représailles zu ertheilen.) In Frankreich begann man damit, den Gouverneuren und Parlamenten das Recht zur Bewilligung von Repressalienbriefen zu ertheilen, Carl VIII. aber behielt durch Edict von 1485 dem König allein das Recht vor. Dem Könige von Eng. land stand das Recht schon vor der dasselbe aussprechenden Parlaments. acte von 1353 zu, indem es darnach so wie es in der Vergangenheit gebräuchlich war" geübt werden sollte. In den Niederlanden wurden Repressalienbriefe eingeführt mit dem 15. Jahrhundert.

Schon im 13. Jahrhundert war es aber auch gefordert, zum Erhalt von Repressalienbriefen sich an die Justiz zu wenden. Nach den Waffenstillstandsverträgen zwischen England und Frankreich aus derselben Zeit sollten aber Schiedsrichter zur Prüfung der Justizverweigerungs. fälle gewählt werden, um den Reclamanten Genugthuung zu gewähren, konnten sie dieselbe aber nicht erhalten, so waren sie berechtigt selbst gegen den Beklagten vorzugehen („courir sus").4).

In Waffenstillstands- und Friedensverträgen des 15. und 16. Jahrhunderts mit fremden Mächten kam man aber immer mehr überein, daß nicht nur die bis dahin geübten Repressalien aufhören sollten, sondern daß auch in der Folge, falls während eines Waffenstillstandes die Unterthanen des einen Theils Klage zu erheben hätten gegen die des anderen, sie sich an dessen Souverän zu wenden hätten und daß nur im Fall der Justizverweigerung Repressalien ausgeübt werden dürften auf Grund von durch den Souverän bewilligten Marken- und Repres salienbriefen. Auch wurde in Verträgen des 15. Jahrhunderts verein. bart, daß alle Schiffe, welche aus Häfen auslaufen, dafür Caution leisten sollten, daß sie keine Repressalien ausüben würden. In einer Mehrzahl von Verträgen wurde in Uebereinstimmung mit oben erwähnten Ver ordnungsbestimmungen stipulirt, daß die Güter der beiderseitigen Unterthanen nicht für die Schulden ihrer Landsleute ergriffen werden dürften und daß diese Ergreifung nur statthaben sollte für eine Schuldforderung an den Eigenthümer oder für ein Verbrechen des Eigenthümers, oder allenfalls bei constatirter Justizverweigerung.5)

Unter späteren Verordnungen, auch zur Regelung des trop der Verträge zur Abschaffung fortbestehenden Repressalienrechts, ist die wich. tigste die Ordonnance de la Marine vom August 1681, welche den zehnten Titel ihres dritten Buches den Marke- und Repressalienbriefen widmet. Darnach sollen Französische Unterthanen, deren Schiffe oder andere Effecten in Friedenszeiten durch Unterthanen anderer Staaten genommen. oder mit Arrest belegt worden, bevor sie ihre Zuflucht zu Repressalienbriefen nehmen, gehalten sein, den nächsten Admiralitätsrichter von jener Festhaltung der Güter zu benachrichtigen und diese durch officiell ernannte Sachverständige abschäzen zu lassen. Nach bewerkstelligter In

formirung und Aufnahme des den Werth der Sachen justificirenden procès verbal können die Unterthanen Repressalienbriefe erhalten, welche indeß nur in Gemäßheit der mit den Staaten der Unterthanen des an deren Theiles vereinbarten Vertragsbestimmungen ausgereicht werden sollen. Die Repressalienbriefe geben den Werth der zurückgehaltenen oder fortgenommenen Sachen an, enthalten die Erlaubniß, diejenigen der Unterthanen des Staates, welche die zurückgehaltenen Sachen zu restituiren sich weigern würden, zu ergreifen und verhaften und sehen die Dauer ihrer Gültigkeit fest. Die Repressalienbrief-Impetranten sind verpflichtet, sie beim Gerichtsschreiber der Admiralität einregistriren zu lassen und Caution zu stellen bis zur Hälfte des Werthes der fortgenommenen (déprédés) Effecten.

Die auf der See auf Grund der Repressalienbriefe gemachten Prisen sollen aber fortgeführt, instruirt und abgeurtheilt werden in derselben Form und Weise als die gegenüber dem Feinde gemachten. Ist die Prise für eine gute (bonne prise) erklärt worden, so wird der Verkauf vor dem Richter der Admiralität vorgenommen und der Preis bis zum Betrage der durch die Repressalienbriefe bestimmten Summe dem Impetranten übergeben, das Mehr aber beim Gerichtsschreiber deponirt und sodann dem Eigenthümer zurückerstattet. Mas Latrie führt als Bestimmung des allgemeinen Seerechts aller Länder und aller Coutumes an, daß die verlegte Partei, vor Erhalt eines Repressalienbriefes, bei der fremden Staatsregierung reclamirt haben und ihr formell die Justiz verweigert sein müsse.

