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mittel dabei gezwungen werden kann, zu helfen, ist von Phillimore, den Graf Bismarck in seiner Depesche vom 25. Januar 1871 für das Recht der Angarie anführt, nicht gesagt und kann auch nicht behauptet werden.

1) So sagte W. Pitt: „The very circumstance of making an exception by treaty proves what the law of nations would be if no such treaty were made to modify or alter it". (Speeches III., p. 297).

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Anhaltung, Untersuchung und Wegnahme.

Im Frieden hat kein Kriegsschiff das Recht, ein fremdes Schiff anzuhalten, es sei denn, daß dasselbe des Seeraubes schuldig oder dringend verdächtig ist. Im Kriege aber ist das Recht der Kriegführenden, neutrale Handelsschiffe (niemals Staatsschiffe) anzuhalten und zu untersuchen unbestreitbar, weil es nothwendig ist.

Es ist dies auch nach der Pariser Seerechtsdeclaration

1. weil es, so lange überhaupt Feindeseigenthum in Feindesschiffen der Wegnahme unterliegt, festgestellt werden muß, ob das betreffende Schiff wirklich ein neutrales ist;1)

2. weil zu ermitteln ist, ob nicht etwa das neutrale Schiff Contrebande führt.

3. Ein Recht, ein neutrales Schiff daraufhin zu untersuchen, ob es sich nicht vielleicht früher eines Blokadebruchs schuldig gemacht hat, kann nicht zugegeben werden, da es nach den vorstehenden Ausführungen in delicto gefaßt sein muß. Dagegen kann es, wenn eine specielle Notification als nothwendig vom Kriegführenden anerkannt wird, wenn es in den Bereich des Geschwaders kommt, daraufhin untersucht werden, ob eine solche Notification in sein Register eingetragen ist.

Selbst wenn also die Freiheit des Privateigenthums zur See anerkannt würde, müßte das Untersuchungsrecht bestehen bleiben, denn jedes neutrale Schiff kann Contrebande führen.

Geübt werden kann dies Recht von jedem Kriegsschiff der Krieg führenden, das sich durch seine Commission legitimirt, eventuell von Kapern, so weit sie noch vorkommen, wie z. B. im Vertrage zwischen England und Rußland. Solche Schiffe können neutrale Privatschiffe untersuchen auf dem ganzen Gebiete des Seekriegs, also 1. in den Küstengewässern beider kriegführenden Theile (in dem eines Bundesgenossen nur mit dessen Genehmigung), 2. auf hoher See. Jede Untersuchung in neutralem Küstengewässer ist eine Verlegung der Neutralität, wie sie

