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in den Augen der Akademie und des Publikums zu« gleich gelten foll? Ist lehteres nicht auf eine wunIst derbare Weise geneigt, jedes Appellationsmittel für gültig anzuerkennen? Was aber das vorzüglichste; muß nicht, besonders in dergleichen Prozessen, die Zeit allein das Endurtheil sprechen?

Noch waren seit der Revolution keine vierzehn Tage vorben, und man schrie schon in allen Etraßen: die Abschaffung der Akademien aus. Der Verfasser dieses Blattes, der solchergestalt feine namenlosen Decrete für 9 Pfennige ausrus fen ließ, war ein feiner Politicus, da er in einem solchen Zeitpunkte nichts für das allgemeine Wohl dringender und nichts für die Freyheit gefährliche. res fah. Vielleicht håtte uns sein Name das ganze Geheimniß seiner Politik enträthselt, denn er würde uns belehrt haben, wie oft er in Profa und in Versen umsonst um den Preis concurrirte; aber er hat es nicht für gut gefunden, sich zu nen

nen.

Ich habe sein Blatt aufbewahrt. Ich kaufte es auf Treu und Glauben dessen, der es als ein Decret der Nationalversammlung ausschrie: dén noch stellte ich mir damals nicht vor, daß man fichs einfallen lassen könnte, seine Morgenträume in allen Straßen als solche Staatsbeschlüsse aus zurufen, wovon das Publikum nicht früh genug benachrichtigt werden könne; aber seitdem ich tågs lich, Verräthereyen, Attentate, Verschwd= rungen genannter Staatsbürger, und sogar Mit glieder des gefeßgebenden Corps, öffentlich zum 23 Vers

Verkauf habe ausbiethen hören, seitdem habe ich mich an diese patriotische Polizey gewöhnt. Freylich ist so etwas ein herrliches Mittel wie der unschuldigste Mann von der Welt in Stücken zerrifsen werden kann, ehe er einmal weiß, wovon die Rede ist; aber wahrscheinlich verstehe ich mich auf den Begriff von Freyheit nicht, da es große Pas trioten giebt, welche behaupten, keine Freyheit finde statt, wenn nicht öffentliche Verläumdung, die an und für sich eine gefeßliche Züchtigung ist, einem Jeden zu Gebothe steht, und daß alle Preßfreyheit aufhört, wenn nicht jeder, dem es beliebt, ausschreyen darf: „Mitbürger knüpft mir diesen

und jenen ** auf!" Indessen wår' es doch möglich, daß die Nationalversammlung diese großen Grundsåße nicht annähme, und den Zusammenhang zwey so verschiedener Dinge nicht recht einsähe; aber alsdann wird sie für eine Antinational - eine Antipatriotische Versammlung um so mehr erklärt werden, als die Colporteurs, wenn sie sonst nichts mehr als bie Acten der Staatsgewalt zum Verkauf ausbie then dürfen, weniger zu thun, und zu gewinnen ha. ben; und ist dieß bey einer Geseßgebung nicht ein allvermögender Grund?

Ich weiß wohl, der an allen Ecken geschehene Ausruf der Abschaffung der Akademien war etwas minder gefährlich, aber - der Uebergang vom Kleinen aufs Große hatte mich ganz natúr. lich zur gegenwärtigen Digression über das öffent liche Proclamationswesen verleitet, aus welchem das noch werden wird, was dem Himmel gefällt.

„Die

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"Die Nationalversammlung hat alle Canoni "cos abgeschaft; die Akademiker sind die Canonici „der Litteratur und Künste."

Wenn sie es sind, so giebt es keine schlechter bezahlten Canonicos, als die Mitglieder der Académie française; sie haben keine Jahrgehalte, und ihre Erscheinung bey den Sißungen und die Arbeit am Wörterbuche (die eine Arbeit wie jede andere und sogar mit unter etwas ennuyant ist,) wirft ihnen bey der größten Emsigkeit nur ohnge= fähr 1200 Livr. (300 Thlr.) ab, und würde nicht so viel abwerfen, vertråte nicht ein Drittheil der Akademie die Stelle der Abwesenden. Wåren alle Mitglieder gegenwärtig, so würden die Jes tons (dieser so årgerliche, so beneidete und Vorwür fe freylich sehr verdienende Gegenstand) dem Indivibuo nicht 400 Livr. (100 Thlr.) einbringen; das heiß ich mir einen wohlfeilen gelehrten Aristokraten!

