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erlaubt, hat ihn bei Neutralen durch das Decret vom 2 Prairial des Jahres XI. untersagt. Der von Hautefeuille III. p. 262 dafür angeführte Grund, daß die Wegnahme des neutralen Gutes erst durch gerichtliche Entscheidung bestätigt werden müsse, scheint nicht zutreffend, da der Neutrale freiwillig auf den Vertrag eingeht und stets verlangen kann, in den Hafen des Captors geführt zu werden. Außerdem bemerkt Story mit Recht: „Nor is ransom, strictly speaking, a repurchase of the captured property. It is rather a repurchase of the actual right of the captors at the time be it what it may; or more properly, it is a relinquishment of all the interest and benefit, which the captors might acquire or consummate in the property by the regular adjudication of a Prize Tribunal" (Phillimore III. p. 645).

Der Capitän des neutralen Schiffes geht ja nur deshalb auf den Loskauf ein, weil er lieber die betreffende Summe zahlt, als sich der Gefahr und der Verzögerung ausseßt, die ihm aus einer Fortführung in den Hafen des Captors erwachsen würden, sowie der Lettere vorzieht, die geringere, aber sichere Summe des Loskaufs zu nehmen, statt sich der Mühe zu unterziehen, das Schiff in seinen Hafen zu bringen und das Ergebniß des richterlichen Verfahrens abzuwarten. Großen praktischen Werth hat die Frage des Loskaufs für die Gegenwart nicht, da, wie Phillimore bemerkt: „the custom of demanding ransom is now nearly extinct among civilized nations". In den neueren Kriegen find Fälle desselben nicht vorgekommen.

Hinsichtlich der Wiedernahme eines neutralen Schiffes gehört dasselbe, wenn es bereits endgültig verurtheilt ist, dem Recaptor, da es in das Eigenthum des Gegners übergegangen ist. Eben deshalb kann dieser Fall, wie Martens p. 141 bemerkt, nicht eigentlich als Wiedernahme, sondern nur als neue Prise angesehen werden. Erfolgt aber die Wiedernahme vor der Verurtheilung, so scheint aus inneren Gründen die Zurückgabe an den Eigenthümer gegen angemessene Belohnung ge boten. Ein nationales Schiff, das vom Feinde genommen wird, wäre ohne die Wiedernahme verloren gewesen. Die Verurtheilung des Neutralen ist vorläufig unsicher; war die Wegnahme nicht gerechtfertigt, so hebt die Wiedernahme nur eine rechtswidrige Handlung auf, aber selbst wenn eine die Wegnahme rechtfertigende Thatsache vorliegt, wie Zufuhr von Contrebande an den Feind, Depeschendienst u. s. w., so geschah sie ja im Interesse des Kriegführenden, dem der Recaptor angehört, oder seiner Verbündeten. Schiff und Ladung sollte also dem Eigenthümer zurückgegeben werden, und es kann nur eine Vergütung für die aufge wandte Mühe beansprucht werden. Nach der älteren Praxis wurde allerdings das wiedergenommene, mit Contrebande beladene Schiff, das als solches der Verurtheilung Seitens des ersten Captors unterlegen hätte, nicht zurückgegeben (Code des Prises von 1784). Später geschah dies, doch wurde in Ansehung des wirklichen Gewinnes, der dem Neutralen durch die Wiedernahme erwuchs, eine Vergütung berechnet. So

sagt Halleck ch. XXXV., § 19: „Neutral property recaptured from the enemy, if not subject to condemnation by the rules of international law, is not subject to pay salvage to the recaptor. But if it be shown, that the recaptured vessel of the neutral would in all probability, have beer condemned, if she had been carried into the enemy's ports and subjected to the decisions of the enemy's tribunals, a real benefit has been conferred upon the neutral by the recapture, and a reasonable salvage will be allowed," so z. B. bei einem Schiff ohne ausreichende Papiere. So entschieden auch die Englischen und Amerikanischen Prisengerichte während der Revolutionskriege. (Wheaton ed. Dana § 366.)

