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schlüssen enthaltenen Bestimmungen betreffen. Wir finden in den Friedensschlüssen allgemeine und besondere Artikel. Die allgemeinen Artikel, welche in den meisten Verträgen wiederkehren, enthalten Be stimmungen über das Aufhören der Feindseligkeiten, Auswechselung der Gefangenen, Wiederaufnahme des Handels, die Amnestieclausel u. s. w., kurz über Verhältnisse, die nach jedem Kriege zu regeln sind. Die besonderen Artikel enthalten die im einzelnen Falle wichtigen Friedens. bedingungen, so z. B. die Gebietsabtretungen, Zahlungen u. s. w.

Von diesen Artikeln werden die Separatartikel unterschieden, die sich entweder auf die Ausführung des Friedens beziehen, oder auch nur eine reservatio enthalten, wie z. B. der oben (§ 173, Note 7) erwähnte Artikel der Wiener Congreßacte. Die Ausführung einzelner Bestimmungen erfolgt wohl auch in Additionalartikeln, über die wir später handeln werden. Die Separat und Additionalartikel, welche die gleiche Wirkung wie die Hauptartikel haben, sind öffentliche oder geheime. Solche geheime Zusazbestimmungen wurden z. B. 1797 zu Campo Formio und am 22. August 1866 durch besondere (im April 1867 veröffentlichte) Bündnißverträge zwischen Preußen und den Süddeutschen Staaten über den Anschluß an ersteres im Falle eines Krieges getroffen. Die Form des Friedensschlusses ist folgende:

Der Eingang führt die Namen der Bevollmächtigten auf und enthält die bekannte Clausel, daß die Vollmachten in guter und regelrechter Form befunden werden. Früher pflegte die Eingangsformel sehr ausführlich zu sein, indem sie vor Allem sich über Wunsch und Motive des Friedens verbreitete. Auch war es früher üblich, im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes zu beginnen. So fängt der Friede von Baden vom 7. Sept. 1714 an: „In Nomine Sacro Sanctae Trinitatis, Patris Filii et Spiritus Sancti. Notum sit universis!" Selbst in dieser Anfangsformel zeigt sich, wie das Streben der diplomatischen Sprache dahin geht, immer kürzer und knapper zu werden. Heißt es hier schon nur notum sit universis", so beginnt der Ryswiker Friede 1697 „notum sit omnibus et singulis, quorum interest" und das Instr. Pacis Monasteriensis (1648) notum sit universis et singulis, quorum interest aut quomodolibet interesse potest". Sodann folgte früher gewöhnlich eine rhetorische Schilderung des ferale bellum cum multa sanguinis Christiani effusione et plurimarum provinciarum desolatione" etc. etc. und man verkündete dann die friedliche Formel pax sit Christiana, universalis et perpetua veraque amicitia“. Diese Formel findet sich noch in den Friedensschlüssen unseres Jahrhunderts, während jene Anrufung der Gottheit und die Auseinandersehung der Beweggründe gefallen ist.1)

Die Friedensschlüsse der neueren Zeit unterscheiden sich von den früheren dadurch, daß man gewissermaßen jezt gleich in medias res geht. Regelmäßig beginnt man heutzutage mit den besonderen Artikeln, welche die eigentlichen Friedensbedingungen enthalten, und läßt ihnen

erst die allgemeinen Artikel über Amnestie u. s. w. folgen oder schaltet diese zwischen die ersteren ein.)

An den Schluß stellt man die Separatartikel, die nur clauses de réserve" in Bezug auf Sprache, Formalitäten u. dergl. enthalten, sowie die Bestimmungen über die Art und Weise, wie weitere Puncte geregelt werden sollen.

Der letzte Artikel sezt Art, Ort und Frist der Ratificationen fest. Es folgt sodann die Unterzeichnung und Untersiegelung der ausgefertigten Urkunde, und es wird hierüber ein kurzes Protokoll (protocole de signature) aufgenommen; vgl. z. B. Martens, Nouveau Recueil XIX. S. 697). Zu dem festgesezten Termine findet schließlich unter Aufnahme eines Protokolls die Auswechselung der Ratificationsurkunden statt.)