„Ein Akademiker schmaußt auf seinem sammt. „nen lehnstuhl, und für sich allein, den Unter hait von vierzig Familien auf dem Lande."

Ueber den samminen Lehnstuhl, der dem Un genannten so boses Blut zu sehen scheint, habe ich nichts zu sagen; ein strohener Sessel wåre freylich nicht so aristokratisch. Aber am Ende ists doch kein Verbrechen der beleidigten Nation, in der Akades mie eben so bequem als zu Hause zu sigen, zumal wir diese Bequemlichkeit der Garde-Meuble zu verdanken haben. Was die vierzig Familien auf dem Lande anbelangt, so denke ich, sie würden sich von den 300 Thirn. eines Akademikers ziemlich schlecht nähren;

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Auch gestehe ich, es möchte unter den Akademikern in der That mancher mehr verschmaußen, als der Unterhalt von vierzig Familien auf dem Lande kostet, ohne daß er dieß in seinem Lehnstuhle oder von dem Ertrag desselben thut,

„Fort mit besoldeten Akademikern, so lange ,, es noch Arbeiter zu falariren, Arme zu ernähren, Gläubiger zu befriedigen giebt.“

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In einem großen Staate wird es zu allen Zeiten Arbeiter zu falariren, Arme zu ernähren und Gläubiger zu befriedigen" geben; aber ich begreife nicht, warum nicht ein Staat, der mit der größten Ordnung 500 Millionen Einkünfte haben kann, ohne der Nation låstig zu werden; ^ warum -sage ich ein solcher Staat nicht 100,000 Thaler zur Belohnung, Salarirung und Aufmunterung der Künste und Talente mit Grund verwenden sollte. Die abgelegten Rechnungen beweisen, daß die Staatsbesoldungen aller Akademien, aller Gelehrten, und aller Künstler Frankreichs sich nicht so hoch belaufen. Es läßt sich dreist behaupten, der landmann könnte, ungeachtet des ebenangeregten ungeheuern Aufwandes, gar wohl gedeihen, und die Jetons der Akademie der schönen Littera. tur und die Pensionen der Akademie der Wissenschaf ten und der der Alterthümer wären es in der That nicht, welche jemals das Landvolk zu Grund_richteten.

„Welch eine Verkehrtheit, das Talent mit „Thalern zu bezahlen! Ehre ist allein die klingen. nde Münze des Genies."

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Oja ohne allen Zweifel! Da sich aber mit dieser klingenden Münze nichts einkaufen läßt, so kann das Genie und das Talent Hungers sterben; und ists wohl zum Gedeihn des Ackerbaues schlech terdings nothwendig, daß Genie und Talent Hungers sterben? Corneille und La Fontaine würden in ihrer lehten Krankheit, ungeachtet fie Mitglteder der Akademie waren, feine Suppe gehabt haben, hätte ihnen Ludwig XIV. nicht 40 Louisd'or geschickt. Das war vielleicht die Steuer eines ganzen Dorfs; aber wer bürgt dafür, daß eben dieses Dorf über die Verwendung seiner Steuer Unzufriedenheit bezeigt hätte, wenn man ihm, wie es möglich gewesen wäre, begreiflich ge macht hätte, wozu Männer, dergleichen Corneille und la Fontaine waren, dienen? Die Bauern sparen sich gar gern so viel ab, als nöthig ist, den Spielmann, der ihnen zum Tanz vorgeigt, und den Schulmeister, der ihre Kinder lesen lehrt, zu bezahlen; follte es ihnen nicht begreiflich zu machen seyn, daß man auch die großen Spielmånner und die großen Schulmeister einer ganzen Nation bezahlen muß? Der Ungenannte will sie durchaus mit lobeserhebungen und Ehre abspeisen; der Ungenannte ist ein bischen hartherzig.

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Ben zu viel Dickleibigkeit zehrt das Genie „ab. Die meisten Meisterstücke kommen aus „den Dachstübchens,“

Es ist ein altes Sprüchwort: man müsse die Künstler nåhren, aber nicht måsten: alen

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