Mas Latrie tritt für die Repressalien des Mittelalters besonders deshalb ein, weil die Concession und Ausübung des Repressalienrechtes einer ganz bestimmten und regelrechten Gesetzgebung unterworfen waren, die Parteien nicht sich selbst Recht nahmen und bei der Ausübung nur das Werkzeug einer höheren Obrigkeit waren. Er definirt aber nach den Verordnungen und Gewohnheiten des Mittelalters die Repressalien als ein einer Privatperson eingeräumtes Recht, durch die souveräne Autorität, deren Unterthan sie ist, sein Gut oder das Aequivalent eines Gutes zurückzunehmen von einem Fremden oder den Landsleuten dieses Fremden, wenn er nicht Gerechtigkeit durch die Gerichte des Landes seines Gegners hat erlangen können.

Den Unterschied der Repressalien von der Caperei hat aber Mas Latrie darin gut hervorgehoben, daß erstere nur im Frieden bewilligt werden und zwar nach Justizverweigerung und nur bis zum Betrage des erlittenen Schadens und ohne einen Bruch oder allgemeine Feindseligkeiten zwischen den Staaten, welchen die Privatparteien angehörten, her. beizuführen. Nicht beizustimmen ist aber der Bemerkung desselben Ver. fasiers, daß das Repressalienrecht nur zwischen Ländern unterschiedener Gesetzgebung geübt werden könne, in welchen es deshalb schwierig sei, für einem Fremden zu seinem Rechte zu gelangen, henn die Verweigerung der Justiz kann wohl ganz ohne Rücksicht auf

die Verschiedenheit der Gesezgebungen stattfinden und ist keineswegs namentlich durch eine sog. Collision der Statuten bedingt, sondern wesent. lich durch mangelhafte Rechtspflege.

Gewöhnlich waren die geschilderten Repressälien gerichtet gegen die Unterthanen des fremden Staates, welcher die Justiz verweigert hatte, und gegen dauernd, nicht gegen vorübergehend in demselben sich aufhaltende Nichtunterthanen und gegen Durchreisende. Indeß kommen sie auch in verschiedenen Provinzen eines und desselben Staates gegen eigene Landsleute als Bewohner derselben vor.

Nicht geübt sollten Repressalien werden schon nach Canonischem Recht an Geistlichen, ferner an Gesandten, Scholaren, Jahrmarktskaufleuten, Weibern und Kindern.) Bartolus a Saxoferrato führt aber noch ferner auf als eximirt: scriptores und bidelli, nuncii und famuli der Scholaren und ihre sie besuchenden Väter, Bußpilger und ihre Hospiz. wirthe an Wallfahrtsorten, Zeugen und überhaupt vor Gericht geforderte Männer, solche welche zu ihrer Verehelichung oder zur Bestattung eines Blutsverwandten sich in ein fremdes Land begeben hatten, und durch Wind und Wetter an einen fremden Ort verschlagene. Nach Mas Latrie) waren noch eximirt durch Ordonnanz von 1360 in Frankreich die Juden wegen des Nußens ihrer Bankhäuser und erfreuten sich gleicher Befreiung die Lombarden, welche in Paris den Geldhandel betrieben, in Bezug auf Vergehen ihrer Landsleute, falls sie sich an denselben nicht betheiligt hatten. Eine Verordnung Carl V. erklärte aber alle durch den König zum Wohnen in Frankreich autorisirten Personen für unantastbar durch Repressalien, sowohl in Bezug auf ihre Güter als in Bezug auf ihre Person.

Die Eremtion aller vorher benannten Personen befreite sie wohl nicht blos von der Verhaftung aus Anlaß von Repressalien, da diese nach Mas Latries) wenigstens im Mittelalter bei der Ausübung von Repressalien nicht üblich war. Aber auch Sachen einiger vorbenannter Kategorien wurden eximirt, namentlich die von Gesandten, Studirenden und Jahrmarktskaufleuten.

Hinsichtlich der Kirche spricht Mas Latrie die Ansicht aus, daß die Kirche zwar im Princip das Repressalienrecht verboten, es aber troßdem geduldet habe und daß das Privilegium der Geistlichen sich nur auf Kirchengüter im eigentlichen Sinn erstreckt habe, d. h. auf diejenigen, welche direct den Kirchen, Klöstern und zum Lebensunterhalt der Priester und Mönche dienten. Es ist aber dabei wohl selbstverständlich, daß die Ausnahme der Person der Geistlichen von Repressalien bestehen blieb.

1) Vgl. 1. 7 § 1 D. 3, 4; 1. un. C. 12, 61; I. 4 C. 12, 61; nov. 134 cap. VII. 2) Nov. LII. pr. u. cap. I., für das Canon. Recht 1. c.

3) Burchardi 1. c.

4) Mas Latrie 1. c. S. 10.

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