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Uebersicht der von der Kaiserl. Russischen Regierung während des Jahres 1860 ausgeführten hydrographischen Arbeiten.

(Aus dem Compte-Rendu de la Société Impér. Géographique de Russie pour l'année 1860. St. Pétersbourg 1861.)

1) Im Anschlufs an die im Jahre 1859 im Rigaischen und an der südöstlichen Seite des Bottnischen Meerbusens von der Bucht von Hangö Udd an bis zur Insel Morgonland ausgeführten hydrographischen Arbeiten sind im Jahre 1860 die Messungen im Bottnischen Meerbusen vom Leuchtthurm von Utä auf einer Strecke von 352 Quadrat-Werst fortgesetzt worden. Siebzehn, auf den schwedischen Karten von Klint noch nicht niedergelegte Klippen wurden entdeckt und ihre Lage bestimmt. Aufserdem wurden auf drei Fahrzeugen Tiefenmessungen westlich von Hangö Udd und am Eingange des Ledsund veranstaltet. Bei dieser Gelegenheit beobachtete man eine ungewöhnliche Ungleichheit der Meerestiefen in der Nähe der Skären, z. B. zeigte sich auf einer Strecke von einer halben Seemeile eine Steigerung von 20 bis auf 40 und 80 Sashen; nach einer Tiefe von 35 Sashen fand man eine von 14 und 9 Fufs, nach einer von 130 Sashen wieder eine von 60 und dann plötzlich von 10 Sashen.

2) Zur Vervollständigung der Tiefenmessungen im Finnischen Busen, welche in den letzten 25 Jahren in der Umgegend von Kronstadt ausgeführt worden sind, hat man die Südküste dieses Meerbusens von dem Dorfe Bolschaja Ishora bis nach Krasnaja Gorka, und die Nordküste von Aphanassieff, bei Sestroretsk bis zum Vorgebirge Ikonemi, nördlich und südlich von Kronstadt, aufgenommen. Dadurch hat man auch die Entfernung der Meridiane von Bolschaja Ishora und Krasnaja Gorka berechnet. Die zu Schiff gemessene Fläche beträgt 135 QuadratWerst. Ausserdem hat man in dem von Kronstadt nördlich liegenden Canal vom Meridian des Leuchtthurmes von Tolbuchin nach Westen hin auf einer Strecke von 220 Quadrat-Werst Sondirungen vorgenommen.

3) Zur Vervollständigung der im Sommer 1859 an der Mündung der Newa ausgeführten Tiefenmessungen hat man im December auf dem Eise dieses Flusses an denjenigen Orten, an welchen man wegen der fortwährenden Schwankungen des Schiffes dieselben früher nicht vornehmen konnte, die Arbeiten fortgesetzt. Die so gemessenen Strecken liegen: 1. zwischen der Brücke von Tutschkoff und einer von der Mitte der Brücke des Palastes bis zu einer der mittleren Bastionen der Peter-Paul- Festung gezogene Linie; 2. von der Nicolaibrücke flufsabwärts längs des grofsen Newa-Canals bis zu der Stelle, welche während des vorhergegangenen Sommers zu Schiff gemessen war, auf einer Fläche von 4 Quadrat

Werst.

4) Auf dem Ladoga - See wurden die Messungen in einer doppelten Richtung, einmal auf dem nördlichen, dann auf dem südwestlichen Ufer fortgesetzt. Auf der Nordseite hat man zuerst die an der Finnischen Küste, zwischen den Inseln Lowak-Saret und Putsala, dann die südwestlich von der Insel Lowak-Saret gelegene isolirte Inselgruppe, Genessim genannt, aufgenommen. Der Charakter dieser Localität bietet eine grofse Analogie mit derjenigen der Skären an der

Finnischen Küste dar; grofse Meerestiefen wechseln hier wie dort mit wenig tiefen Stellen schnell ab. An der südwestlichen Seite des Sees wurden die Messungen zwischen den Vorgebirgen Pessotschny und Ptinoff auf einer Strecke von 56 Werst veranstaltet. Die Fläche, auf welcher dieselben vorgenommen wurden, betrug 234 Quadrat-Werst. Diese Arbeiten waren mit grofsen Schwierigkeiten verknüpft, da bei den sich widersprechenden Nachrichten der Inselbewohner man auf 15 bis 17 Werst auf den See hinausfahren musste.