3. B. im lezten Russisch-Türkischen Kriege stattfand, als ein Russisches Kanonenboot am 25. Juli 1877 die Deutsche Brigg „Oceanus“ innerhalb Kanonenschußweite von der Japanischen Küste anhielt. Gegenstand der Untersuchung sind nur Privatschiffe. Diese können sich nicht der selben entziehen, und müssen die Beweise ihrer Neutralität durch ihre Papiere führen. Bestritten war, wie in der geschichtlichen Uebersicht entwickelt ist, das Recht, convoyirte Schiffe zu untersuchen. Eine Erledigung des Streites wurde nicht erzielt. Nachdem der einzige Vertrag, in dem England die Immunität der Convoy in einem gewissen Grade anerkannt hatte, der mit Rußland von 1801, hinfällig geworden, hielt es sein Recht, convoyirte Schiffe zu untersuchen, aufrecht. Manche Staaten anerkennen die Befreiung neutraler convoyirter Schiffe, wie das Preußische Prisenreglement von 1864, § 12, Desterr. Verordnung von 1866, § 9, Dänisches Reglement von 1864, § 14, Russische Prisenregeln von 1869, § 103. Eine allgemeine völkerrechtliche Geltung kann indeß für die Immunität nicht behauptet werden, wie dies manche Schriftsteller, z. B. Ortolan (II. p. 171) und auch der Entwurf des Justitut § 16 thun, ist auch schwerlich rationell, weil die neutrale Regierung, welche die Convoy stellt, selbst getäuscht sein kann,2) sie auch möglicher Weise andere Auffassung über das, was dem Neutralen erlaubt ist, als der Kriegführende haben kann, z. B. welche Artikel Contrebande find. Mit Recht dürfte sich nur jede neutrale Macht der Untersuchung convoyirter Schiffe durch Kaper widersehen, welche nicht die Garantie gegen Ausschreitungen bieten, wie die Befehlshaber der Kriegsschiffe, und denen deshalb auch in dem Russisch-Englischen Vertrag von 1801 ausdrücklich das Untersuchungsrecht entzogen war. Uebrigens würden die Neutralen auch kaum Grund haben, sich zu beschweren, wenn das Verfahren dabei nach den Grundsägen des Russisch-Englischen Vertrages von 1801, Art. 4, geübt würde. Wohl aber ist die Immunität der Convoy durch eine Reihe von Ver. trägen festgestellt, so Frankreichs mit einer Reihe von Südamerikanischen Staaten gegen Abgabe des Ehrenwortes (z. B. mit Venezuela von 1843, Art. 18 (Martens, Nouveau Recueil V., p. 171), ebenso der Ver einigten Staaten mit den gleichen Staaten und Mexico 1831, Art. 24, Schweden 1816 und Italien 1871, Art. 19, Deutschlands mit Salvador vom 13. Juni 1870, Art. 21, mit Costa Rica vom 18. Mai 1875, Art. 24, welche das Ehrenwort des geleitenden Befehlshabers fordern. England hat nur in dem Vertrage mit den Vereinigten Staaten zur Unterdrückung des Sklavenhandels vom 7. April 1862, Art. 2, 3, zu gegeben, daß, wenn der Befehlshaber eines Kreuzers ein unter Convoy fahrendes Schiff im Verdacht hat, Neger an Bord zu haben oder Sklavenhandel zu treiben, er dem Befehlshaber der Convoy seinen Ver dacht mittheilen soll, worauf beide das verdächtige Schiff durchsuchen, das, wenn der Verdacht begründet gefunden wird, vor einen der ge mischten Gerichtshöfe gestellt wird. (Martens et Cussy, Recueil II., ser. II., p. 230.) Einen großen praktischen Werth hat die Frage heute

nicht mehr, da die Entwickelung des Handelsverkehrs es den Neutralen nahezu unmöglich macht, ihren Schiffen ein Geleit zu geben, und es ist auch nicht bekannt geworden, daß in den neueren Kriegen dies je geschehen. Kein neutrales Privatschiff darf sich der Untersuchung der Kriegführenden widerseßen, kein neutrales Kriegsschiff solchen Widerstand unterstüßen. Andererseits soll die Untersuchung ohne unnöthige Belästigung und möglichst schonend geübt werden, eben deshalb auch nur in solchen Fällen, wo eine Verlegung der Neutralitätspflicht angenommen werden kann. Es war daher widersinnig, daß in dem erwähnten Falle des Oceanus" das Russische Schiff das Deutsche anhielt, da unmöglich anzunehmen war, daß von Japanischen Gewässern aus der Türkei Contrebande zugeführt werden könne. Um für solche Behandlung Gewähr zu haben, ist das Untersuchungsrecht in zahlreichen Verträgen ge= regelt. Als gemeinsam geltend können davon folgende Vorschriften angenommen werden. Das Verfahren zerfällt in Anhaltung und Prüfung der Papiere. Erst wenn diese Verdacht über Verlegung der Neutralität schöpfen lassen, erfolgt Durchsuchung des Schiffes.

Das Kriegsschiff nähert sich dem neutralen Schiff bis auf eine, verschieden bestimmte Entfernung;3) es zeigt seine Flagge und giebt demselben durch einen blinden Schuß (coup de semonce, d'assurance), das Zeichen, beizulegen oder anzuhalten. Es war daher im Falle des „Trent" völkerrechtswidrig, daß der Amerikanische Capitän sofort scharf schoß. Dies darf erst geschehen, wenn das Schiff die Mahnung nicht beachtet oder sich der Anhaltung durch die Flucht zu entziehen sucht. Leistet es Widerstand, so wird es schon aus diesem Grunde gute Prise. Die blose Flucht reicht hierzu noch nicht aus, da es möglicher Weise nichts vom Kriegszustand wissen konnte; es wird eben als verdächtig aufgebracht. Die Confiscation in solchen Fällen kann aber rationell nur das Schiff treffen, nicht die Ladung, wenn sie keine Contrebande war, denn nur das Schiff machte sich des Widerstandes schuldig.

