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Am folgenden Tage werden diese Feierlichkeiten wiederholt; man geht aber nicht wieder an denselben, sondern an einen anderen geheiligten Ort. Hier nimmt der Priester ein Stückchen Pinang, schneidet es durch und überreicht dem Wittwer die eine Hälfte, während er die andere mit der bereits erwähnten Bitte gleichgültig fortwirft. Am darauf folgenden Tage geht der ganze Zug in den Garten des Wittwers, wo die Familie einige Gemüse und Früchte pflückt, um diese nach dem Begräbnisplatze zu tragen, weil dieses den Antheil der Verstorbenen vorstellt. Ueber den Grabstein wird später ein kleines Häuschen gebaut und in dasselbe ein Tisch mit einigen Tellern, Gläsern und anderen Bedürfnissen gesetzt, damit die Verstorbene nach Gefallen darüber verfügen könne. Der Wittwer, die Schwiegerkinder, die Brüder, sowie Onkel und Tante des lebenden Gatten dürfen das Grab nie besuchen; die Kinder aber, sowie die übrige Familie können dort nach Belieben verweilen.

VI. Eidschwüre und einige abergläubische Gebräuche.

Bei kleinen Uneinigkeiten erhebt der Alfure sogleich seine Hände und bittet den Empong, denjenigen mit bösartigen Geschwüren, ja selbst mit dem Tode strafen zu wollen, welcher die Unwahrheit gesprochen und sich eines Betruges schuldig gemacht habe.

Bei belangreichen Streitigkeiten aber wird ein Priester gerufen, der eine Lanze und ein kleines Schwerdt kreuzweise in die Erde steckt. Nachdem er ein geladenes Gewehr quer vor diese Waffen niedergelegt und alle Namen der Götter genannt hat, giebt er den Streitenden zu erkennen, dafs derjenige, welcher lügt und betrügt, gestraft und platzen werde, und dafs der böse Gott ihn so tief schneiden und stechen werde, als diese Lanze und dieses Schwert in die Erde gesteckt seien. Nachdem das Gewehr abgeschossen ist, müssen die streitenden Personen dreimal über die gekreuzten Waffen hinwegschreiten. Hiermit ist der Eid abgelegt. Diese Ceremonie findet jedoch nur sehr selten

statt.

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Bei einer anderen Streitigkeit wird durch die Wasserprobe entschieden. Hierzu wird wieder ein Priester gerufen. Derselbe nimmt ein Stück Gaba-gaba (einen Zweig vom Areng - Baum) und einen Stein, nennt alle Namen der Götter und spricht zu den Streitenden: Auf wessen Seite das Unrecht ist, der wird, wenn er in und unter das Wasser geht, eben so schnell, wie dieses Stück Gaba-gaba, wieder nach oben kommen, weil das Wasser in seine Nase und in seine Ohren dringen wird; aber derjenige, welcher Recht hat, wird gleich wie dieser Stein ohne Gefahr unter dem Wasser bleiben können." Nachdem er nun bis neun gezählt hat, wirft der Priester die genannten Gegenstände in

den Flufs, und zugleich eilen die Streitenden in das Wasser; derjenige von ihnen aber, welcher zuerst wieder heraufkommt, hat Unrecht.

Wie weit der Aberglaube der Alfuren geht, zeigen noch folgende Beispiele. Der Alfure wird nie Gärten anlegen, Häuser bauen, oder auf Reisen gehen, bevor er nicht einen gewissen Vogel auf eine ihm Glück verkündende Weise hat schreien hören. Wenn er auf der Reise, oder nach dem Garten gehend, eine Schlange sieht, ohne dieselbe tödten zu können, oder den Vogel durch sein Geschrei Unglück verkünden hört (hört er nämlich den Vogel zu seiner Rechten schreien, dann verkündigt er ihm Glück, von der linken Seite her aber das Gegentheil), dann mufs er, wenngleich er seinem Bestimmungsorte schon nahe ist, wieder zurückkehren und darf erst am folgenden Tage seine Reise wieder antreten; aber in den Garten darf er erst nach drei Tagen wieder gehen. Wenn er eine Schlange in seinem Garten sieht, ohne sie tödten zu können, so darf er von der ganzen Erndte dieses Jahres nichts geniessen, sondern muss dieselbe vertauschen oder verkaufen. Bei Sterbefällen wird Niemand in den Garten gehen, aus Furcht, dafs die Pflanzung verderben, oder dafs er mit derselben Krankheit heimgesucht werden könne, die der Verstorbene gehabt hatte. Wird der Alfure vom Fieber befallen, so versteckt er sich, damit derjenige, welcher es ihm angethan, sei es der böse Geist, oder eine abgeschiedene Seele aus seiner Familie, ihn nicht finden könne.