Von neueren Prisen - Reglements sprechen manche nur von der Wiedernahme nationaler Schiffe und übergehen die der neutralen mit Schweigen; so das Preußische von 1864 § 10, die Englische Prize Act von 1864, ch. IV., § 40. Doch wird in England die neutrale wiedergenommene Prise unter der Bedingung der Gegenseitigkeit) gegen Ver. gütung von einem Achtel des Werthes zurückgegeben. Mit voller Klar, heit stellt diesen Grundsaß der Prize Code of the United States vom 30. Juni 1864 § 29 auf, wenn das Eigenthum gehörte persons residing within the territory and under the protection of any foreign prince, government, or State in amity with the United States and by the law or usage of such prince, government or State, the property of a citizen of the United States would be restored under like circumstances of recapture, it shall be adjudged to be restored to such owner upon his claim, upon such terms as by the law or usage of such prince, government or State would be required of a citizen of the United States under like circumstances of recapture; and when no such law or usage shall be known, it shall be adjudged to be restored upon the payment of such salvage, costs and expenses as the court shall order." (Wheaton ed. Dana, § 371, Note 175.)

Von Verträgen über diese Frage liegen nur wenige ältere vor. Rechtlich kann kaum ein Zweifel über die Sache sein. So sagt Portalis in dem Falle der Statira", eines 1809 von einem Englischen Kaper genommenen und von einem Französischen wiedergenommenen Amerikanischen Schiffes: d'après le droit commun général un navire se prétendant neutre repris sur l'ennemi ne devient confiscable qu'autant qu'il ne peut justifier de la neutralité. Il faut se conduire à son égard comme se serait conduit l'ennemi lui-même sur lequel nous l'avons repris. Or chez l'ennemi le navire dont il s'agit n'aurait appartenu au capteur qu'autant qu'il aurait été déclaré de bonne prise par le magistrat. Donc nous devons, malgré la recousse, observer les mêmes formes. Les droits de la neutralité doivent être respectés partout et toujours." Im Amerikanischen Bürgerkriege befreite sich die gefangene Mannschaft des von den Nordstaaten genommenen Englischen Schiffes „Emily St. Pierre", das nach Philadelphia gehen sollte, und brachte es nach Liverpool. Der Amerikanische Gesandte forderte dessen Auslieferung, England weigerte

sie, da dies kein Vergehen für den Neutralen sei, und das Recht des Eigenthümers durch kein prisengerichtliches Urtheil hinfällig geworden sei, obwohl die Vereinigten Staaten natürlich berechtigt gewesen seien, das Schiff wieder zu nehmen. Merkwürdigerweise hatten 1801 die Vereinigten Staaten dasselbe, von England gestellte Verlangen aus den selben Gründen abgelehnt, die Lord Russell 1862 gegen die Amerikanische Forderung geltend machte.

Wird der Captor mit seiner neutralen Prise in einen feindlichen Hafen getrieben, so liegt der Fall der Wiedernahme vor. Das Schiff wird frei, indem es in die Gewalt des Gegners kommt. Kommt der Captor mit der neutralen Prise in einen Hafen des Landes derselben, so ist das Gericht dieses Staates competent, über das Schicksal des genommenen Eigenthums nach seinen Gesezen zu entscheiden. Dagegen hat, wenn die Prise in den Hafen eines fremden neutralen Staates gebracht ist, dieser nicht über ihre Rechtmäßigkeit zu entscheiden; er hat die Mannschaft und das Schiff während ihres Aufenthaltes in seinem Gebiete zu schützen, aber sich nicht in die Streitfrage selbst zu mischen, ausgenommen, wenn seine Neutralität bei der Wegnahme selbst verlegt wurde, also z. B. wenn das Schiff durch Boote des Captors, der in dem neutralen Hafen lag, genommen ist. Ebenso kann der neutrale fremde Staat prüfen, ob der Captor überhaupt völkerrechtlich berechtigt war, Prisen zu nehmen.