5) Im Caspischen Meere wurden 32 Punkte chronometrisch gemessen. Ferner wurden die Längen von Astrachan, Birjutschja-Kossa, einer Insel mit Hafen an der Wolga-Mündung, 85 Werst von Astrachan, von Tüp - Karagan, einer Bai mit Hafen an der Spitze der Halbinsel Mangyschlak, von Baku und Astarabad chronometrisch auf das Genaueste bestimmt. Die Tiefenmessungen wurden auf der Strecke zwischen Baku und Lenkoran vorgenommen. Mit Anfang November waren trotz der mannichfachen Schwierigkeiten, welche durch das Klima und die vereinsamte Lage dieser Gegenden den Operationen entgegentraten, die Arbeiten vollendet. Mit der Herausgabe mehrerer Karten über die wichtigsten Theile des Caspischen Meeres ist man bereits beschäftigt und beabsichtigt man sodann eine General - Karte dieses Meeres zu veröffentlichen.

6) Der Verfolg der im Jahre 1859 an der Mündung des Don begonnenen Untersuchungen hat festgestellt, dafs die Mündung der Perevoloka ihre Richtung vollkommen verändert hat. Zur Vervollständigung der früheren Beobachtungen über die Inclination und Declination der Magnetnadel will man im Jahre 1861 ähnliche im Azow'schen und an mehreren Punkten des Schwarzen Meeres anstellen. Beobachtungen über die Meeresströmung wurden von dem an der Mündung des Bug und bei Otschakow ankernden Wachtschiff vorgenommen, jedoch blieben wegen der Kürze der Zeit dieselben noch ohne Resultat. Die Untersuchungen über die Tiefe des Azow'schen Meeres, welche von dem Commandanten des Wachtschiffes in der Nähe von Birutchaia Kossa und dem Leuchtthurm von Bediansk, sowie von dem Befehlshaber des schwimmenden Feuerschiffs bei den Sandbänken angestellt wurden, haben ergeben, dafs der Meeresgrund seit den letzten Tiefenmessungen im Jahre 1851 sich wesentlich verändert hat. Einige Strömungen haben ihre Richtung verändert, Untiefen sind an einigen Stellen entstanden und an anderen hat die Meerestiefe bedeutend zugenommen.

7) Im Weissen Meere sind im Jahre 1860 nur einige Sondirungen an der Barre der Dwina, am Flusse Maïmax und in der Gegend von Solombal behufs der Anlegung eines Hafens vorgenommen worden. Die Declination der Magnetnadel wurde an beiden Endpunkten des Meeres, bei den Jokan-Inseln und beim Kloster Solowetsk bestimmt; am ersteren Orte hat die Declination seit dem Jahre 1828 um 2 Grade nach Osten, an letzterem um 3 Grade seit dem Jahre 1830 zugenommen.

Ausserdem wurden eine Anzahl hydrographischer Karten über einzelne Theile des Baltischen und Caspischen Meeres, sowie über einen Theil der Japanischen See veröffentlicht.

-r.

Philippopel in Bulgarien 1).

Das Sandschak oder die Provinz von Philippopel (Pılıññovñolis) bildet den nordwestlichen Theil des alten Thracien und hat eine Ausdehnung von 30 Stunden in seiner gröfsten Breite und eben so viel in der Länge. Das Land ist meistentheils eben und wird von dem Hauptflusse Maritza (im Alterthum Hebrus) und von mehreren Nebenflüssen durchströmt, welche vom Balkan (Hämus) und dem Rhodopegebirge herabkommen. Das Klima ist im Ganzen gesund und angenehm, der Boden fruchtbar für Getreide, Reis, Wein, Maulbeerbäume, allerlei Obst, Taback u. s. w. Die Einwohnerzahl beträgt über 400,000, wovon der gröfste Theil morgenländische Christen sind, aufserdem 8-10,000 Katholiken (sogenannte Paulicianer), ferner Türken, Armenier und Juden nur in geringer Anzahl. Die morgenländischen Christen machen etwa drei Fünftheile der ganzen Bevölkerung aus und sind der Sprache nach theils Griechen, theils Bulgaren. In der Hauptstadt und in den meisten anderen Städten und Flecken, namentlich in den südlich gelegenen Dörfern, ist die griechische Sprache die herrschende, dagegen in den nördlich gelegenen Ortschaften, die durch den Balkan mit Bulgarien zusammenhängen, herrscht die bulgarische Sprache vor. Bis vor 10 bis 15 Jahren lebten Griechen und Bulgaren, ungeachtet dieser Sprachverschiedenheit, in Einigkeit und Frieden mit einander, indem sie sich der Gleichheit, der mit einander erduldeten Leiden, der gleichen Befürchtungen, aber auch der nämlichen Hoffnungen auf eine bessere Zukunft bewusst waren. Die Bulgaren, welche bulgarisch sprachen, lernten gleichwohl auch das Griechische und wurden griechisch unterrichtet, und in allen Kirchen wurde der Gottesdienst in griechischer Sprache gehalten, wie es von Alters her der Fall gewesen war. Damals aber änderte sich das Verhältnifs. Unzählige Emissäre, Abenteurer und Nationalitätenschwärmer durchzogen das Land, verkündigten neue Dogmen, überredeten die einfachen Landleute, und dies Alles geschah in der Meinung, dafs dadurch eine glänzendere Zukunft vorbereitet werden könne. Man predigte vor allen Dingen den Kampf gegen die griechische Sprache und gegen die Griechen 2), man verfolgte und vertrieb die griechische Sprache aus den Schulen in den meistens von Bulgaren bewohnten Ortschaften, sowie aus den Kirchen, und ein unversöhnlicher Hafs richtete sich entschieden wider alles Griechische. Man weifs aus öffentlichen Nachrichten, wie weit man im Einzelnen bereits gegangen ist, was man begonnen hat, und welche Erfolge erlangt worden sind; aber doch hat man bei Allem geradezu vergessen, dass fast alle morgenländischen Christen dieses Landstrichs der nationalen Abstammung nach Griechen sind. Was die sogenannten Paulicianer anlangt, die