Diese Mittheilungen dürften hinreichend sein, um von dem Glauben der Alfuren eine Vorstellung zu gewinnen. Es ist klar, dafs durch diese Gebräuche das Seelenheil der Leute nicht gefördert wird, und dafs sie zugleich der Bildung des Volkes grofse Hindernisse in den Weg legen. Wie viel kostbare Zeit wird nicht durch die mannichfachen Opfer nutzlos verschwendet! Zugleich wird das geringe Eigenthum, wofür sie sich viele Jahre gequält haben, dadurch verzehrt und der Opfernde in Schulden gestürzt.

In den Monaten December und Januar 1848 1849 wurden in der Negorie Tomohon, die ungefähr 600 Familien zählt, 124 PrivatOpfer gebracht, deren Kosten sich auf circa 20,000 holländische Gulden belaufen haben. Jedoch werden selten so viele Opfer in so kurzer Zeit gebracht, und nirgends ist dieser Gebrauch so häufig als gerade an diesem Orte.

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IV.

Der Aufschwung der französischen Colonien in Algerien und am Senegal in Bezug auf ihre Beziehungen zum Innern Nord-West-Afrika's.

Von Dr. Heinrich Barth.

SO

Von dem grofsen Rückschlag, der Algerien in Folge der Revolution von 1848 betroffen, hat die Colonie in den letzten Jahren angefangen, sich vollkommen zu erholen und die letzte Zählung vom 30. Juni 1860 ergab die Summe von 208,476 Köpfen der europäischen Bevölkerung, mit einem Zuwachs im letzten Halbjahr von 5980. Bei diesem Zuwachs ist das Bedeutungsvolle und ein Umstand, der wenigstens mäfsige Hoffnungen für die Colonie begründet, dafs von diesen 5980 die Summe von 1295 ein Zuwachs durch Geburt im Lande ist. Man sieht also, dafs die Grundlage eines, wenn auch schwachen, doch stätigen Fortschrittes durch eigene Kräfte gewonnen ist und dafs der gröfsere Zuwachs sich nicht etwa allein an den durch die grossen Eisenbahn - Unternehmungen hervorgerufenen, vorläufig nur ganz imaginären Aufschwung der Colonie anlehnt. Zwar ist die LandbauBevölkerung in dieser, an industriellen Beziehungen sonst baaren Colonie immer noch schwach, aber auch sie nimmt doch stetig zu und belief sich nach obiger Zählung auf 53,194. Von den erst in Angriff genommenen Eisenbahnen wollen wir nicht reden, wir wollen nur das andere grofsartige Geschenk kurz erwähnen, womit europäische Civilisation den Südosten Algeriens ausgestattet hat, nämlich die auf die Zahl 50 vermehrten artesischen Brunnen der Provinz Constantine, die zusammen das erstaunliche Quantum von 36,421 Litres Wasser per Minute liefern, so dafs die bestimmte Aussicht vorhanden ist, dass wenigstens alle jene Strecken dieser Zone, die einst künstlichem Anbau offen standen, ihm allmählich wieder zurückgegeben werden.

Wie nun so diese Colonie am Nordgestade Afrika's, die durch ihre Lage am Mittelmeer Frankreich gegenüber für dieses auf grofse Macht nach Aufsen bestrebte Land eine so gewichtige politische Bedeutung hat, allmählich in eine gesundere Fortentwickelung einzutreten scheint, schwingt sich auch die Colonie der Franzosen am Senegal empor. Hier ist auf eine höchst schlaffe und erniedrigende Regierung durch den neuen Gouverneur Colonel Faidherbe eine ganz andere kräftigere Handhabung aller Beziehungen gefolgt, aber eben dadurch ward

auf eine Reihe von Jahren die Colonie in Kriege verwickelt, die zuerst die Handelsbeziehungen stark beeinträchtigten und den auf ruhigen Erwerb angewiesenen Theil der Bevölkerung der Colonie unzufrieden machten. Dazu kam, dass neben den Kämpfen mit den umwohnenden maurischen und einheimischen Stämmen vom Innern her ein Kämpe der moslemischen einheimischen Bevölkerung in einem Manne von nicht geringer Energie aufstand, dem Hadji 'Omar, der, von einer Pilgerfahrt nach Mekka zurückgekehrt, einen weit um sich greifenden heiligen Krieg gegen die Franzosen entzündete und ihnen lange zu schaffen machte. Nun aber scheint er sich nach jahrelangem vergeblichen Kampfe nach dieser Seite gegen das noch heidnische Königreich Bambara mit der Hauptstadt Sego am oberen Dhioliba geworfen zu haben, auf die er nach den neuesten Nachrichten in Anmarsch war.