1) Ob feindliches Staatsgut unter neutraler Flagge weggenommen werden kann, wie Perels annimmt (S. 290), erscheint sehr zweifelhaft. Das in der Seerechtsdeclaration gebrauchte Wort „marchandise“ bedeutet nicht nothwendig Privateigenthum; eine der feindlichen Regierung gehörige Ladung Getreide oder Wolle ist unzweifelhaft marchandise.

2) Diesen Vorbehalt macht auch die Französische Instruction vom 31. März 1854, die übrigens sich mit der schriftlichen Erklärung des Befehlshabers der Convoy begnügt: „Si cependant vous aviez lieu de soupçonner que la religion du commandant a été surprise, vous communiquerez vos soupçons à cet officier qui procédérait seul à la visite des bâtiments suspectés.“

3) Manche Verträge nennen Kanonenschußweite, andere außerhalb Kanonen. schußweite, z. B. zwischen dem Zollverein und Mexico von 1869, Art. 17, Deutschland und Costa-Rica von 1875, Art. 24. Ein feste Norm ist hier schwer einzu. halten wegen Wetter und Meer. Das Preußische Prisen-Reglement von 1864, § 11, sagt deshalb einfach: „Der Befehlshaber des Kreuzers giebt dem Schiff das Signal, beizulegen oder zu stoppen." Art. 24 des Vertrages zwischen den Vereinigten Staaten und Peru vom 6. September 1870 sagt, daß das Kriegsschiff ,,shall remain at the greatest distance compatible with the possibility and safety of making the visit, under the circumstances of wind and sea and the degree of suspicion of the vessel to be visited", und Art. 18 des Ver trages zwischen den Vereinigten Staaten und Italien vom 26. Februar 1871 ,,at a convenient distance".

*) Das Norddeutsche Gesetz vom 25. October 1867, § 9, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe sagt: „Durch das Certificat wird das Recht des Schiffes, die Bundesflagge zu führen, nachgewiesen. Zum Nachweise dieses Rechtes ist insbesondere ein Seepaß nicht erforderlich.“

5) Die Fassung des Institut de droit international von 1877 jagt: „Le droit de visite peut être exercé par les vaisseaux de guerre de puissances belligérantes sur de vaisseaux marchands en vue de vérifier leur nationalité, de rechercher les objects susceptibles de saisie et de constater une rupture de blocus. Le droit de visite peut être exercé depuis le moment où la déclaration de guerre a été notifiée jusqu'à la conclusion de la paix. Il est suspendu pendant une trève ou un armistice. Il peut s'exercer dans les eaux des belligérants comme sur la haute mer, mais non sur les vaisseaux de guerre neutres ni sur ceux qui appartiennent ostensiblement à un Etat neutre. Le commandant du vaisseau qui opère la visite doit se borner à l'inspection des papiers de bord. Il n'est autorisé à se livrer à une recherche du navire que si les papiers de bord donnent lieu de soupçonner la fraude ou fournissent la preuve de celle-ci, ou s'il y a des motifs sérieux de présumer la présence à bord d'objets destinés à la guerre."

6) Revue de droit international X., p. 193. Sir W. Scott im Falle der „Santa Cruz" 1796: „The liberal and rational proceeding would be to apply in the first instance the rule of that country to which the recaptured property belongs."

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Prisengerichte für die Neutralen.

Die Wegnahme eines neutralen Schiffes oder seiner Ladung durch einen Kriegführenden ist nur ein provisorischer Act, der das Eigenthum des neutralen Unterthanen noch nicht aufhebt. Ueber dasselbe wird erst durch richterlichen Spruch entschieden, und geht dieser auf Freigebung, so hat der Captor, bezw. dessen Regierung die Unkosten zu tragen oder selbst den Neutralen zu entschädigen. Die entscheidende Behörde ist das Prisengericht des Nehmestaates, von dessen Bildung bereits beim Seekriegsrecht die Rede war. Der Grundsaß, daß das Gericht des Nehmestaates über neutrales Eigenthum entscheide, ist wohl bestritten, namentlich von Friedrich dem Großen 1752 England gegenüber, weil das Meer frei und das neutrale Schiff, als Theil seines Gebietes, nur den Gerichten seines Landes und nicht denen eines dritten Staates für das verantwortlich sei, was es auf hoher See gethan.