1) Die geographisch-statistischen Mittheilungen in der, die zweite Lieferung des dritten Bandes des „Handbuchs der Geographie und Statistik, begründet durch Stein und Hörschelmann, neu bearbeitet von Wappäus" bildenden Darstellung des osmanischen Reiches u. s. w. (Leipzig 1858) sind auch in Ansehung der Stadt und Provinz Philippopel so dürftiger Art, dafs es um so gerechtfertigter erscheint, Nachstehendes hier mitzutheilen. Als Quelle ist ein Aufsatz in der in Athen erscheinenden wissenschaftlichen Zeitschrift: Néa IIavdaga, 1860, N. 249, benutzt worden, der von einem Griechen in Stenimach in der Nähe von Philoppopel herrührt.

2) In ähnlicher Weise, wie dies jetzt in Ungarn u. s. w. mit der deutschen Sprache und den Deutschen geschieht.

theils in Philippopel selbst, theils in einigen Dörfern nördlich davon wohnen, so gelten diese als die Ueberreste der alten Manichäer, die im zehnten Jahrhundert nach Chr. Geb. aus Aegypten und Antiochien dorthin einwanderten und vor einigen Jahren das Papstthum annahmen.

Der Handel, die Industrie und der Ackerbau ist meistens in den Händen der Christen, deren Einfluss auch sonst im Allgemeinen von grofser Bedeutung ist. Ueberall begegnet man hier griechischen Alterthümern und Ueberbleibseln alter .Kunst, findet alte Inschriften, Münzen u. s. w.

Das Sandschak oder die Provinz Philippopel zerfällt in acht Kasa's (Districte) und zählt im Ganzen etwa 1200 Ortschaften. Die Einkünfte, welche aus ihr die türkische Regierung bezieht, sollen sich auf ungefähr 10 Millionen Drachmen (über 2 Mill. Thaler) belaufen, von denen sie jedoch kaum eine Million zum Besten der Provinz an Beamtenbesoldungen u. s. w. wieder verausgabt, obgleich es auch hier, wie in anderen Theilen der Türkei, an den nöthigen Anstalten für Erleichterung der Communication, Strafsen u. s. w., besonders aber an der Sorge für die öffentliche Sicherheit gänzlich mangelt.

Die Hauptstadt Philippopel liegt in einer weiten Ebene, die sich vom Fufse des Rhodopegebirges bis zu dem des Balkan hinzieht, und zwar auf dem östlichsten und zugleich niedrigsten von vier Hügeln, welche auf dem rechten Ufer der Maritza plötzlich sich erheben und von Abend nach Morgen in geringer Entfernung von einander sich hin erstrecken. Die Stadt ist alt und führte bei den Römern den Namen Trimontium (so genannt, weil der Hügel, auf dem sie liegt, in drei übrigens nicht sehr spitze Höhen sich spaltet). Ihre Lage ist ziemlich in dem Mittelpunkte der ganzen Provinz an der Maritza, und die Stadt ist eine der volkreichsten des Reichs und der erste Handelsplatz Thraciens, dessen Handelsbeziehungen namentlich über Oesterreich und den Orient sich erstrecken. Man berechnet die Zahl der Einwohner auf 60,000, von denen vier Siebentheile Christen, die übrigen Türken sind und von denen erstere unter einander die griechische Sprache reden. Sie sind besonders thätig und unternehmend und haben Geschmack und Sinn für Bildung. Die griechische Centralschule ist eine der ältesten griechischen Unterrichtsanstalten, die schon früher in einem gewissen Ansehen stand und gegenwärtig durch den Eifer der christlichen Bewohner Philippopels und der Lehrer sich immer mehr hebt. Aufserdem haben dort die griechischen Christen noch drei Schulen des wechselseitigen Unterrichts und seit etwa 15 Jahren auch eine Mädchenschule, die Anfang 1860 von 160 Schülerinnen besucht wurde, und ebenso giebt es dort auch einige Privatanstalten. Die Bulgaren, die sich nach Philippopel gewendet haben, errichteten dort vor einigen Jahren eine bulgarische Schule, die von etwa 50 Schülern aus der Stadt selbst und aus den benachbarten Dörfern besucht wurde. Philippopel ist Sitz eines Metropoliten, der neben sich noch den Bischof von Levki hat, und besitzt acht christliche Kirchen des morgenländischen Dogma, eine armenische und eine katholische Kirche, ein jüdisches und mehrere türkische Bethäuser. In geringer Entfernung von der Stadt nach Westen liegen die Dörfer Dermendere, Markowo, Achlani und andere, in höchst angenehmer Lage, wo viele der wohlhabenderen Einwohner ihre Sommerwohnungen und schöne Gärten besitzen.