Meistens ist das Friedenswerk damit nicht abgeschlossen. Vielmehr sind oft noch nachträglich eine Reihe einzelner Angelegenheiten zu ordnen, insbesondere wenn eine Gebietsabtretung stattgefunden hat. Ueber solche Angelegenheiten müssen dann zusäßliche Uebereinkommen getroffen werden. Dieselben haben die gleiche Kraft, wie das Friedensinstrument selbst, und werden zuweilen ausdrücklich als integrirender Bestandtheil desselben bezeichnet. Ihre Zahl ist ost eine sehr große, wie aus der unten zu § 176 gemachten Bemerkung hinsichtlich der Uebereinkünfte zwischen Deutschland und Frankreich hervorgeht. (S. 811.)

1) Auch der Friede zu Constantinopel beginnt „Au nom de Dieu ToutPuissant“. Vgl. die älteren Friedensschlüsse in den oben angeführten Sammlungen. S. auch die Noten zu § 333 von Martens- Vergé. Im Gegensatz zu den sehr breiten Friedensschlüssen der früheren Zeit vgl. Beispiel eines besonders kurzen vom Jahre 1800 in Martens, Recueil VII., 513.

2) Calvo § 2943 sagt fälschlich, daß die allgemeinen Artikel voranstehen. Vgl. jedoch z. B. den Frankfurter Frieden von 1871.

3) Vgl. z. B. Martens, Nouveau Recueil XIX. a. a. O. und R.-G. Bl. 1871, S. 240.

§ 175.

Inhalt und Wirkung des Friedensschlusses. A. Allgemeine
Wirkung. Amnestie.

Literatur und Verweisungen: Heffter §§ 179–181.
S$ 708-716. Grotius III., 6.

Bluntschlt

Insbes. Hall § 197 ff., Woolsen

§ 160, Phillimore § 524 ff., Wheaton IV., 4, §§ 3, 4, Halled § 8 ff.
Vattel § 19, Calvo SS 2949 ff. Ueber Amnestie: Grotius III.
20, 15.
Cocceji, De postliminio et amnestia, 1691.

Steck

De amn. (obs. subsec. 13). Westphals, Teutsches Staatsrecht in Abhandlungen (1784), Nr. 2. Dissertationen von Catalani (Venedig 1605, 1649), Foreri (1640). Siebenkes. Jurist. Magazin I., 10. Weitere Literatur bei Ompteda § 327, Klüber § 324, N. a., Calvo § 2955, Halleck § 11.

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Der Friedensschluß kann regelmäßig als ein Compromiß aufgefaßt werden, da bei strengem Festhalten an den Principien die Parteien niemals zum Frieden gelangen würden. Trozdem beendigt der Friedensschluß auch den Rechtsstreit unter den kriegführenden Mächten, selbst wenn hierüber keine ausdrückliche Entscheidung getroffen ist. Gerade in diesem Punct liegt der wesentliche Unterschied des Friedensschlusses vom Waffenstillstande. Dieser seht die Rückkehr zu den Feindseligkeiten voraus und ist der Regel nach auf Zeit geschlossen. Der Frieden bezeichnet die Rückkehr zu freundschaftlichen Verhältnissen und schließt jene Absicht, die Waffen wieder zu ergreifen, aus. Stillschweigend oder ausdrücklich wird anerkannt, daß Genugthuung für geschehene Unbill erlangt oder darauf verzichtet sei.1) Als ersten Artikel finden wir daher sehr häufig jene oben erwähnte Formel von ewiger Freundschaft 2c. Diese Formel ut pax pia aeterna sit" ist bereits den alten Römern bekannt. Aber hier zeigt sich ein merkwürdiger Gegensatz ihrer Anschauungen, wie der der modernen Culturwelt gegenüber den Hellenen. Diesen erschien es widersinnig, einen „ewigen" Frieden zu schließen, und wir finden bei ihnen mehrfach Friedensschlüsse auf vierzig oder hundert Jahre.2)

Der Friedensschluß bewirkt die gänzliche Einstellung aller kriegerischen Actionen (über den Zeitpunkt der Wirksamkeit vergl. unten § 178). Alle Requisitionen und Contributionserhebungen hören auf. Auch wenn Leistungen bereits versprochen sind, dürfen sie nach dem Friedensschluß doch nicht erhoben werden. Privatrechtliche Verträge aber, durch welche Einzelne sich von gewissen Kriegsleistungen befreiten, können gültig bleiben. Hier ist jedoch zu prüfen, ob eine wirklich bindende Verpflichtung vorliegt und nicht etwa selbige lediglich auf Gewalt beruht.3)