Die Theorie, daß Schiffe Theile ihres Gebietes seien, ist allerdings nur für Kriegsschiffe unbedingt zutreffend; Handelsschiffe sind es nur insofern, als für ihre Verhältnisse an Bord auf hoher See das nationale Recht maßgebend ist. Im Gebiete des internationalen Rechtes sind sie keineswegs unantastbar, insbesondere ist das Durchsuchungsrecht im Kriege und die Wegnahme von Contrebande unbestritten. Gleichwohl liegt in

der Beschwerde das Wahre, daß es eine Anomalie ist, Fremde zwangsweise vor das Gericht eines dritten Staates zu bringen, und die Ent gegnung von Hautefeuille, daß der Neutrale, welcher seine Pflichten verlegt, sich ad hoc gegen den Kriegführenden einer Feindseligkeit schuldig macht und somit seiner Jurisdiction verfällt, wenn er dabei ergriffen wird (Droits et devoirs III., 291) ist eine petitio principii, da die Frage, ob der Neutrale sich eine solche Verletzung hat zu Schulden kommen lassen, eben erst durch das Gericht entschieden werden soll. Unzweifelhaft ist die Prisengerichtsbarkeit über Neutrale eine sehr unvollkommene und einseitige Institution.

Die Competenz der ordentlichen Gerichte eines Staates über einen Fremden und sein Eigenthum ist dadurch begründet, daß er sie entweder selbst anruft, wenn er klagt oder sich ihnen unterwirst, indem er sich auf ihr Gebiet begiebt, bezw. sein Eigenthum dort sich befindet. Die Competenz des Prisengerichtes für feindliches Eigenthum ist im Kriegszustande begründet. Der Nehmestaat will durch gerichtlichen Spruch die Gewähr geben, daß Schiff und Ladung wirklich feindlich sind. Aber was das neutrale Eigenthum betrifft, so wird dasselbe, welches einem Unterthanen eines Staates gehört, mit dem der Nehmestaat in Frieden lebt, gewaltsam vor ein fremdes Gericht gebracht, das über sein Schicksal entscheidet. Alle Erklärungen berühmter Admiralitätsrichter, daß das Gericht seiner Aufgabe gemäß ein internationales sei, weil es nach Völkerrecht urtheile und deshalb ebensowohl dem Neutralen wie dem Kriegführenden angehöre, können den Prisengerichten keinen internationalen Charakter geben. Troß alles Scharfsinns ihrer Mitglieder und troz des lobenswerthesten Bestrebens, unparteiisch zu sein, bleibt die That sache, daß die Prisengerichte in eigener Sache entscheiden, über fremde Unterthanen richten, hinsichtlich deren sie bei der Freiheit des Meeres das forum delicti nicht und das forum arresti sive deprehensionis nur dann geltend machen können, wenn die Verlegung der neutralen Pflichten feststeht. Sie urtheilen nach ihrer Auslegung der betreffenden völkerrechtlichen Grundsäße, unterwerfen die Neutralen ihrem Verfahren und legen ihnen auf, ihre Unschuld zu beweisen. Die oft unerhörten Urtheile Englischer Prisenrichter in der Zeit der Britischen Seeherrschaft, die der Amerikanischen im letzten Bürgerkriege, von denen das früher erwähnte im Fall des „Springbok" das schlimmste Beispiel bietet, zeigen, daß die Rechte der Neutralen auf diese Weise nur zu oft preisgegeben find. Auf der anderen Seite aber würden Prisengerichte der Neutralen ebenso in eigener Sache richten und daher nach der anderen Seite keine größere Gewähr der Unparteilichkeit bieten. England war daher berechtigt, sich dagegen zu widersetzen, als Friedrich der Große in dem angeführten Falle eine Preußische Commission einsehte, die darüber entscheiden sollte, ob Preußische Fahrzeuge, welche in dem Kriege von 1744-1748 ge wisse Waaren nach Frankreich verschifft, die Neutralität verlegt hätten. Die Auskunftsmittel, welche man gebraucht oder befürwortet, um den

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