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Verschiedene Male in ihrem Leben hatten sie deshalb die Absicht, für immer die Feder niederzulegen. So sagt Rousseau: Ennuyé du triste métier d'auteur pour lequel j'étais si peu fait, j'avais depuis longtemps résolu d'y renoncer; quand l'Émile parut j'avais déclaré à tous mes amis à Paris, à Genève et ailleurs, que c'était mon dernier ouvrage et qu'en l'achevant je posais la plume pour ne pas plus reprendre.') Byron wollte dies ebenfalls und äusserte es z. B. in der Vorrede seines ersten öffentlich erscheinenden Werkes, den Hours of Idleness; dann, nachdem er seine English Bards and Scotch Reviewers herausgegeben hatte und auf Reisen ging; nach dem Erscheinen des Corsair beauftragte er sogar Murray alle seine Schriften zurückzukaufen und zu verbrennen, ein Entschluss, von dem er allerdings nach wenigen Tagen wieder zurückkam. Alles das beweist genügend, dass sie ihre Thätigkeit als Autoren durchaus nicht als einen ernsten Lebensberuf auffassten; wir haben im ersten Teil gesehen, wie sie für einen solchen überhaupt ungeeignet waren. Seltsam ist es aber doch, dass zwei Männer, die wie sie so Ausserordentliches auf dem Gebiete der Litteratur geleistet haben, sich so sehr dagegen sträubten, als Arbeiter auf diesem Gebiete zu gelten: Je me trouvai devenu homme de lettres par mon mépris même pour cet état, 2) sagt Rousseau, und Byron hätte dasselbe sagen können, seine Verachtung der ganzen litterarischen Gegenwart war es, die ihn die English Bards and Scotch Reviewers schreiben liess, mit ihnen begann seine Berühmtheit, mit ihnen wurde er daher ebenfalls homme de lettres. Wie Rousseau sich seinen Lebensunterhalt nicht in dem verachteten Schriftstellerberufe verdienen wollte, und deshalb Notenschreiber wurde, so finden wir auch lebenslänglich bei Byron dieselbe Abneigung für diesen Stand, es fehlt darüber nicht an seinen eigenen Aussprüchen: God help him! no one should be a rhymer, who could be any thing

1) L. à M. D. 8 août 1765. 2) L. à Beaumont.

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better.) It may seem odd enough to say, I do not think it (literature) my vocation, 2) und Moore bestätigt dies mit den Worten: he said always that a man ought to do something more for society than write verses.“3)

Aber ausser dem Umstande, dass sie vor allem Improvisatoren waren, und die Inspiration sie mehr beherrschte, als sie die Inspiration, gab es noch einen andern Grund, der sie zu dem eigentlichen Schriftstellerberufe ungeeignet machte: das war ihr Unabhängigkeitssinn, ihr Stolz, weder für Geld, noch für Anerkennung, noch für irgend Jemandes Belieben zu schreiben, sondern allein vom Geist getrieben: J'ai fait des livres, sagt Rousseau, mais jamais je ne fus un livrier.) Rien de vigoureux, rien de grand ne peut partir d'une plume toute vénale. Non, non: j'ai toujours senti que l'état d'auteur n'était, ne pouvait être illustre et respectable, qu'autant qu'il n'était pas un métier. Pour pouvoir, pour oser dire de grandes vérités, il ne faut pas dépendre de son succès. Je jetais mes livres dans le public sans aucun souci du reste). Je dédaigne également la louange et le blâme qui peuvent leur être dus). So schreibt auch Byron nicht für den Erfolg, so ist es auch ihm gleichgültig, wie man seine Schriften beurteilt:) I have been so praised elsewhere and abused alternately, that mere habit has rendered me as indifferent to both as a man at twenty-six can be to any thing. 8) I follow the bias of my own mind, without considering whether women or men are or are not to be pleased.) Besonders betont er, dass er nie der öffentlichen Meinung geschmeichelt hat: Come what may, I never will flatter the million's canting in any shape. The public opinion never led, nor ever shall lead me. 10) I have not written for their pleasure. If they are pleased, it is that they choose to be so; I have

1) Journal. Nov. 23. 1813. 2) To Moore Febr. 28. 1817. 3) M. II. 914. 4) 2. Dial. 5) Rousseau. 6, Histoire des Dialogues cf. Ap. 256. 7) Wir dürfen allerdings ihm sowohl wie Rousseau nicht so ganz aufs Wort glauben. In Bezug auf Rousseau cf. Ap. 249--251; in Bezug auf Byron cf. Ap. 252-255. 8) Journal. March. 20. 1814. 10) To Murray. Aug. 1. 1819.

9) To Murray. March. 15. 1822.

never flattered their opinions, nor their pride, nor will I.1) Er nennt sich: one who has not consulted the flattering side of human nature. 2)

Aus welchem Grunde schrieben sie denn nun? Wir haben es schon gesagt, sie schrieben aus reiner Inspiration, sie schrieben: par passion3). Mon talent est moins dans ma plume que dans mon cœur, sagt Rousseau, und Byron sagt dasselbe mit den Worten:

I have written from the fulness of my mind, from passion, from impulse, but never will I make „Ladies' books", „al dilettar le femine e la plebe."4) Er definiert sogar die Poesie überhaupt als ein überströmendes Gefühl, das seine Sprache findet, als Leidenschaft:

What is poesy but to create

From overfeeling good or ill.5)

Poetry is the expression of excited passion®)
Poetry, which is but passion.7)

Der Zustand, in dem sie beide ihre Werke schrieben, war allerdings ein höchst erregter, ein gewitterähnlicher, der sich im Blitz und Donner ihrer Beredsamkeit Luft machte 8).