Eine weitere Wirkung des Friedens ist die, daß jeder Staat dadurch wieder in Besiz seiner früheren Rechte und Länder gelangt, sofern die (im nächsten Paragraphen zu erörternden) besonderen Artikel nichts anderes bestimmen. Auch hier wird von der Völkerrechtswissenschaft eingehend die Frage erörtert, ob der Status quo ante (bellum) oder der gegenwärtige Besigstand, das „Uti possidetis" - wie man in ungeschickter Anlehnung an die Terminologie des Römischen Privatrechts sagt maßgebend sein solle. Die Frage wird meist in dem legteren, unserer Auffassung entgegengesezten Sinne entschieden. Man darf sich nicht verleiten lassen, den Fall dem oben (§ 171, 2) erörterten gleichzustellen. Bei einer Beendigung des Krieges durch blos factische Einstellung der Feindseligkeiten ist das Uti possidetis maßgebend, nicht aber bei einem förmlichen Friedensschluß. Hier gilt mangels besonderer Festsetzungen die Rückkehr zum früheren Besigstande als beiderseits gewollt.*)

Von dem Status quo bellum res reliquit kann nur hinsichtlich der zu übergebenden Gegenstände, abzutretenden Länder, Festungen u. s. w. die Rede sein. Es wäre rechtswidrig, etwa nicht consumirte Früchte zu verlangen oder eine Festung zu schleifen u. dgl.5) Es war nicht richtig, daß z. B. Rußland 1856, als es Kars zurückgab, noch die Wälder der Umgegend abholzte.

Regelmäßig werden in den Friedensschlüssen die Bedingungen festgesezt, unter welchen die Entlassung der Kriegsgefangenen statt zufinden hat. Während früher ein specieller Austausch der Individuen nach Maßgabe ihres Ranges stattfand, erfolgte schon u. A. nach den Bestimmungen des Hubertusburger Friedens (Art. 7) die Auswechselung sans rançon et sans égard à leur nombre ou à leur grade militaire". Obwohl de jure mit dem Eintritt des Friedens der Begriff des Kriegs. gefangenen nicht mehr besteht, der Kriegsgefangene frei wird, müssen doch Maßregeln zu geordneter Uebergabe und Entlassung getroffen werden. Theils können Commissare von beiden Theilen zur Erledigung dieser Angelegenheit bestellt werden so geschah es nach dem erwähnten Artikel des Hubertusburger Friedens, theils werden besondere Verträge hierüber geschlossen, so die Uebereinkunft von Ferrières vom 11. März 1871 (Martens XIX., 679). Auch kann die Entlassung an Bedingungen geknüpft und eine Garantie gegen mögliche Gefährdungen verlangt werden, wie dies im Frankfurter Frieden, Art. 10, geschah. Anerkannt ist, daß eine Entlassung der Gefangenen erst nach Berichtigung der von ihnen contrahirten Schulden erfolgen kann, während über die Vergütung der Unterhaltskosten besondere Bestimmungen getroffen werden müssen; wenn nicht, gelten dieselben durch die allgemeine Kriegskostenentschädigung als gedeckt. Eine bestrittene Frage, die im Jahre 1871 auftauchte, war die, ob solche Kriegsgefangene, die wegen Disciplinarvergehen von den Militärgerichten zu Gefängniß verurtheilt wurden, zu entlassen seien.") Die Preußische Regierung erachtete diese Vergehen den gemeinen Delicten gleich und hielt die Betreffenden bis nach vollständiger Verbüßung ihrer Strafe, bezw. bis nach Erlaß durch Begnadigung zurück. Diese von der Französischen Regierung mißbilligte Ansicht läßt sich in der That von einem abstract juristischen Standpuncte sehr leicht anfechten. Die Kriegsgefangenschaft, welche die Veranlassung jener Delicte war jagt manist de jure erloschen, auch ihre Folgen müssen mit Beendigung des Krieges gehoben sein; eine Strafvollstreckungsgewalt besiße der Staat über diese Soldaten, die nicht mehr „Kriegsgefangene" seien, so wenig wie eine Disciplinargewalt. Mag dies auch richtig sein, so muß man sich doch hüten, in dieser Frage rein theoretisch entscheiden zu wollen. Praktische Gesichtspuncte lassen es wohl gerechtfertigt erscheinen, daß diejenigen, die sich in den letzten Tagen gegen die Disciplin vergangen, nicht gleich. zeitig mit den llebrigen entlassen werden. Gerade in den letzten Tagen der Kriegsgefangenschaft, das ist bekannt, kommen sehr leicht Widerseßlichkeiten vor; sobald sich das Gerücht verbreitet, daß der Friede in naher