Nach dem Anhalten des Schiffes erfolgt die Prüfung der Papiere, sei es an Bord des Kreuzers oder des neutralen Schiffes. Das Preußische, Dänische und Oesterreichische Reglement bestimmen, daß der Capitän des Kreuzers den des Schiffes mit seinen Papieren an Bord kommen lassen soll. Frankreich, Rußland und Italien schreiben das Gegentheil vor, und Deutschland selbst hat mehrere Verträge geschlossen, worin dies be stimmt wird. So heißt es im Art. 17 des Vertrages mit Mexico von 1869: Die Prüfung der Papiere geschicht nur an Bord des visitirten Schiffes, und dürfen dieselben nicht mitgenommen, noch auch der Capitän, die Officiere oder Mannschaft unter irgend welchem Vorwand genöthigt werden, sich an Bord des visitirenden Schiffes zu begeben." Ebenso Art. 24 des Vertrages mit Costa-Rica von 1875, „daß in keinem Falle der neutrale Theil genöthigt werden könne, an Bord des durchsuchenden Schiffes zu gehen, weder um seine Papiere vorzuzeigen, noch zu einem anderen Zwecke." Ebenso Artikel 24 des Vertrages von 1875 zwischen den

Vereinigten Staaten und Peru und Art. 18 des Vertrages zwischen den Vereinigten Staaten und Italien, its boat with two or three men only". Sicher ist dies das Richtige, denn wie bemerkt, ist das Gegentheil gleich bedenklich für Kriegführende wie Neutrale. Der erstere kann an Bord seines Schiffes leichter durch mitgebrachte falsche Papiere getäuscht werden. Für den Neutralen hat ein derartiger Befehl eines Commandanten, unter dessen Autorität er nicht steht, etwas Demüthigendes und setzt ihn längerem Verzuge und Festhaltung seiner Papiere aus. Das Institut de droit international sagte deshalb in seinem Project eines Règlement des Prises Maritimes gewiß zutreffend: Le navire arrêté ne pourra jamais être requis d'envoyer à bord du navire de guerre son patron ou une personne quelconque, pour montrer ses papiers ou pour toute autre cause.'

Zum Zwecke der Prüfung begiebt sich ein sogenanntes VisitationsCommando von 1-2 Officieren mit 2-3 Mann an das Schiff, um aus dessen Papieren die Nationalität, die Bestimmung und die Natur der Ladung festzustellen.

Diese Papiere sind:

1. diejenigen, welche das Eigenthum des Schiffes bezeugen, also das Certificat1) seiner Eintragung in die Handelsmarine seines Staates und der Seepaß;

2. die Musterrolle der Mannschaft, welche die Nationalität des Capitäns bekundet;

3. der Frachtbrief, das Manifest und Ladeschein, aus welchen Natur und Bestimmung der Ladung erhellt;

4. das Schiffstagebuch, welches den bisherigen Cours des Schiffes zeigt. Es war deshalb wiederum völkerrechtswidrig, daß im Trentfalle der Amerikanische Capitän einen großen bewaffneten Kutter entsandte, und nicht die Papiere, sondern die Passagierliste des Schiffes zu sehen verlangte, worauf er sofort die Conföderirten Agenten festnahm. Der Befehlshaber des Kreuzers hat es allein mit dem Capitän des neutralen Schiffes zu thun, der allein für dasselbe verantwortlich ist.