Als Rousseau zuerst der Gedanke kommt zu seinem Discours sur les Sciences et les Arts befand er sich nach seiner eigenen Aussage dans une agitation qui tenait du délire, als er die ersten Theile der Nouvelle Héloïse niederschreibt, packt ihn der Gegenstand derart, dass er sagt: Je n'étais plus un moment à moi-même, le délire ne me quittait plus.

Byron schrieb den Giaour und die Bride of Abydos „in one of those paroxysms of passion and imagination“ 9) und sagt von dem III. Canto von Childe Harold: I was half mad, during the time of its composition 10). Wie Goethe

1) To Murray. Apr. 6. 1819. 247. 248. 3) cf. Moore I. 382.

4) to Murray. Apr. 6. 1819.

2) To Murray. Febr. 5. 1814. cf. Ap.

5) Proph. IV. 6) to Moore. July 5. 1827.

7) D. J. IV. 106.

8) cf. Ap. 260. 261.

9) Moore's Worte. M. I. 311.

10) to Moore. Jan. 28. 1817.

von sich sagte: „Aus jedem Leid mach' ich ein Lied,“ so war Byrons poetische Devise: All convulsions end with me in rhyme.1)

Das kleine Wörtchen „end“, das so wenig wichtig scheint, müssen wir indessen in vorliegendem Falle sehr betonen, denn bei unsern beiden Autoren finden wir die Thatsache, dass sie erst, nachdem die convulsions ihr Ende erreicht hatten, fähig sind ihre Gedanken zusammenzufassen und niederzuschreiben, während der eigentlichen Inspiration ist ihr

Brain

A whirling gulf of fantasy and flame.3)

So sagt Rousseau: Le sentiment, plus prompt que l'éclair, vient remplir mon âme; mais au lieu de m'éclairer, il me brûle et m'éblouit. Mes idées ne se présentent jamais qu'après coup. Noch deutlicher setzt er uns die Art seines Komponierens in folgenden beiden Stellen auseinander: Mes idées s'arrangent dans ma tête avec la plus incroyable difficulté. Elles y circulent sourdement; elles y fermentent jusqu'à m'émouvoir, m'échauffer, me donner des palpitations; et au milieu de toute cette émotion je ne vois rien nettement; je ne saurais écrire un seul mot; il faut que j'attende. Insensiblement ce grand mouvement s'appaise, ce chaos se débrouille, chaque chose vient se mettre à sa place, mais lentement et après une longue et confuse agitation.3) Ferner in der Stelle:

„Je travaillai ce discours (sur les Sciences et les Arts) d'une façon bien singulière et que j'ai presque toujours suivie dans mes autres ouvrages. Je lui consacrai les insomnies de mes nuits;4) je méditais dans mon lit, les yeux fermés, et je

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4) An einer andern Stelle bestätigt er dies noch:

C'est la nuit dans mon lit et durant mes insomnies, que j'écris dans mon cerveau.

Auch Byron dichtete meist in der Nacht:

I sing by night, sometimes an owl,
And now and then a nightingale.

Conf. III

D. J. XV. 97.

tournais et retournais mes périodes dans ma tête avec des peines incroyables; puis, quand j'étais parvenu à en être content, je les déposais dans ma mémoire. Le matin, je dictais de mon lit le travail de la nuit.

In dieser Art seines Komponierens befindet er sich nun, wie erwähnt, in vollständiger Uebereinstimmung mit Byron. As for poesy, sagt letzterer, mine is the dream of the sleeping passions; when they are awake, I cannot speak their language, only in their somnambulism. Und: To write so as to bring home to the heart, the heart must have been tried, but perhaps, ceased to be so. While you are under the influence of passions, you only feel, but cannot describe them, any more than, when in action, you could turn round and tell the story to your next neighbour! When all is all, all, and irrevocable, trust to memory

over,

is then but too faithful1).

she

Nach diesen ihren eigenen Worten leuchtet es bald ein, dass, wer in solcher Weise schreibt, wie sie es gethan, wer wie sie nicht mit dem Verstande, sondern mit dem tiefsten, innerlichsten Gefühle schreibt, in seinen Schriften ein gleich tiefes Gefühl darstellen muss; kurz, weil sie in Leidenschaft schrieben, schrieben sie auch vor allem Leidenschaft; das ist eine der ersten Wahrnehmungen, die sich beim Lesen ihrer Werke aufdrängen. J'ai senti en les lisant, sagt Rousseau von seinen eigenen Schriften, quelle passion donnait tant d'énergie à son âme et de véhémence à sa diction.2) Almost all I have written has been mere passion passion, it is true, of different kinds, but always passion.") 1hr Stil ist derjenige des unmittelbarsten Gefühls. Erinnern wir uns nur daran, wie oft in

The torch shall be extinguished which hath lit

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My midnight lamp and what is writ, is writ,
Would it were worthier!

Ch. H. IV. 185.

To solace my midnights I have scribled another

Turkish story (the Bride of Abydos).

to Moore Nov. 30. 1813. cf. Ap. 257 259.

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