Aussicht steht, glaubt der Kriegsgefangene sich Manches herausnehmen zu dürfen, in dem Gedanken, daß der feindliche Staat bald keine Gewalt mehr über ihn hat. Es kann danach in der That fraglich sein, ob mit jenem meist vertheidigten Princip nicht der Insubordination in der lezten Zeit der Kriegsgefangenschaft Vorschub geleistet wird, und es kann auch sehr zweifelhaft erscheinen, ob eine sofortige Entlassung der Bestraften, gleichzeitig mit der der übrigen Kriegsgefangenen, wirklich gerecht ist.

Eine gewöhnliche und vielbehandelte Bestimmung der Friedensinstrumente ist die Amnestieclausel. Dieselbe ist so üblich, daß angenommen wird, es sei die Amnestie eo ipso mit dem Friedensschluß verbunden, möge auch dieselbe nicht ausdrücklich verkündet sein. Seit Jahrhunderten wird die Amnestie als Panacee gegen alle Wunden betrachtet, die der Krieg geschlagen, und vielfach sogar dem Frieden selbst gegenübergestellt.") Dieser, sagt man, entscheidet über die gravamina juris publici, jene über Beschädigungen und Verlegungen, deren die Einzelnen sich schuldig gemacht haben. Eine ältere Definition bestimmte die Amnestie in folgender Weise: amnestia est eorum quae durante discordia hostiliter ultro citroque facta sunt publice sancita oblivio", und man unterschied zwischen allgemeiner und specieller Amnestie, sowie man diejenige quae paci adjicitur und quae per se statuitur gegenüberstellte. Die Amnestieclausel ist auch heute üblich und muß als selbstverständlich gelten; sie findet sich in der einen oder anderen Form in allen neueren Friedensschlüssen.8)

Man pflegt jedoch neuerdings in den amtlichen Actenstücken den Ausdruck Amnestie" nicht mehr anzuwenden, sondern den Begriff ge. nauer zu umschreiben. Die Amnestie, welche früher oft zu weit aufge faßt und als allgemeine Aufhebung alles begangenen Unrechts, als oubli parfait du passé bezeichnet wurde, bedeutet jezt einmal, daß keine weitere Klage wegen Schädigungen und Unbilden, welche von den Angehörigen einer Kriegspartei wider die Angehörigen der anderen Partei während des Krieges verübt worden sind, zugelassen werde, sodann, daß wegen der politischen und militärischen Handlungen während des Krieges kein Unterthan des einen Staates von dem feindlichen Staate verfolgt, zur Untersuchung gezogen oder in seiner Person oder in seinem Vermögen gestört werde.

Damit ist die Amnestie im Allgemeinen bezeichnet. Man darf vielleicht sagen, sie ist theils civilrechtlich, theils strafrechtlich. Für jeden dieser Begriffe aber ist maßgebend, daß der Rechtsgrund derselben die exceptionelle Natur des Krieges ist, und daß sie dazu dienen soll, das Gefühl des Friedens zu befestigen. Immerhin aber ist es ein Beneficium, das hierdurch gewährt wird, und bedürfen die darauf bezüg lichen Bestimmungen einer einschränkenden Auslegung. Die Fragen, die hieraus entstehen können, sind nicht mehr blos völkerrechtliche, ja man könnte sie auf die zwei Fragen zuspizen: Welchen Einfluß übt der Krieg auf das Privatrecht und auf das Strafrecht? Die nähere Erörterung gehört daher auch in diese Gebiete. Hier sei nur folgendes bemerkt :

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