Werden alle Papiere in Ordnung gefunden, so kann das Schiff seine Reise fortseßen. Erscheinen dieselben aber unzureichend oder ergeben sich Verdachtsgründe, daß sie gefälscht oder zerstört sind, oder das Schiff Contrebande, feindliche Truppen oder Depeschen versteckt hat, kurz, sich einer Verlegung der Neutralitätspflicht schuldig gemacht, so schreitet man zur Durchsuchung desselben (search, recherche im Unterschied der blosen visit, visite). Diese erfolgt unter Zuziehung des Capitäns des neutralen Schiffes, der auf Verlangen verschlossene Behälter öffnen muß und durch Weigerung den Verdacht steigert. Ergiebt die Durchsuchung die Be stätigung des Verdachtes, so erfolgt die Aufbringung des Schiffes.5) Die Aufbringung des neutralen Schiffes ist gestattet:

1. wenn es sich der Anhaltung oder Untersuchung thatsächlich widersett;

2. wenn es auf einem Blokadebruch gefaßt wird (§ 167);

3. wenn es dem Kriegsgegner des Captors Truppen zuführt oder Transportdienste leistet;

4. bei sonstiger einfacher Contrebande in den § 162 angeführten Fällen;

5. wenn sich aus den Papieren ergiebt, daß das Schiff früher ein feindliches war und nicht bona fide neutrales Eigenthum geworden ist;

6. wenn seine Papiere nicht in Ordnung sind, so daß es notorisch verdächtig ist, also wenn es doppelte, oder wahrscheinlich falsche oder gefälschte Papiere führt, wenn es keine Papiere führt oder die seinigen beseitigt hat, zumal wenn dies geschehen, als der Kreuzer bereits in Sicht war, endlich auch, wenn es sich über seine Nationalität nicht gebührend auszuweisen vermag.

Liegt einer dieser Fälle vor, so hat der Captor das Recht und die Pflicht, das Schiff in seinen Hafen zu bringen, damit dort die Sache untersucht und entschieden werde. Wie er bei der Anhaltung des Schiffes möglichst schonend verfahren soll, so soll er auch bei der Aufbringung und Heimführung desselben mit möglichster Rücksicht für Schiff und Ladung verfahren. Er haftet dem Eigenthümer sowohl für den Schaden einer nicht gerechtfertigten Beschlagnahme, als für Havarien, welche Schiff und Ladung durch seine Schuld erleiden, wie für schuldhafte Verzögerung in der Erfüllung seiner Pflichten, dagegen nicht für Seeunfall. Er ist verpflichtet zu sorgen, daß nichts von der Ladung verloren gehe, aber auch, daß nichts von derselben beseitigt werde, weshalb sie unter Verschluß gelegt wird, nachdem ein Inventar derselben und ein Protokoll über den ganzen Vorgang der Beschlagnahme aufgenommen ist, in welchem die Gründe derselben angeführt sind und welches mit allen Papieren des Schiffes an die competente Behörde des Captors zu adressiren ist. Zerstörung eines neutralen Schiffes ist nur im äußersten Nothfall zu gestatten, da dieser Fall offenbar von dem eines unbezweifelt feindlichen Schiffes, bei dem die Verurtheilung sicher ist, zu unterscheiden ist. Solche Nothwendigkeit ist anzunehmen, wenn das Schiff nicht mehr seefähig ist, oder der Captor von einem überlegenen Feinde verfolgt wird. Jedenfalls aber muß derselbe einerseits die Mannschaft des genommenen Schiffes in Sicherheit bringen, die Papiere desselben sorgfältig erhalten, und bleibt andererseits dem Eigenthümer für die Zerstörung verantwortlich, falls das Prisengericht die Wegnahme nicht bestätigt.

Nach der Aufbringung hat der Captor das genommene Schiff möglichst rasch in den nächsten Hafen seines Staates oder eines Ver bündeten zu führen, wo eine Behörde vorhanden, um den Proceß einzuleiten.

Was den Loskauf neutraler genommener Schiffe betrifft (ransom, rançon), o gilt darüber im Allgemeinen das früher bei feindlichen Schiffen Gesagte. Es ist dort erwähnt, daß einige Staaten, namentlich England, den Loskauf überhaupt untersagen und nur ausnahmsweise zulassen. Frankreich, das denselben bei feindlichen Schiffen

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