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Gürtel von Magh-ter und Waran bilden, getrennt von Süden nach Norden durch den el Chaneg genannten Gürtel, die unfruchtbare Ebene Aftōt und die günstigere Landschaft El Karth (siehe Reisen und Entdeckungen, Th. V. Anh. II. S. 566, 567.) Das Hauptinteresse aber dieser ganzen westlichen Halbe der grofsen Wüste, abgesehen von den beiden grofsen Salzlagern von Taödénni und Idjil concentrirt sich in dem Bereiche, dessen äusserste Grenze von Vincent im Norden und Mage im Süden erreicht, aber nicht überschritten ist. In diesem Bereich, wo die zum Theil ganz leidlich fruchtbare Landschaft Taganet sich mit A ́derēr im Norden und dem von mittleren Höhenzügen umschlossenen „Becken" oder El Hōdh verbindet, mit ihren zahlreichen Wohnplätzen und gröfseren und kleineren Kulturstätten, können wir hoffen, nicht allein ein ergiebigeres Feld für landschaftliche Mannigfaltigkeit zu finden, sondern hier, in dem Gebiete des alten Ghánata mit der Azersprache, suche ich auch den Schlüssel zu vielen wichtigen ethnographischen Fragen in diesem eigenthümlichen Völkergewirr. So viel Vincent für diese Seite bisher gethan hat, ist nur der Art, dafs er meine Zusammenstellungen in ihren Einzelheiten bestätigt und nur hier und da ergänzt und belebt. So bestätigt seine Beobachtung und Forschung vollkommen das Resultat der meinigen, dafs die Negerbevölkerung in früherer Zeit sich ungleich weiter nach Norden erstreckte, weit über den 20sten Grad hinaus, und dafs erst die durch die Araber von Norden herabgedrängten Berberstämme diesen einheimischen, mit den Mandi oder Wákorē eng verwandten, Stamm der Azēr oder Soanínki unterjochten und allmählig nach Süden hinabdrängten. Allerdings erscheinen diese einheimischen Namen noch nicht bei ihm, sondern die ihm von Senegal her bekannten Namen tauchen auch hier wieder auf, aber sie werden bald den einheimischen Platz machen müssen. Da liefsen sich dann die Másina aus Schētu, das die Berber in Tischīt umtauften, am obern Niger nieder und legten hier den Grund zum jetzigen Reich Másina; die Wákorē flohen südwärts zum Senegal und liefsen sich in Asāba und längs dem Strome nieder. Auch gründeten nun die Berberstämme, vor Allem die Zenāgha, mächtige Reiche, in denen die schwarze Rasse die untergebene und zum Theil leibeigene Bevölkerung bildete. Aber bald entwickelte sich jene Kette blutigster Religionskriege zwischen den Merábetin und den Muáhedin, den Almoraviden und Almohaden, welche vom Senegal bis hinauf zur Meerenge von Gibraltar, ja bis ins Herz von Andalos hinein mit Feuer und Schwert wütheten, und die Folge war eine ungeheure Schwächung der Berberstämme im westlichen Theile der Wüste. So konnten diese Stämme denn dem späteren Andrange arabischer Stämme vom Maghreb herab nicht widerstehen, und, weil sie sich zum

grofsen Theil im ausgedehntesten Masse mit jenen vermischten und so das Gemisch Maurischer Stämme erzeugten, das jene Gegenden in Sitte und Sprache so merkwürdig charakterisirt, konnten die übrigen Bruchtheile einen gewissen Grad von Unabhängigkeit nur bewahren, indem sie ihren religiösen Charakter geltend machten und so als Zuaie, Merábetīn oder Aníslimen fern vom Kriegsgetümmel sich eine Rolle zu bewahren suchten. Diese Stämme sind den Franzosen im Herzen befreundet, indem sie nichts mehr wünschen, als dafs es den Letzteren gelingen möge, die übermüthigen Siegerhorden, die jetzt mit eiserner, blutiger Hand das Regiment hier führen, zu demüthigen und wiederum ihnen die Macht zurückzugeben. Von den gemischten Stämmen aber sind auch schon viele in eine ganz untergeordnete Rolle herabgedrückt, zu choddemān, „dienende Stämme“. Aber die übermüthigen Sieger haben einen noch charakteristischeren Namen, diese Stämme zu bezeichnen. Sie nennen sie ihr Fleisch oder ihre Fleischspeise", láhame, wie Vincent sowohl wie Mage Gelegenheit hatten, sich von der Richtigkeit meiner Angabe zu überzeugen. Die Abkömmlinge aber der in volle Leibeigenschaft herabgedrückten einheimischen Bevölkerung sind die harratin, pl. von hartāni, ein Ausdruck, den Mage, so wie andere Franzosen fälschlich mit „captifs“ übersetzt. Auf diesem merkwürdigen Gemisch verschiedener Rassen beruhen auch die den verschiedensten Idiomen entnommenen und mannichfach corrumpirten Lokalbezeichnungen jener Gegenden.

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V.

