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Laßt uns nun noch einige Lehrstücke für uns herausnehmen und wohl beherzigen.

2.

Saulus war ein großer Verfolger der Christen; aber es find auch unter uns Christen die Saulus noch nicht ausgestorben. In diesen lieblosen Zeiten herrschen gegenseitig auch unter uns Christen noch immer Haß und Feindschaft, Groll und Rache, Erbitterung und Verfolgung.

Auf dem Wege nach Damascus umleuchtet den Saulus plöglich ein Lichtstrahl des Himmels, und eine Stimme ruft von Oben herab: „Saulus! Saulus! warum verfolgst du mich?"

So ein himmlischer Lichtstrahl leuchtet auch in dem Herzen eines jeden Menschen, das Gewissen nämlich, welches einem Jeden sagt, was recht oder unrecht, gut oder böse ist, wenn nur dieses Gnadenlicht nicht durch finstre Wolken verdunkelt wird. Jugendlicher Leichtsinn, böses Beispiel, Modesucht, Wohlleben, Ergöglichkeiten und böse Gewohnheiten sind solche finstere Wolken, die das göttliche Gnadenlicht des Gewissens nicht recht scheinen lassen und oft lange verdunkeln.

Da geräth man dann auf Irrwege, auf falsche Beruhigungen des Gewissens. Es ist nun einmal schon so Mode, heißt es; es ist nicht Alles gleich

Sünde, es thuns ja Andre auch, und es macht sich Niemand was draus. Dem Menschen ist ja ein Vergnügen und eine Ergöglichkeit erlaubt.

So wird das Gewissen eingeschläfert und endlich gar unterdrückt und zum Schweigen gebracht. Freilich wird sich das Gewissen nie so ganz zum Schweigen bringen und unterdrücken lassen, daß nicht hie und da ein Strahl dieses Lichts durchleuchte. Wenns früher nicht geschieht, so geschiehts auf dem Todbett gewiß. Dort wird dieses Licht in seinem vollen Glanz scheinen, und dem Menschen alle seine krummen und verderblichen Wege, die er ge= gangen ist, d. i. die ganze Größe seiner Sünden und Vergehungen vor Augen stellen.

Die Stimme von Oben herab ruft: „Saulus! Saulus! warum verfolgst du mich?" "Herr, wer bist du?" fragte Saulus. Und er bekam zur Antwort: „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ Diese Worte sind auch auf jeden Sünder anwendbar. Jeder Christ, der Böses thut, versündigt sich gegen Jesus, jedem Sünder kann Jesus zurufen: „Warum verfolgst du mich? Warum thust du, was mir zu= wider ist und mich ans Kreuz gebracht hat?" Diese Sprache kann Jesus gegen jeden Sünder führen." Oder meinst du etwa, es gehe den Heiland nichts an, wenn du Böses thust? Meinst du, .es gehe Den Nichts an, der am Kreuze für deine Sünden

gebüßt, dich erlöst und mit seinem Blut von der ewigen Verdammniß losgekauft hat?

Aus einem Saulus ist aber ein Paulus, aus einem Ungläubigen ein Gläubiger, aus einem Christenverfolger ein Apostel, aus einem Sünder ein Heiliger geworden. Und Jesus kann auch jezt noch aus einem Saulus einen Paulus, d. i. aus einem Sünder einen Gerechten machen. Die Betehrungsgeschichte des h. Paulus lehrt uns also, wie gnädig und barmherzig Gott der Herr gegen den Sünder, und wie glücklich und selig der Sünder ist, wenn er die Gnade des Herrn nicht verschmäht und seine Barmherzigkeit sucht. Amen.

Frühlehre auf das Feßt des h. Franz von Sales.

Gottes Willen thun macht uns tauglich für diese und die andre Welt.

„Dein Wille geschehe im Himmel wie

auf Erden."

Vaterunser.

Der heilige Franz von Sales, dessen Gedächtniß heute gefeiert wird, ist uns ein rechtes Beispiel dafür, daß die Erfüllung des göttlichen Willens den Menschen nicht traurig, sondern heiter, nicht un

Dreer, Frühlehren. III. 2. Abth.

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brauchbar für das Leben, sondern gerade ganz tauglich macht. Der h. Franz von Sales ist ein großer Heiliger gewesen; aber er war ein recht heitrer Mann, und man hat ihn nie traurig gesehen, außer wenn ihn die Sünden und Ungerechtigkeiten der Menschen betrübten. Er lebte sehr streng, er that den Willen Gottes auf's Vollkommenste, aber er hatte nichts Herbes und Finsteres an sich, sondern war gegen alle Menschen freundlich und heiter. Und nur die Tugend, nur die Erfüllung des göttlichen Willens hat ihn so heiter und so geschickt gemacht, mit allen Menschen in Liebe und Freundlichkeit auszukommen. Ja, wollen und thun, was Gott will: das ist die rechte Tugend, die rechte Frömmigteit, und diese ist die sicherste Führerin zum wahren Glück und zur wahren Freude.

Allein, das glauben die wenigsten Menschen, die Meisten sehen die rechte Frömmigkeit, die rechte Tugend, für ganz etwas Andres an, als sie wirklich ist. Die meisten Menschen lassen sich durch allerlei irrige Meinungen gegen die Tugend einnehmen und gehen daher blind auf Abwegen hin und her, und kommen deßhalb nie zum wahren Glück und zur wahren Freude.

Die Menschen haben von der Tugend allerlei irrige Meinungen; die gewöhnlichsten sind wohl folgende zwei: Einige glauben, die Tugend mache

traurig; Andere meinen, die Tugend tauge nicht recht in die Welt. Allein das sind zwei grobe Irrthümer. Ich will daher heute zeigen:

1) Wollen und thun, was Gott will, oder tugendhaft sein, macht uns nicht traurig, sondern freudig.

2) Wollen und thun, was Gott will, oder tugendhaft sein, macht uns tauglich und brauchbar

für diese und die andre Welt.

Gott gebe, daß ich beides meinen christlichen Zuhörern in der rechten Wahrheit und Klarheit zeigen könne! Laß, o Gott! diesen Wunsch in Erfüllung gehen zur Ehre Deines allerheiligsten Namens, in welchem ich jezt anfange. Seid bereit!

1.

Einige Menschen glauben, die Tugend mache uns traurig und verdamme uns zu einem freudenlosen Leben. Wenn das wahr wäre, meine Christen! wenn uns die Tugend an unserm wahren Glück, an unsrer wahren Freude hindern würde, so hätte Jesus, unser göttlicher Lehrer, ohne Zweifel öffentlich gesagt: „Menschen, traut der Tugend nicht! sie macht euch elend; hütet euch vor der Tugend! fie ist euer Unglück." Allein die Tugend für eine Ursache der Traurigkeit ansehen, das ist ein grober Irrthum. Die Tugend macht uns nicht traurig,

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