Nordwestlich von Philippopel, ebenfalls an der Maritza, liegt die Stadt Ba

sardschik, der Hauptort einer der acht Unterabtheilungen der Provinz, die einen bedeutenden Handel treibt und 25,000 Einwohner hat, wovon drei Fünftheile Türken, die übrigen Christen sind, welche hier drei Kirchen besitzen. Von hier ging zuerst in der ganzen Provinz der Krieg gegen den Hellenismus aus, der unter anderen traurigen Folgen auch die besondere Veranlassung ward, dafs die griechische Schule, die hier bisher mit Segen bestanden und unter guter Leitung viel Gutes gewirkt hatte, aufgehoben und in eine bulgarische umgewandelt wurde. Der griechische Lehrer, unter dessen Leitung die Schule bisher gestanden hatte, setzte zwar auch noch ferner den Unterricht in der griechischen Sprache fort, hatte aber unter den Anfeindungen und Intriguen der Bulgaren fortwährend zu leiden.

Von anderen Städten, Marktflecken und Dörfern der Provinz Philippopel mögen hier noch folgende mit einigen Worten besonders erwähnt werden:

Wodina, ein griechischer Marktflecken am Fufse des Rhodopegebirges, mit ungefähr 2000 Einwohnern, die alle Christen sind und griechisch reden, liegt in einer sehr gesunden Lage. Vor zwei Jahren ward hier eine Schule des wechselseitigen Unterrichts gegründet, die von etwa 100 Schülern besucht ward.

Panagia, ein wohlhabendes Dorf, das früher in einem sehr blühenden Zustande sich befand, jedoch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von wiederholten Ueberfällen türkischer Räuber so heimgesucht wurde, dafs ein grofser Theil der Einwohner sich gezwungen sah, seine Heimath zu verlassen.

Kuklaena, ein griechischer Marktflecken, südwestlich von Philippopel, am Fufse des Rhodopegebirges, mit etwa 2000 Einwohnern, theils Christen, theils Türken, und einer griechischen Schule, die ein dortiger Grieche auf eigene Kosten errichtet und seiner Vaterstadt gewidmet hat.

Arbanitochorio (d. i. Albanesendorf), ebenfalls ein griechischer Marktflecken, in einer Schlucht des Rhodopegebirges. Es sind eigentlich zwei Ortschaften, von denen die eine von Christen, die andere von Türken bewohnt wird. Es werden von hier viel Mühlsteine ausgeführt.

Chassköi, Stadt östlich von Philippopel, mit etwa 15,000 Einwohnern, theils Türken, theils Christen.

Saara (Saghra), nordöstlich von Philippopel, mit 25,000 Einwohnern, die ebenfalls aus Türken und Christen bestehen. Das Getreide, das hier gebaut wird, ist das schönste der ganzen Gegend.

Peristera oder Pestera, griechisches Dorf, nordwestlich von Basardschik, wird von Türken und Christen bewohnt, treibt viel Ausfuhrhandel mit Bauholz.

Selbstverständlich giebt es in der Provinz Philippopel auch viele Klöster, unter denen das von Batschkovo das berühmteste ist, das in einer Schlucht des Rhodopegebirges liegt und eine bezaubernde Lage hat. Es ist ziemlich alt und sehr reich, und seine Einkünfte sollen sich auf ungefähr 100,000 Drachmen belaufen. Auch Handelsmessen finden in dieser Provinz an manchen Orten alljährlich statt. Die vorzüglichste davon wird zu Anfang des Septembers im Dorfe Usundschowa, östlich von Philippopel gehalten, wo Kaufleute aus allen Theilen der Türkei und den benachbarten Ländern zusammenzukommen pflegen.

Kind.

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