Das Hauswesen, die Rennthierzucht und die Gewerbsthätigkeit der Samojeden der Mesen'schen Tundra.

Nach dem Russischen von Woldemar Islawin, Mitglied der Kaiserlich Russischen geographischen Gesellschaft ').

In neuerer Zeit wurde unser weit entlegener Norden und namentlich derjenige Theil desselben, auf dem die Mesen'schen Samojeden

1) Bereits vor längerer Zeit wurde diese Arbeit der Redaction zugesandt; der grofse Umfang derselben verhinderte jedoch bis jetzt ihre Publication. Um aber den Lesern diese tief eingehende Schilderung des Zustandes der Samojeden nicht gänzlich vorzuenthalten, haben wir gegenwärtig wenigstens einige Abschnitte von allgemeinem Interesse für den Druck ausgewählt. Red.

nomadisiren, mehrfach von Reisenden besucht. Jeder derselben widmete seine Aufmerksamkeit einem besonderen Gegenstande; bald war es die kärgliche Vegetation, um durch deren Untersuchung die Flora des Nordens zu bereichern, bald die Lagerung der Gesteine, um aus ihr über längst vergangene Revolutionen im Innern unserer Erde Aufschlufs zu erhalten, bald mufsten die Gestirne als sichere Leiter dienen, den Lauf der Flüsse, die Lage der Berge in jener weiten Moosöde zu berichtigen, oder man lauschte den Stimmen jener über den weiten Norden verbreiteten Volksstämme, verglich sie mit den ihnen verwandten, entdeckte in ihnen Aehnlichkeit, Zusammenhang und erndtete so ein neues und reiches Material für die Linguistik und die Geschichte. Doch selbst inmitten dieser so interessanten Forschungen und Beobachtungen konnte keinem jener Reisenden die namenlose Armuth und Erniedrigung des Volkes entgehen, von dem er sich umgeben sah; er mufste seine Klagen über die schon mehr denn ein halbes Jahrhundert erduldete Bedrückung durch andere, mächtigere Volksstämme nur gerecht finden. Herrn Kastren, zum Studium der finnischen Mundarten von der Universität Helsingfors in den Norden gesandt, gebührt insbesondere das Verdienst, durch seine an Ort und Stelle gesammelten Erfahrungen diejenigen Nachrichten bestätigt zu haben, die das Ministerium der Reichsdomainen über die Bedrückungen der Samojeden schon von den örtlichen Behörden erhalten und gegen die man bis dahin nur deshalb noch keine entscheidende Massregeln ergriffen hatte, weil es an genügend bestimmten Daten fehlte, auf deren Grundlage man seine Verfügungen hätte treffen können. Diese zu sammeln, wurde mir im Jahre 1844 auf Befehl des Herrn Ministers der Reichsdomainen der Auftrag zu Theil, das Land der Samojeden zu besuchen und dann zur Ordnung ihrer Angelegenheiten der Regierung passende Vorschläge einzureichen.

In einer Gruppe von Bootsleuten, die um das lodernde Feuer ihr Nachtlager aufgeschlagen, in der gemächlichen Wohnung des begüterten Syränen, auf den eisigen Gewässern des nordischen Oceans, in dem rauchigen Tschum des Samojeden, überall boten sich neue, der Beobachtung würdige Gegenstände dar; was ich hiervon während meines halbjährigen Aufenthaltes in der Tundra dem Papiere vertrauen konnte, biete ich hiermit denen an, die für diesen Gegenstand ein Interesse hegen.

Wohnung. Ein Volk, durch die Natur selbst auf das Nomadenleben in den rauhen Oeden des Nordens hingewiesen, musste sich nothwendig eine Wohnung wählen, welche seiner umherschweifenden Lebensweise entspricht und den beiden Hauptbedingungen, ihm Schutz gegen Frost und Unwetter zu gewähren und sich leicht transportiren

zu lassen, gleichzeitig Genüge leistet. Das Rennthier, dem Bewohner der Tundra so unentbehrlich, erwies sich ihm auch hier von Nutzen; aus der Haut desselben fertigte er sich seine Wohnung und nannte sie mja, mjàdiko oder mjàkana, russisch Tschum. Dieser Tschum ist nichts weiter, als ein aus langen dünnen Stangen gebildetes, kegelförmiges und mit Birkenrinde oder Rennthierfellen bedecktes Zelt. Die Stangen werden in einiger Entfernung von einander in die Erde eingeschlagen und ihre oberen Enden kreuzweise mit einander verbunden; dann bedeckt man sie im Sommer mit Birkenrinde, im Winter mit zweien aus zusammengenäheten Rennthierhäuten bestehenden Decken und zwar so, dafs die Haarseite der einen nach innen, die der anderen nach aufsen zu liegen kommt. Die äussere Decke heifst jäjä, die innere mjúiko. Oben behält der Tschum eine Oeffnung zum Abziehen des Rauches.