So scheinen also die Verhältnisse von beiden Seiten die seit lange gehegten Lieblingsideen der Franzosen zu begünstigen, die beiden Colonien, die im Norden und die im Westen, wenn nicht durch Eroberungen, so doch durch directe friedliche Beziehungen unter einander in Berührung und Verkehr zu setzen. Auf welchem Wege aber das geschehen soll, darüber herrschen grofse Meinungsverschiedenheiten. Die alte beliebte Idee war der Weg über Timbuktu und den Niger. Einem solchen Vorhaben stellen sich aber sehr grofse Schwierigkeiten in den Weg, da gleich im Süden von Algerien sich eine schwer zu passirende Zone grofser Sandhügel vorlagert und auf der ganzen Strecke von Tauāt an, das den Franzosen bis jetzt noch immer feindlich gegenübersteht, kein Haltepunkt zur Verproviantirung oder, wie die Franzosen es nennen, als point de ravitaillement sich findet, und daran ist nun gar nicht zu denken, dafs eine solche Handelsstrafse für europäische Handelsleute je practicabel werde. Allerdings giebt es noch immer einige Hauptverfechter dieser directen Verbindung mit Timbuktu und dazu gehört vor Allen der in Geryville stationirte Oberstlieutenant de Colomb, der die Ansicht mit Energie durchzukämpfen sucht, dafs der einzig richtige Weg der über die an die Südwestgrenze Algeriens anstofsende Oase Figīg, von da längs des von ihm nach den Nachrichten Eingeborener in ununterbrochener Entwickelung bis zur äussersten Südwestgrenze von Tauat angenommenen Wadi Mesaura sei, von wo man sich direct mit Timbuktu in Verbindung setzen müsse '). Trotz solcher einzelner Bestrebungen aber scheint jetzt die verständigere Ansicht Platz zu gewinnen, dafs man versuchen müsse, jeder der beiden Colonien selbstständig einen Bereich friedlicher Beziehungen zu sichern.

') S. die verschiedenen Aufsätze von diesem eifrig forschenden Officier in der Revue Coloniale 1860, p. 29 ff., 301 ff. und 495: „Notice sur les oasis du Sahara et les routes qui y conduisent."

Zu diesem Zweck sind die Stämme der Tauarek oder vielmehr Imōschagh im Süden von Algerien die wichtigsten Vorposten des Innern, und die ihnen benachbarten Stämme der Askar und Hogar zu gewinnen, besonders die Ersteren, die in friedlichem Verkehr und in Beschützung der Karawanenstrasse eine bedeutende Stütze für ihren Lebensunterhalt schon lange gefunden haben, darauf scheinen die neuesten Bemühungen der Franzosen von dieser Seite her besonders gerichtet zu sein. Damit hängt auch Duveyrier's Reise zusammen. Uebrigens hat diese Reise, die grofse Hoffnungen einer endlichen Erkenntnifs der ansehnlichen Gebirgsgruppe der Hogar angeregt hat, einen Verzug erlitten, indem Duveyrier sich genöthigt sah, von Ghádāmes aus erst nach Tripoli zu gehen, so dafs er wahrscheinlich nicht vor Mitte des verflossenen December von Ghádāmes südwärts aufgebrochen ist. Aber auch von diesem Ausflug wird die geographische Wissenschaft einen nicht unbedeutenden Nutzen ziehen, indem der junge, unermüdlich thätige Reisende einen neuen Weg über Nalud nahm und so die Kenntnifs des höchst interessanten, reich gegliederten Abhanges des nordafrikanischen Plateau's auf dieser Seite vervollständigen wird. Nach Kano scheint seine Reise nicht bestimmt zu sein.

In Bezug auf die Colonie am Senegal erklären die Franzosen jetzt selbst, dafs es ihr Hauptziel sei, den ganzen Handel des westlichen Theiles der sogenannten grofsen Wüste eben nach jener Colonie zu ziehen". Dafs dies aber direct je der Fall sein wird, ist sehr zweifelhaft. Im Gegentheil scheint es, dass man sich bemühen wird, wieder die Handelswege des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts zu eröffnen. Wie nämlich von Wárgela und Aúdjila aus schon seit sehr früher Epoche Handelsverkehr mit dem grofsen östlichen Knie der Nordbiegung des Niger eröffnet wurde, so wurzelte der Knotenpunkt des Handels mit den nach Süden vorgeschobenen Oasen in den von der Natur keineswegs ganz verlassenen Landschaften mitten inne zwischen jener grofsen nördlichen Biegung des Niger und dem atlantischen Ocean, und selbst nachdem das hier sich ausbreitende Reich Ghánata verfallen war, blieben Walāta, Tischīt, Wadan und die zwischenliegenden Plätze Mittelpunkte eines sehr bedeutenden Handels, und dies war der Grund, weshalb die Portugiesen, trotz ihrer Besitzungen am Senegal und an der südlicheren Küste, vorzüglich von Arguin, oder Welili, wie es die älteren arabischen Geographen, oder Agadir-Dōme, wie es die eingeborenen Stämme nennen, aus, sich einen Zugang zu diesem Handelsverkehr zu bahnen suchten. Ja, diese eifrigsten Vorkämpfer aller Entdeckungen im fünfzehnten Jahrhundert gingen so weit, sich in der Entfernung von wohl 80 deutschen Meilen von der Küste eine Handelsfactorei in Wadan zu eröffnen. Diese höchst merkwürdige

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