Hat die Samojedin, der dieses Geschäft stets zufällt, den Tschum so weit aufgebaut, was binnen einer halben Stunde, oft aber in noch kürzerer Zeit geschieht, so fängt sie auch für die innere Bequemlichkeit ihrer Wohnung an zu sorgen. Sie belegt den Tschum von innen und aufsen mit Erde und Moos, im Winter von aufsen noch mit Schnee, bedeckt den Fufsboden zum Schutze gegen Feuchtigkeit und Kälte mit Birkengeflecht, über das sie Rennthierhäute breitet und belegt oft noch die Wände mit Kissen.

Den Eingang zum Tschum, njo genannt, deckt eine Rennthierhaut; er befindet sich stets auf der dem Windzuge entgegengesetzten Seite. Die ihm gegenüber befindliche innere Seite des Tschums wird Ssinikui genannt und ist für die Samojeden ein geheiligter Ort, der zugleich zur Aufbewahrung ihrer besten Sachen und leckersten Lebensmittel dient.

Keine Samojedin, oder wie die Russen sie nennen, Inka, wagt es, den Ssinikúi zu betreten; solches hiefse das Heiligthum entweihen. Die Samojeden halten an dieser alten Sitte so strenge, dafs nur in seltenen Fällen eine Inka dagegen sündigt; es wäre dieses auch sicher der Vorbote irgend eines Mifsgeschickes; Jagd oder Fischfang würden schlecht ausfallen oder die Wölfe in der nächsten Nacht ihre Heerde heimsuchen. Das einzige Mittel, sich dann gegen ein solches bevorstehendes Unglück zu schützen, besteht darin, eine glühende Kohle in den Ssinikúi zu werfen, da ihrem Glauben nach das Feuer die Eigenschaft besitzt, Alles reinigen zu können.

Das Weib ist nach den Begriffen der Samojeden überhaupt ein so unreines Wesen, dafs es jeden Gegenstand, über den es seinen Fufs gesetzt, verunreinigt. Daher müssen in einem solchen Falle selbst Beile, Stricke, Häute u. s. w. vor ihrer weiteren Benutzung erst wieder gereinigt werden, wozu der Samojede ein Beräuchern dieser Gegen

stände mit Haidekraut oder mit dem noch wirksameren Rennthierfette anwendet.

Dieser Glaube an die Unreinheit des Weibes findet sich auch noch bei den getauften Samojeden, doch lassen diese mehr und mehr von dem erwähnten Gebrauche des Beräucherns der durch die Inka verunreinigten Gegenstände ab. Sie räumen auch dem Ssinikúi, wenngleich sie in demselben das Heiligenbild stellen, nicht mehr das Vorrecht eines besonders geheiligten Ortes ein, da nach ihrem Glauben eine jede Stelle des Tschums, sobald ein Heiligenbild in demselben aufgestellt ist, dadurch zugleich geheiligt wird.

Werfen wir nun noch einen Blick auf die weitere innere Einrichtung des Tschums. Das Hauptbedürfnifs der samojedischen Wohnung bildet unstreitig das erwärmende Feuer. In der Mitte des Tschums unter der oberen Oeffnung desselben, die dem Rauche einen nur spärlichen Abzug gestattet, glimmt dasselbe entweder auf einer besonderen Erhöhung oder auf einer eisernen Platte, die sich selbst erwärmend, auch die Wärme im Tschum länger erhält. Zwei Bretter, in der Richtung vom Njo zum Ssinikúi, umgeben das Feuer, über welchem an zwei in derselben Richtung durch den Tschum gehenden Stangen Haken befestigt werden, an denen man die Kessel zum Kochen der Speisen aufhängt.

Das Brennmaterial selbst, welches dem Samojeden in der weiten waldlosen Tundra zu Gebote steht, ist von sehr schlechter Beschaffenheit; aufser Heidekraut und nassem Weiden- und Birkenreisig, welches noch dazu mehr glimmt, denn brennt und weniger erwärmt, denn raucht, liefert sie ihm nichts für diesen Zweck.

Dies ist das einfache Bild eines jeden Tschums, möge derselbe einem wohlhabenden oder einem armen Samojeden angehören. - Eine Verschiedenheit findet höchstens in seiner Grösse oder darin statt, dafs der Wohlhabendere den Fufsboden mit einer gröfseren Menge Rennthierhäuten bedeckt. Dies ändert aber nichts in dem Wesen des Tschums selbst, der sich überall gleicht. Man trete in irgend einen derselben ein; überall wird man dieselbe Scene finden. In der Mitte glimmt das Feuerchen, dessen Rauch den Tschum erfüllt; mit gekreuzten Beinen sitzen die Männer im Kreise und starren gedankenlos auf den glimmenden Heerd, in dessen erwärmender Nähe in buntem Gemisch die Hunde und die selbst bei der strengsten Kälte nackten und schmutzigen Kinder lagern; schweigend sitzt die fleissige Inka da und ist stets mit dem Ausbessern der Kleidungsstücke oder dem Drehen von Fäden aus Rennthiersehnen beschäftigt. Traurig und zugleich widerlich ist der Aufenthalt in einem solchen Tschum. Der unausstehliche Rauch und die grenzenloseste Unsauberkeit zwingen den

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